Über vergessene Geburtstage und den wind of change

Der: „wind of change“ ist eher: „smells like teen spirit“, und pustet mich hart aus den Socken, wenn ich morgens das Babyzimmer öffne, mein liebstes Süßilein, das gestern noch an meiner Zitze hing, wachküssen will, und der mich zärtlich verschlafen ansäuselt: „HAU AB! LASS MICH! WEIßT DU EIGENTLICH, WIE MÜDE ICH BIN?!“. Oder wenn ich auf der Suche nach verschollenen Brotdosen seine diversen Turnbeutel öffne…

Neulich sprach der Mann, ich bräuchte nur noch Megapackungen dieses drei-in-eins-Kopf-Arsch-Füße-Shampoo mitzubringen, das er benutze, weil die Brut sowieso immer seins nähme. Nur noch eins für alles und jeden quasi, wäre doch auch praktischer, oder nicht? Nein?!

Als ich meine Contenance und meine Stimme wiedergefunden hatte, musste ich kurz intervenieren. Ich bin noch nicht bereit, mich von Bübchen-Duschbad zu verabschieden! Wie kann man so herzlos sein? Was kommt als nächstes? Keine Bärchenwurst mehr oder was? Der süße Krawallo hat das Herz aus Gold seiner Runzelmutti und hat mich in den Arm genommen mit den Worten: „Mama, alles gut, man ist nie zu erwachsen für Bübchen-Shampoo!“.

Leider ist er aber zu erwachsen, um an meiner Hand zu gehen. Und leider noch nicht erwachsen genug, dass ich an seinem Arm gehen könnte! (😭 Wir sind hier nicht bei WhatsApp, aber wie sollt ihr ohne Smileys verstehen, wie ich mich fühle?! 💔💘🪓🤕Jetzt wisst ihr es.). Jedenfalls war es Zeit für ein Personalgespräch und ich musste dem Oberschätzchen erklären, dass womöglich er meine Hand wirklich nicht mehr braucht, ich aber seine! Heimlich natürlich. Und dass er mich langsam entwöhnen müsste, noch fünf mal, noch vier, noch drei… Das hat er verstanden und selbstverständlich bescheiße ich den beim Zählen, was denkt denn ihr! Ich habe den fünfzehn Stunden lang geboren, der geht so lange an meiner Hand, bis sein Bart weiß ist!

Das hab ich auch dem Bärtigen erklärt, weil das natürlich seine Schuld ist (der hat schon vor Jahrzehnten sowieso die Generalschuld für alles übernommen, prophylaktisch), weil der mir nur zwei Babies gemacht hat. Der sieht das alles ganz anders und führt Erwachsenengespräche mit mir, die immer mit: „Henrike, …“, beginnen, was mir den Ernst der Lage klarmachen soll, da er mich ja sonst „Rike“ nennt, oder: „Meine Süße!“ (wobei damit auch der Hund gemeint sein könnte, alles geht den Bach runter hier), denen ich ernst und seriös nickend folge, während ich ihm dabei mit dem Kugelschreiber ein Herzchentattoo in den Nacken male. Ich bin schließlich voll erwachsen.

Jedenfalls, so ist die Lage. Wen interessiert schon, dass ich vor lauter Herzschmerz meinen zehnten Bloggeburtstag vergessen habe! Pffff, geschenkt. Ich konnte die Zeit nicht anhalten, niemand kann das. Ich habe es wirklich versucht und jede Minute bunt angemalt und Glitzer drübergestreut! Und dennoch wird das Babylein elf Jahre alt sein im Sommer, die Schule wechseln, ein Teeniezimmer bekommen, seinen Dinoranzen aussortieren und jeden Morgen kontrollieren, ob ihm über Nacht schon ein Haar in der Achsel gewachsen ist.

Schnelle Autos und Fußball, Ronny Ronaldo, Ferraris, Lambo… keine Ahnung, von wem der das hat. Ist das meiner? Hat den jemand vertauscht?!

Bis zum Kinn reicht der mir, will sich sein immer dunkler und dicker werdendes Haar nur noch vom arabischen Barbier schneiden lassen, und ich habe mich selbst schon erwischt, wie ich unten im Keller in den Erinnerungskisten gewühlt habe und seine Babylöckchen, die seidenweichen, zwischen den Fingern gerieben habe.

Wie hält man das aus? Das ist der schlimmste Liebeskummer überhaupt, ich weiß es genau. Und ich kenne mich mit Liebeskummer wirklich aus!

Große Kinder, großes Glück, ich sage das oft selber, und ich war und bin für immer die größte Verfechterin für eine Rehabilitation der Pubertät und aller Betroffenen! Das ist nicht das Ende, das ist super, wenn man sich einlassen kann. Ich habe das doch schon mal überstanden! Damals hatte ich aber noch ein Baby auf dem Schoß sitzen, in dessen duftiges Haar ich meine Nase drücken konnte, wenn mein Herz schwer war…

Arschbacken zusammen, Nieselnuss! Alle anderen machen doch auch nicht so ein Theater, immer dieses Drama bei dir! („…Ich bin aber nicht alle anderen! Die anderen lieben ihre Kinder vielleicht nicht so sehr wie ich, aua, es tut so weh!…“).

Tja.

So sieht es aus. Zehn Jahre Blondino, zehn Jahre Nieselpriem. Zehn aufregende Jahre, viele Menschen getroffen, kennengelernt, mich selbst auch irgendwie neu, in einer neuen anderen Rolle. Elternblogs, ganz neuer Scheiß, die Beginne, der Aufbruch in einer Welle, eine neue Sichtweise auf Elternschaft, attachment Parenting, bedürfnissorientiert, Schlagwörter der letzten Jahre, in deren Fahrwasser ich die beste Zeit hatte, mein Baby zu begleiten, mein zweites. Und in denen ich den Kleinkindeltern schon mal zeigen konnte, wie das ist mit einem „großen“ Kind. Jetzt haben diese Eltern alle Teenager und merken, ist gar nicht so schrecklich! Warum hat man uns das immer erzählt? Wieso hat man uns glauben lassen, Teenager wären Monster? Hat man uns selbst so gesehen während unserer Verwandlung?

Herzlichen Glückwunsch, mein Blöggel, mein Tagebuch, mein liebes. Hier kann ich nachlesen, dass ich schon vor drei Jahren schrieb:

„Die Pubertät habe ich immer gut verstanden. Für mich selbst waren das schreckliche Jahre. Vielleicht deswegen. Ich habe mich hässlich, fett, ungeliebt, nirgends zugehörig und entsetzlich wertlos gefühlt. Ich habe das nie vergessen. Ich war in Träumen gefangen, die mich weit weit weg von allem Realen trugen, verlor die Bodenhaftung, den Blick für Gefahren. Ich hatte keine Anker, keine starken Arme, die mich hielten. Ich erinnere mich ganz genau, was ich so vermisste. Verstanden sein, angenommen werden, begleitet sein. Und immer wieder bewunderndes Lob und Vertrauen. Als der Bubi in die Pubertät kam, hob der Mann die Arme und sprach, er sei raus! Er kam gar nicht mehr klar mit dem. Da kam ich auf den Plan. Alles, was vorher nie abgefragt wurde und ich gut liefern konnte, war jetzt groß in Mode. Zuhören, Mut zusprechen, trösten, motivieren, absoluten Unsinn und abstruse Fantasien geduldig anhören. Ich konnte den jungen Mann gut begleiten, mit gehörigem Abstand natürlich, ich habe ihn immer unterstützt, egal, wie blöd der sich aufgeführt hat, mir fiel das nicht schwer, das konnte ich gut von mir als Person trennen. Ich wusste ja noch, wie Scheiße Pubertät sich anfühlt. Den ersten Liebeskummer haben wir dann als Eltern zu zweit überwacht am Bett des Jungens, der glaubte, er würde sterben. Sein Herz bräche und weiterleben sei nicht nur sinnlos, sondern sogar unmöglich. Der Mann rollte mit den Augen, ich aber wusste genau, was das Kind fühlte und sah sofort die Gesichter von Thomas K und Tilo B vor mir und war in dem Moment sechzehn wie er. Ich fühlte mit und sagte ihm nicht: „Ach, so schlimm ist das nicht! Daran stirbst du ganz sicher nicht!“, sondern, dass ich wüsste, wie weh das täte und dass ich ihm aber versichern könne, so weh wie jetzt wird ihm nie wieder etwas tun (was natürlich auch gelogen war, aber das erste Mal Liebeskummer ist wirklich eine Grenzerfahrung, da sind wir uns wohl alle einig). Die erste Pubertät haben wir überstanden, vor der nächsten habe ich keine Angst, ich kann das.“

Ich kann das.

Roh, vegan, verzweifelt

Beim Aussuchen der Überschrift kam mir der Gedanke, die geneigte Leserschaft könnte annehmen, ich würde vielleicht über die „letzte Generation“ schreiben wollen, aber nein! Es geht um einen Kuchen, eine Torte.

Ganz eigentlich sogar ist das der Rant zu einem Rezept. Wobei, „Rezept“ klingt für mich nach etwas Gekochtem, Gebackenem oder Heilung versprechendem. Dies hier hat nichts von alledem. Es wird nicht gekocht und nicht gebacken, sondern nur püriert und gebetet. Und Heilung, nun ja, ich wurde geheilt von jeglichen Anflügen, ein derartiges Experiment jemals wieder zu versuchen.

Aber fangen wir mal weiter hinten an.

Ich mag meine Kollegen, damit geht es schon mal los. Und meinem Versuch, es allen im Team Recht zu machen, schon mal weiter. Da haben wir Unverträglichkeiten, Veganismus und Animositäten. Und mich zwischendrin, die unnötigerweise versprach, einen Kuchen zu backen!

Gut, das passiert den besten unter uns. Jetzt könnte man sich erinnern, dass mein regelmäßiges Scheitern in Küchendingen und Lebensangelegenheiten im allgemeinen des Öfteren schon Grund zur schamlosen Belustigung Außenstehender bot. Ja, ich behaupte gern, meinen „grandiosen“ Durchbruch hier in Bloggerhausen meinem Talent bei der Zubereitung von Sanddorngelee zu verdanken.

Außerdem bin ich mit einer riesengroßen Portion Naivität gesegnet, die dafür sorgt, dass ich völlig überwältigt und beeindruckt regelmäßig Reels von vegan, zucker- und Kalorienfrei kochenden, backenden Menschen bei Instagram inhaliere. Reels, die kaum zehn Sekunden dauern und in denen die Personen mit stets perfekt gepflegten Nägeln Sachen zusammenschmeißen, die am Ende des Reels ein ansprechendes Lebensmittel ergeben und – et voilá! – ruckizucki schwuppdiwuppdi fertig sind und noch schnell mit dem Rücken des Küchenmessers über die Kruste fahren, damit man die „crazy crunchiness“ hört und Gänsehaut bekommt, weil, boar, ist das geil, das will ich auch!

Natörlisch scheitere ich jedes Mal! Natörlisch kommt in der Regel ein Essen (im besten Fall) dabei raus, das mit dem aus dem jeweiligen Instagram-Reel wirklich nur sehr vage etwas in Aussehen und crazy crunchiness gemein hat! Und natörlisch versuche ich es weiter, muss schließlich an mir liegen. Die lügen doch nicht alle, oder?! Lügen die etwa?!

Für die vegane Schokosahnetorte, die ich versprochen hatte, püriere ich zuerst zwölf Datteln mit einer Dritteltasse Rosinen und einer dreiviertel Tasse Pekannüsse. Dazu braucht man einen Hochleistungsprozessor, das weiß ich jetzt. Ich habe aber nur eine Küchenmaschine und schon Probleme, mich für eine (Irgendeine!) Tasse zu entscheiden! Was, wenn die zwölf Datteln (Keine zwölf Tassen, nein, Stück) irgendeinen mathematischen Bezug zur tassenmäßig abgemessenen Menge der Restzutaten hat?! Weiß ich doch nicht! Sagt mir doch keiner! Ich schüttle mutig die aufkeimende Verzweiflung ab und noch Kakaopulver und einen Löffel Kokosöl dazu und mache dann Qualm mit dem Mixer der Küchenmaschine. Dann rühre ich den stückigen Brei und püriere. Und bete. Pürieren und beten. Dann den Matsch in eine Tortenform klatschen und hurtig aus dem Sichtfeld verbannen. Erste Schicht fertig.

Dann Mixer sauber machen und fluchen, weil die klebrige Dattelpaste klebt, Überraschung! Danach in das (fast) saubere Mixergefäß Cashewkerne schütten. Dann lesen, man sollte die dreißig Minuten kochen vorher. Also Cashews aus dem Mixer raus, in den Topf rein und kochen. Währenddessen Dattelkakaopaste von der Arbeitsfläche und den Wänden putzen, und konstant fluchen, prophylaktisch.

Dann Cashews in den Mixer, tassenmäßig abgemessene Kokosmilch, Ahornsirup und Orangensaft dazu und dann wieder beten und pürieren. Kosten. Schmeckt wie Grießbrei, nur körniger. Also weiter pürieren! Und beten! Wieder kosten. Feinerer Grießbrei. Soll das so?! Egal! Ich habe schon den Mixer heißpüriert, das bleibt jetzt so. Auf die Dattelschokoscheiße schütten und wieder beten. Diesmal, dass das irgendwie irgendwo irgendwann fest werden möge. Zur Sicherheit stelle ich das ganze in den Froster. Schicht zwei fertig.

Mixerglas reinigen. Fast geschafft, jetzt kommt nur noch der Guss, Kinderspiel! Jetzt werden die Datteln auch nicht mehr gezählt, sondern in Tassen angegeben (die Autorin hatte an der Stelle dann wohl auch keinen Bock mehr). Ich schütte also wieder Datteln, Kakaopulver, etwas Pflanzenmilch und Ahornsirup zusammen und bringe meine arme Küchenmaschine zum Röhren. Es wird nichts, kein Guss entsteht! Ich schaue mir das Rezept an und stelle fest, die Angaben für den Boden (fest und klebrig) entsprechen nahezu denen des Gusses, der Ganache, dem glänzenden Obendrüber, wie kann das sein, hä?! Kann ja nicht klappen! Die wollen mich alle verarschen. Wieso ist mir das nicht früher aufgefallen? Bin ich bescheuert, wie bescheuert kann ein einzelner Mensch sein? Wieso darf irgendwer irgendwas, das nicht funktioniert, in dieses Internet schreiben? Das wäre ja, als würde jemand Falschnachrichten publizieren und jemand anderes würde das glauben! Völlig verrückt wäre das! Ich schweife ab…

Zurück zum Tatort. Die Schicht drei sieht aus wie tote Oma (DDR-Kinder kennen das aus der Schulspeisung. In meiner wachsenden Verzweiflung schmelze ich eine Tafel Lindt 90%-ige Schokolade und mische das darunter. Sieht jetzt so aus:

Die 90%-ige muss froh sein, dass sie überhaupt noch mal irgendwo untergekommen ist, seien wir mal ehrlich, das kann doch keiner essen! Das ist keine Schokolade und kann allenfalls in einer Bratensoße verkocht werden.

Mir ist alles egal! Ich hole die gefrorene Kuchenform aus dem Frost und schmiere das, was wie Grützwurst aussieht, auf die immer noch nicht feste Cashewsahne, und um meine Inkompetenz zu verschleiern, klebe ich höchstselbst kandierte Pekannüsse obendrauf. Dann packe ich alles ein und schiebe es ganz hinten in den Kühlschrank. Der Mixer kriegt ein Küsschen, er ist genauso fertig und durchgenudelt wie ich. Kurz überschlage ich, dass dieser Tortenversuch in der achtzehn Zentimeter kleinen Kuchenform aufgrund der teuren Zutaten so viel kosten wird wie zwei Blechkuchen aus Eiern und Butter. Vergesse das schnell wieder…

Schreibe mir als letzte Amtshandlung des Tages Zettel, auf denen ich mir mitteile, dass ich nicht vergessen soll, nie wieder ungefragt Kuchen anzubieten!

Am nächsten Tag im Büro, nach dem Auspacken aus Backpapier und Folie, die die plöte Scheiße zusammengehalten hat, sah das Prachtstück (Ha, von wegen!) so aus:

Nach dem Anschnitt (An-schnitt!, von wegen, An-Quetsch wohl eher, ließ sich gar nicht schneiden) dann so:

Und so hier auf dem Teller:

Und so auch:

Der Boden und die Decke waren steinhart, während die „Sahneschicht“ nahezu flüssig war. Genauso sah das in dem Instagram-Reel aus. Nicht.

Und wie war´s geschmacklich? Doch, ja, es hat erstaunlich, ich muss sagen, hm, überraschend, gar nicht mal so, wie jetzt, es war.. ich hab´s gleich… es hat sehr gesund (!) geschmeckt! Ein bisschen wie die Dulcolax-Würfel, die ich als Kind gegen Verstopfung essen musste. Genau, eEs schmeckte wie Dulcolax mit Grießbrei. Und rohköstig. Vollwertig. Es war grieselig im Mund. Und klebrig. Und schmalzig im Gaumen. Und im Magen.

Ich hatte sehr lange nach dem Verzehr dieser Torte Sache weder Hunger noch Appetit auf irgendwas. Außer vielleicht auf einen Zungenschaber mit langem Stiel, mit dem ich mir die Speiseröhre würde auskratzen können.

Und die Moral von der Geschicht`? Glaub bloß den Instagrambäckern nicht!

Dieser Beitrag ist für ❤ Nici ❤ die dringend mal wieder was zum Lachen brauchte. Und die behauptet hat, der Kuchen hätte ihr geschmeckt! Haha. Sehr witzig.

Ferientagebuch – Winterferien 2024

„Ich berührte einen Königspython (ich hatte für uns eine Tierbegegnung gebucht im Westküstenpark Sankt Peter Ording). Ich guckte Fernsehen. Ich sah einen Katzenhai (Multimar Wattforum Tönning). Ich sah Seehunde. Ich sah eine Seehundgeburt (Lehrfilm in der Seehundauffangstation Friedrichskoog). Ich guckte eine Reihe betrüblicher Ereignisse (Netflix; die Serie liebten wir sehr). Ich zockte Todesball (fragt nicht). Mama und ich spielten Rommé und Schiffe versenken. Mama schimpfte mich aus, weil ich einen Kratzer am Auto machte (nicht wegen dem Kratzer, sondern weil ich extra vorher laut und deutlich gesagt hatte, du sollst die Tür nicht öffnen, wir stehen eng an der Mauer, aber nein, rumms). Ich zockte Doors und erreichte Tür 100. In den Ferien machte ich mein Tablet kaputt (eigentlich hast du gar keins, das ist das Tablet deiner armen Eltern gewesen, was gegen einen wütenden headshot von dir keinerlei Chancen hatte). Mich rissen doppelt so große Wellen wie ich weg im Wellenbad (Dünentherme Sankt Peter Ording). Ich rutschte den Wildbach (Rutsche im Bad). Die Kurven vom Wildbach nimmten mich mit („nahmen“ wäre das Wort gewesen, das dir nicht eingefallen ist; das Konjugieren des Wortes „nehmen“ üben wir noch mal bei Gelegenheit; vielleicht als Strafe für den Kratzer und das Tablet…). Ich war mutiger als ein 16-jähriger (du bist auch mutiger als eine 54-jährige ❤ ganz ehrlich).“

Über Feiertagsüberlebende, IQ-Feststellungsverfahren post mortem und was wirklich besser als Sex ist

Willkommen im Jahr 2024!

Seid ihr gut reingerutscht?! Was für eine blöde Frage. Ich bin noch niemals in ein Jahr reingerutscht, ihr? Jahresenden und Jahresbeginne gestalten sich seit jeher für mich immer gleich: Spätestens Anfang November fiebere ich dem Glanz und der Glorie hin, nur um ab Anfang Dezember wirklich zu fiebern. Oder fiebernde Familienangehörige zu pflegen. Mit Glanz und Glorie. Ich möchte eigentlich mal einen ernsthaften Beitrag schreiben, was Weihnachten für mich, was „das Kind“ bedeutet, aber ich komme nicht dazu! All die Verheißungen verpuffen in der Malade der Leidens-Wochen Ende des Jahres.

Welche Krankheiten hattet ihr? Ihr wart doch auch krank, oder? Gefühlt jeder war krank. Diesbezüglich prangere ich die Medien an. Immer diese verlogene Weihnachtsfilmscheiße! Nie kotzt einer auf den Truthahn, nie liegt die Heldin mit Covid flach, die lügen doch alle! Und am siebenundzwanzigsten Dezember kriechen sie- in die Neonbeleuchtung der Supermärkte blinzelnd – wie Überlebende einer Zombieapokalypse aus ihren schweißnassen Krankenlagern, the walking Feiertagsüberlebende. Nur um eilends für den Start ins neue Jahr vegane Fleischersatzprodukte und Fitnessklamotten zu kaufen. Wat mutt, dat mutt. Sport kann man nun mal nicht in einem ausgeleierten T-Shirt vom Firmenlauf 2015 machen, oder in den Sportsachen vom letzten Jahr! Das weiß schließlich jeder.

Was noch? Ach ja, Retouren. Retouren gehören zum Neujahrsanfang wie die neue Lycrakollektion bei den Discountern. Schön daran ist, dass sie auf die sportlichen Ziele des Rücksenders einzahlen, denn die Packstation bei uns ist immer voll! Außer, man möchte einen briefumschlagdünnes Produkt zurücksenden, das ginge vielleicht. Was bestellste auch so viel, Nieselpriem, du Umweltsau! Rennen sollst du, rennen! Dreimal mit dem Paket zur Packstation und zurück! Zur Strafe. Und wegen den sportlichen Zielen…

Und während ich jeden neuen Morgen des neuen Jahres meinen ungesunden senffarbenen Hautton (oder wie ich gern sage: Ein Hautton in der Farbe von geronnener Kotze) mit den aktuell angesagten Mittelchen und Tinkturen übertünche, schleicht sich das neue Jahr an, neue Zahl, neue Veränderungen, neues Alter. Das macht mich immer komisch. Also mehr als sonst.

Off topic: Wusstet ihr eigentlich, dass Vincent van Gogh angeblich einen IQ von 165 hatte?! Nein? Das Internet schon. Ich frage mich ja, ob der damals, achtzehnhundert Filzschuh, arm und einöhrig, in ein IQ-Feststellungsbüro gegangen ist und gesagt hat: „Ich kann euch nur mit hässlichen Sonnenblumenbildern bezahlen, werter Herr, aber für die Nachwelt muss unbedingt festgehalten werden, wie intelligent ich nach dem Maßstab des übernächsten Jahrhunderts gewesen bin! Also forsch voran und spitze er die Feder!“. Bestimmt war das so. Denn auch ansonsten stimmt ja immer alles, was im Internet steht. Zum Beispiel bekomme ich seit Wochen dieses unschlagbare Angebot, Gummibärchen zu kaufen, mit denen ich dreißig Kilo in fünfundzwanzig Tagen abnehmen soll. Das funktioniert wirklich! Also rein rechnerisch nicht bei mir, aber prinzipiell schon, vielleicht. Natürlich darf man dann außer dem einen Gummibärchen pro Tag auch nichts anderes zu sich nehmen (Wasser geht vielleicht), fünfundzwanzig Tage lang, damit man überhaupt abnimmt, aber das ist ja klar. Nur dass sie mich wochenlang triggern, heute (!) wäre nun wirklich der letzte Tag für mein „freies Angebot“, das verursacht bei mir ein Zucken im rechten Augenlid. Was, wenn ich das unschlagbare Angebot nun verpasse?! Was, wenn das alles top Sigrid ist, topsi Grit, und ich verpasse es, weil ich nicht im richtigen Moment das richtige Produkt gekauft habe! Diese Angst ist vielleicht noch nicht katalogisiert und mit einer Nummer versehen, aber ich denke, die gibts real. Also bei Menschen, die wie ich, viele Jahre im werbungsfreien Teil der Welt verbracht haben (nannte sich nicht umsonst: „Tal der Ahnungslosen“). Ich brauche immer noch einen Erwachsenen, der mir ab und zu sagt, dass ich nicht alles glauben soll, was die mir erzählen! Die Menschen im Internet, in der Werbung, im echten Leben. Das ist schwierig für mich, ich würde nämlich gern immer glauben können, was mir jemand erzählt. Mir fehlt da eindeutig ein Misstrauens-Gen. Dafür hab ich den Bärtigen geheiratet, der hat zwei von diesen Genen übrig.

Unser Blondino hier wird in diesem Jahr elf Jahre alt sein, vor zehn Jahren habe ich angefangen, dieses Blöggel zu füllen mit meinem kauderwelschigen Gedankenkram zu den Kindern, unfassbar ist das für mich. Aber falls die Polizei mich mal fragt: „Wo waren sie am dreizehnten April 2014? Gestehen sie!“, dann weiß ich das. Ich war im Garten und habe Gestrüpp und Möbel aus dem Anwesen gewuchtet! Das weiß ich, weil ich hier nachgucken kann! Cool, was? Ich wünschte wirklich, ich hätte mehr Zeit damit verbracht, alles festzuhalten. Ich wünschte, ich hätte mir dafür mehr Zeit genommen. Zehn Jahre, die ersten zehn Jahre im Leben meines zweiten Kindes, und dennoch zu wenig Worte, zu wenig Bilder, um die „Mätschick“ dieser Wunderjahre einzufangen. Die Pubertät steht in den Startlöchern, kriecht aus den Achselnähten der Sportshirts meines Babys und der schelmische Milchbartmacho geht mir schon bis zum Kinn – ich begreifs nicht.

Das Tollste in diesen Tagen ist ganz klar die morgendliche Hunderunde an der Elbe. Gut, es ist mit minus zwölf Grad aktuell so kalt, dass du als Hundebesitzerin froh bist, wenn du einen Beutel mit warmer Hundekacke in der Hand kneten kannst, ist doch wahr! Aber die Sonnenaufgänge! Wenn es nicht so kalt wäre möchte man niederknien, so schön ist das.

ungefähr sieben Uhr
sieben Uhr dreißig
acht Uhr (dann schon wieder unspektakulär); wer Spektakel will, muss früh aufstehen!

Das mindestens zweittollste in diesen kalten Tagen ist der abendliche Gang auf die Heizdecke. Ich glaub´ ja selbst nicht, dass ich das öffentlich zugebe, aber eine warme Heizdecke unterm Bettlaken, das ist wie, das ist besser als, das ist das Größte! Und ja, ich schreibs jetzt: Das ist besser als Sex! Wenn du fröstelnd und müde deine klammen Glieder auf dem warmen Untergrund ausstreckst… unbeschreiblich! Wenn mich abends jemand fragen würde: Sex oder Heizdecke, ich würde nicht zögern mit der Antwort! Anstatt die nächsten hundert Euro für Toys auszugeben, empfehle ich die Investition in eine Heizdecke, ganz klar. Macht auch glücklich. Und schläfrig.

So, das war der erste und unspektakuläre Beitrag des neuen Jahres und wenn mir etwas Geistreiches eingefallen wäre, hätte ich es hier auch hingeschrieben! Aber aufgrund von diversen Rhino- und Noro- und sonstwas-Viren bin ich noch etwas schaumgebremst.

Ich wünsche euch ein ganz wunderbares und wundervolles Jahr und dass ihr – Bumm Tschackalacka! – beim Triomino immer ein Pferd mit Riesenpenis legen könnt. Oder ein Einhorn, wenn ihr noch einen 1-3-irgendwas-Stein findet. Möget ihr immer die Steine finden, die ihr gerade braucht. ❤

Sinnvolle Hashtags für die Suchmaschine fallen mir zu diesem Beitrag jetzt nicht ein, aber ist ja auch egal – ich hab ein Pferd mit Riesenpenis gepostet! Bekloppter wird´s in diesem Jahr bestimmt nicht mehr. Hoffentlich.

Buchempfehlung: „Die Last, die du nicht trägst“

Buchempfehlung: „Die Last, die du nicht trägst“

Meine erste Berührung mit diesem Buch war im Frühjahr 1980. Ich, zehnjährig, kam mittags aus der Schule und meine damals hochschwangere Mutti saß die sprichwörtlichen Flüssigkeiten heulend auf der Couch im Wohnzimmer, mich gar nicht beachtend, und las in einem dünnen grünen Buch.

„Die Last, die du nicht trägst“. Ein Buch, geschrieben von der Mutter eines geistig schwerbehinderten Jungen. Keiner berühmten oder bekannten Schriftstellerin, einfach einer Frau, die ihren Schmerz, ihre Verzweiflung, ihre Hoffnungen und ihr Erleben in die Erika-Schreibmaschine gehackt hat, damals, 1978.

Ich hatte meine Mutter noch niemals zuvor weinen sehen. Das grüne Buch musste etwas sehr besonderes sein. Ich mopste es mir und las es heimlich. Verstand kaum, was ich las, war entsetzt, heulte gleichermaßen vor Angst und Schrecken heimlich in meine Kinderbettwäsche, und hatte große Angst vor der nahenden Ankunft meiner kleinen Schwester.

Jetzt kann man sich fragen, warum eine Schwangere solch ein Buch liest im letzten Drittel ihrer Schwangerschaft. Schwangere tun mitunter seltsame Dinge, das wissen wir alle (Ich zum Beispiel war fest davon überzeugt, meine Söhne Titus und Pius zu taufen). Die Wahrheit wird in der DDR-Vergangenheit liegen und dem Umstand, dass es selbst Bücher nicht im angefragten Maße zu kaufen gab und diese „unter der Hand“ weitergegeben wurden. Meine Mutter war eben dran zu einem Zeitpunkt, der für sie ungünstiger (?) nicht hätte sein können.

Das dünne grüne Buch wurde in elf Auflagen gedruckt, Roswitha Geppert, die Mutter mit der Schreibmaschine, über Nacht zu einer Bestsellerautorin in der DDR, einer gefragten Ansprechpartnerin für die Belange behinderter Menschen. Ihr Roman hatte nicht nur die öffentliche Diskussion über die Behandlung und Pflege von Menschen mit Behinderung zur Folge, sondern gab den Anstoß auch für andere Eltern, zu erzählen, zu schreiben.

Warum erzähle ich euch das?! Das Buch ist alt, älter als die meisten von euch. Roswitha ist tot, ihr Sohn Tino ist tot, es gibt unzählige Erlebnisberichte von Eltern, die nach ihr kamen. Eltern, die ihr Erleben und Erfühlen in einer Zeit beschreiben, die uns näher ist.

Gerade deshalb.

„Die Last, die du nicht trägst“, ist in ganz vielen Dingen ein Buch, das sich abhebt von allen anderen Büchern, die das Thema aufgreifen.

Zum Einen spielt es in den späten Siebzigern der DDR, es wirft auf seinen vergilbten Seiten einen Blick auf das Leben im Arbeiter- und Bauernstaat, ohne „davon“ erzählen zu wollen. Wir erleben die Kämpfe des Paares um Gleichberechtigung, Wert der eigenen Arbeit, Teilung der sogenannten „care Arbeit“ (den Begriff kannte Roswitha gar nicht), wir erleben, was es heißt: Die Ehe scheiterte an der Belastung der Eltern. Wir lesen, wie der Junge seine Eltern nächtelang um den Schlaf bringt, wie der Vater einen Nervenzusammenbruch erleidet und auf den Rücken seines Sohnes einprügelt und daraufhin die Mutter sitzend und wachend die Nacht am Bett ihres Sohnes verbringt, um den Einen vor dem Anderen zu schützen. Wir lesen uns durch die Gedanken, Kämpfe, Verzweiflungen der Mutter Roswitha in den ersten vier Lebensjahren ihres Wunschkindes. Der eigene Selbstmordversuch wird ebenso wenig ausgespart wie die wachsende Gewalt in der Familie und Abneigung der Umwelt, je größer und „auffälliger“ der Junge wird. Wir lesen, wie die Umwelt auf sie reagiert, auf ihr Kind, zu einem Zeitpunkt, als „solche“ Menschen hinter Mauern und Zäunen geschützt (versteckt) wurden. Wir lesen, wie die Mutter sich Heime ansieht und die Räumlichkeiten, die Bewohner beschreibt, die Zustände, Gerüche, das alles mit einer gewaltig detaillierten Bildsprache. Wir lesen, wie sie versucht zu helfen, mitarbeitet, dort wo niemand arbeiten will. Lesen über ihren Arbeitstag in einem solchen Heim, lesen ihre Geschichte mit, bis sie im Krankenhaus landet aufgrund eines Schwächeanfalls. Und schlussendlich an der Situation kapituliert. An der Last, die sie nicht mehr tragen kann.

Dieses Buch ist das erste seiner Art. Das fühlte ich beim neuerlichen Lesen. Deswegen ist es so besonders. Deswegen möchte ich, dass viele Menschen das lesen! Immer noch.

Roswitha weiß beim Schreiben nicht, dass tausende Menschen ihr Buch jahrzehntelang lesen werden. Roswitha schreibt, was sie denkt, ohne einer Zensur unterlegen zu sein, ohne sich selbst einem Zensus zu unterwerfen. Sie schreibt, ohne ihr Erleben jemals zuvor in dem Erleben einer anderen Person gespiegelt zu sehen. Durch Bücher anderer Eltern, einer Selbsthilfegruppe, dem Internet oder ähnlichem. Sie schreibt auf, was sie sieht, was sie fühlt. Und das liest sich im Jahr 2023 nicht wie ein Buch aus einer anderen Zeit (blendet man verwendete Begriffe wie: „Schwachsinnige“, „Idioten“ etc. aus in dem Wissen, dass das in den Siebzigern gebräuchliches wording war. Ebenso das Wort: „Negerkind“, bei dem ich zusammengezuckt bin).

Dieses Buch ist in meinen Augen so wichtig, weil es ganz viel sichtbar macht. Nicht nur das Offensichtliche, Thematische dieses Buches. Es ist gleichermaßen eine Gesellschaftsstudie, an der man sich anschauen kann, was sich verändert hat, was sich noch immer nicht genug geändert hat.

„Du weißt nicht, wie schwer die Last ist, die du nicht trägst.“, mit diesem afrikanischen Sprichwort beginnt das Buch und die Autorin stellt sich auch der Wahrheit: Was macht es mit meinem Gegenüber, wenn ich ihm schonungslos erzähle, wie es mir geht, auf die harmlose Frage hin: „Wie geht´s dir?“. Was mit meinem schwerbehinderten Kind los ist, wie schwer meine Tage sind, wie aussichtslos. Wenn sie das Erblassen erblickt im Gegenüber, dem sie ungefragt ein Teil ihrer Last vor die Füße geworfen hat. Darf man das?

Sie stellt sich zutiefst ethische Fragen. Ethische Fragen, die die vor ihr niemand wagte zu stellen, die auch im Jahr 2023 aktuell sind.

„Die Last, die du nicht trägst“ (Mitteldeutscher Verlag Halle- Leipzig, 1978, S.272)

Ich habe nicht geweint, als ich das Buch in diesem Jahr zum zweiten Mal gelesen habe. Auch nicht bei der berüchtigten „Straßenbahnszene“, die jeder Person im Gedächtnis bleibt, die das Buch kennt. Nein, ich habe das Buch diesmal gelesen als eine Person, die diese Ängste kennt aus dem Erzählen meiner Freundinnen, die Verzweiflung in den Augen anderer schon gesehen hat, der besonderen Frauen in meinem Leben mit ihren besonderen Kindern.

Und ich möchte, dass das Buch von Roswitha Geppert, das fünfundvierzig Jahre alte Buch, von dem ich euch hier erzähle, so viele Menschen wie möglich lesen, um Eltern wie meinen Freundinnen die Last von den Schultern zu nehmen, ein Stück weit zumindest, und zwar durch Verstehen! Um erkennbar zu machen, wir sind weiter gekommen, ja, das sind wir. Aber es bleiben für Außenstehende unermessliche Lasten auf den Schultern der Eltern mit behinderten Kindern, die nicht und niemals von diesen genommen werden können. Jede erreichte monetäre und soziale Erleichterung ist wichtig, aber in meinen Augen viel wichtiger ist, dass echtes Verständnis wachsen kann, für die Last, die du nicht trägst.

In ihrem Buch „Das Lächeln kehrt zurück“, dass immer mal wieder als Fortsetzungsroman betitelt wird (was das Buch nicht ist), schreibt Roswitha Geppert auf Seite 16:

„… Seltsam. Sobald man mit Unbetroffenen ins Gespräch kommt und sie erfahren, das einem das geistig schwerbeschädigte Kind starb, wird die Vermutung laut, dass man darüber froh sein müsste. Oder zumindest erleichtert, von dieser Belastung entbunden zu sein. (…) Stirbt einer Mutter das geschädigte Kind, so stirbt ihr das Kind. Ohne alle Abstriche. Ein Kind, um das sie möglicherweise mehr trauert, als um einen anderen Menschen. Weil dieses Kind ohne ihre Liebe, ihre Fürsorge und mütterliche Selbstlosigkeit niemals lebensfähig gewesen wäre. Freilich, ein Leben in Abhängigkeit, für beide. Aber: bei welchem Menschen sonst bekommt man die Chance, ohne Enttäuschung unendlich zu lieben?…“.

Mir war wichtig, euch von diesem Buch zu erzählen. Ja, wer vielleicht für einen leichten Bonmot, einen schnöden Schenkelklopfer heute hier vorbeigeklickt hat, der mag enttäuscht von dannen ziehen. Aber vergisst vielleicht dennoch nicht den Titel des kleinen grünen Buches.

„Immer bringst du mich zum Heulen!“, schrieb irgendwann eine Leserin mal. Das will ich nicht, jemanden zum Heulen bringen. Zum Lachen bringen, vielleicht. Zum Fühlen bringen, ganz sicher, das will ich. Leben ist etwas wunderbares, Leben zu schenken, Leben zu bewahren. Leben zu schützen, Lasten abgeben zu können, einander Lasten abzunehmen, das gehört dazu. Wertschätzung entgegen zu bringen für die Personen, die sich beruflich, in Selbsthilfegruppen oder ehrenamtlich engagieren, um anderen Menschen ihre Lasten erträglich zu machen, das auch. Und anzuerkennen, dass diese Gabe nicht jedem Menschen gegeben ist. Und das danach in Demut nie wieder zu vergessen. ❤

Über Schwieren und Fritzen, vier plus eins, eine befleckte Empfängnis und andere Menkenke

Dieses Wochenende hat den Namen „vier plus eins“, da es aus vier Tagen und der Extrastunde durch die Umstellung auf Winterzeit geprägt ist. Herrlich! Vier Tage frei und zusätzlich hell am frühen Morgen und immerzu das Gefühl, es ist noch Zeit übrig.

Das bedeutet allerdings auch, dass seit Freitag die REWEs und NETTOs der kleinen Stadt, in der ich lebe, zu Holfixen (Holfix – DDR-Name für einen Lebensmitteldiscounter – gekennzeichnet durch leere Regale und Angebotsverknappung) mutieren, weil, besser man bevorratet! Wer weiß, wann der Laden wieder aufmacht und ob es dann noch was gibt! Dieses: „Es gibt was!“, das muss man verstehen. Menschen, vor 1980 geboren im Honeckerstaat, kennen das noch. „Es gibt Niethosen!“, „Es gibt Frotteehandtücher!“, „Es gibt Nudossi!“, und schon rannten sie alle los. Eingeholt (wir gingen einholen, nicht einkaufen, wirklich, das hieß so) wurde, was es gab, nicht, was man brauchte. Standen irgendwo an einem Geschäft mehrere Leute in Schlange davor, stellte man sich besser mit an. Wer weiß, was es gerade gab?! Entweder fragte man die Personen in der Schlange vor einem („Ich weiß auch nicht genau, habe aber gehört, die hätten Blousons aus der Jugendmode in Berlin geschickt bekommen, besser, wir stellen uns mal an!“), oder wartete, bis man dran war und fragte die Fachverkäuferin, ob sie noch was unterm Ladentisch hätte, egal was. Brauchte man das nicht gerade selber, konnte man das gut eintauschen. Meistens war die Bückware aber auch gerade dann alle, wenn man dran war. Unter diesem Gesichtspunkt verstehe ich sogar, dass sie alle losrennen, wenn Gefahr besteht, dass durch einen oder zwei glücklich (oder unglücklich) gelegene Feiertage die pausenlose Konsumgüterversorgung, an die man sich in den vergangenen dreißig Jahren gewöhnt hat, unterbrochen wird. Ich habe Angst vor den Vorweihnachtstagen, ganz ehrlich. Dann wird das wieder ganz ganz schlimm. Die haben dann alle auch Laune! Alle so PMS-ig drauf. Ich erwäge, noch einen oder zwei Kühlschränke anzuschaffen und entsprechend eines Menüplanes jetzt schon einzukaufen (pardon, einzuholen) und zu stapeln, zu horten. Besser, man bevorratet! Letztes Jahr dachte ich ja kurzzeitig, ich sei besonders schlau. Nämlich, als ich beschloss, den Kampf outzusourcen (to outsource se Kampf um se Fressen). Ich orderte bei REWE online, die bringen! Ja, die bringen auch tatsächlich, aber was die so bringen, Alter! Pfirsiche waren aus, also Mandarinen in der Dose, ist ja das gleiche. Rohen Schinken gabs auch nicht mehr, wollen sie Gekochten dafür? Und so weiter. Das ist keine Alternative. Also extra Kühlschränke. Gestern habe ich im übrigen beim Aufräumen noch zwei Pakete Klopapier auf dem Dachboden gefunden, aus Coronazeiten, wisst ihr noch? Obwohl, es sollen ja schon wieder (Oder immer noch?) Coronazeiten sein. Stell dir vor, es gibt Corona, und keiner dreht durch. Wenn mir das jemand vor vier Jahren erzählt hätte…

Jetzt machen wir mal einen Absatz hier rein, mir wird schon selbst ganz blümerant beim Lesen.

Was noch. Ach ja, die Carolin Kebekus ist schwanger, wusstet ihr das?! Ja, nein? Egal? Ja, das stimmt, eigentlich völlig egal, aber. ABER! Das kann man sich nicht ausdenken, ich wünschte, ich hätte mir das nur ausgedacht. Seitdem Frau Kebekus mit ihrem nunmehr sichtbaren Zeichen der Empfängnis auf „Der Fötus in mir“-Tour ist, häufen sich diese Kommentare, die mir im Duktus doch noch sehr bekannt sind von der „Causa Caroline Beil“. Es kommen die üblichen Dreckssachen in Hinblick auf das Alter der werdenden Mutter und die Frage, ob das denn habe sein müssen in diesem Alter noch! Also wirklich. Aber dann: Wusstet ihr, die hat doch mit dem, dabei hat der doch schon eine Frau und vier Kinder, ja wirklich, ich weiß es genau, fremdgegangen ist die, dabei ist doch doch eigentlich zusammen mit dem da, aber das Kind ist von diesem Dingsda, der, ja genau der, wirklich eine Schande, eine schöne Feministin ist das! Wirklich eine schöne Feministin! Wer weiß, wo die sich an Silvester rumgetrieben hat und mit wem, eine wie die, das weiß man ja… und sowas nennt sich Feministin!

Was die Schwangerschaft und die Wahl des Paarungspartners von Frau Kebekus mit Feminismus zu tun hat, weiß ich nicht. Was aber diese Kommentare und dieser Dreck im Internet damit zu tun haben, das weiß ich ganz sicher. Viel Arbeit liegt vor uns, sehr viel Arbeit. Ach, und wenn Carolin einen Rat annehmen möchte, ich würde das Bühnenprogramm umbenennen in: „Der öffentliche Uterus“. Ich wünschte wirklich, das wäre lustig. Carolin, du liest das nicht, aber ich wünsche dir eine tolle Schwangerschaft, völlig egal, ob die komplette Freiwillige Feuerwehr von Bottrop als Vater infrage kommt.

Weil wir gerade bei Fruchtbarkeit sind. Neulich sagte ich zu Andrea in einem unsere WhatsApp Sprachnachrichten in Podcastlänge, die wir uns so zuschicken, am schlimmste nerve mich an den plöten Wechseljahren das abwechselnde Schwieren und Fritzen. Und ich finde, das könnte sich ruhig etablieren als Begriff. Ich habs jetzt aufgeschrieben, jetzt ist es also „gebräuchliche Mundart“.

Apropos Schreiben. Ich schreibe mir ja immer so Stichworte in meine Kladde, zu denen ich euch was erzählen will. Dann vergehen Tage, Wochen, Jahreszeiten und ich schaue dann auf diese Stichworte und frage mich, was ich mir wohl damit sagen will. Also heute zum Beispiel lese ich: Anke Engelke, Torsten Sträter, Majo, Hand, Ärzte, Menkenke, Rabusche, Gogelmosch. Die letzten drei Begriffe sagen mir durchaus etwas, könnten sie doch allein meine Persönlichkeit beschreiben, aber der Rest? Fehlanzeige. Zum Glück liest das hier ja keiner…

Logbucheintrag viertausenddreihundertachtzig. Blogs, auch so was. Liest das noch jemand? Blogs sind tot, das sage ich selbst oft. Reels, Storys, TikTok, Podcasts, Broadcasts, die fastfood-artigen schnellverdaulichen Formate sprießen in dem Internet, schneller als ein Puffpilz nach einer Regennacht (nein, ich meine keine Geschlechtskrankheit, sondern den harmlosen Bovist). Ich lese Blogs, aber ich lese ja auch noch Bücher und höre keine Hörbücher. Ich bin vielleicht bald ein Internetrentner, kann sein. Aber guckt mal, Rena und Anke bloggen auch immer noch. Ja, die schreiben auch Bücher (sehr empfehlenswerte im übrigen), aber es gibt noch immer Menschen, die sich dem geschriebenen Wort verschrieben (Ha!) haben, das macht mich fröhlich. Danke euch, hört niemals auf, ich lese das! ❤

Und ich muss jetzt auch mal los, einholen, weil morgen ist schon wieder zu und wer weiß, was es alles gibt im bunten Einkaufsladen. Und dann dekorieren für Halloween, und die Weihnachtskisten schon mal ein Stück aus der Kammer rausziehen, weil quasi übermorgen schon mit der Produktion von Weihnachtsgebäck begonnen werden muss. Wusstet ihr, dass wir in der DDR kein Orangeat hatten? Nein? Doch, das stimmt, damals wurden Gemüsestücke getrocknet, aromatisiert, eingefärbt und mit dem Namen Kandinat versehen, weil man Zitrusfrüchte einfach nicht in dem Maße importieren konnte. Der berühmte Dresdner Christstollen bestand also zu Teilen aus Karotten und Sellerie, wohl bekomms.

Wem etwas zu Torsten Sträter und Majo einfallen sollte (mir fällt nur ein, dass „Majo“ in Sachsen ein gebräuchlicher Vorname war in den Siebzigern; geschrieben wurde er „Mario“), der kann sich gern melden.

Leben und Lassen – im Mai 2023

Der Mai startete mit den höchsten Feiertagen des Jahres.

Muttertag

Vatertag
Wir waren tanzen beim after work hoch oben im Turm der Technischen Sammlungen
Unsere Baya musste operiert werden…
… und trug dann drei Wochen lang einen feschen Lycraanzug.
Ich war bei einem sehr berührenden Kinderkonzert in der Zionskirche.
… und habe mich tierisch aufregen müssen, weil es zwar schön ist, dass die Senioren sich der neuen Technik aufgeschlossen zeigen, allerdings deren angemessenen Gebrauch offenbar noch lernen müssen. Warum ein Ehepaar zu zweit parallel eine ganze Veranstaltung filmen muss, erschließt sich mir nicht. Ich bin sehr für die Einführung von Kursen zur geriatrische Medienerziehung.
Endlich wieder ein Firmenevent und die Lieblingskolleg:innen wiedersehen, live und in bunt, schön!
Den Balkon eingeweiht
… und „deepe“ Gespräche geführt mit dem Kleinchen, das jede Mittagspause an jedem Wochenende lesend hier draußen verbracht hat.
Gebastelt im Mai: Nichts. Aber Schwarzmalerei betrieben. Blumentöpfe und getrocknete Gräser (nicht im Bild) angesprayt
Der Blondino hat die Kiste mit meinen Cowboys und Indianern (so nannte man die amerikanischen Ureinwohner und ihre Unterdrücker noch in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts) und hat sie aufgestellt.
Ritter sind auch dabei.
Interessant fand ich, dass es ihn nicht interessiert hat, dass die Figuren ganz offensichtlich bewaffnet sind, er sich nicht fragte, wer gegen wen, Konförderiertensoldaten neben amerikanischen Ureinwohnern platziert wurden. Auf mein Nachfragen hin erklärte er, die gingen jetzt alles zu Ritters zum Grillen. Ich habe nie ein schöneres Bild gesehen, wie die Geschichte hätte umgeschrieben werden können. Ich musste daran denken, dass es in meiner Kindheit kaum einen Opa gab, der alle Gliedmaßen hatte – alle gingen sie mit einer sichtbaren Kriegsverletzung umher, mein eigener hatte ein steifes Bein und ihm fehlte ein Finger, und das Wort „Kriegsverletzung“ kannte jedes Kind – und die Kinder des neuen Jahrtausends kennen in Deutschland weder dieses Wort, noch dessen Bedeutung. Und was das für ein Gut ist, ein Schatz, ein fragiles schützenswertes Pflänzchen, das kam mir in den Sinn. Möge es für alle unsere Kinder und Kindeskinder so bleiben.
Pfingstrosen, die Kardeshians unter den Blumen
Dieselbe Blüte, eine Woche später.
Lieblingsessen im Mai: Hummus mit Kürbis, auf einem Teller breitgeschmiert, überhäuft mit buntem Salat.

Ohne Foto: Der Blonde ist auf seine allererste Klassenfahrt gefahren und ich habe sehr melancholische Gedanken durchdacht, während ich unzählige Namensetiketten in kleine bunte T-Shirts gebügelt habe. Hauptsächlich darüber, dass ich jetzt drei Stunden die Scheiße einbügele, und sie dann die nächsten drei Monate immer aus der Trommel der Waschmaschine rausfummeln muss, weil die blöde Drecksscheiße nie hält! Zumindest nicht dort, wo sie soll. Ja, an Ärmeln meiner Blusen, da hält dann ein Namensaufkleber mit einem Häschenkopf und dem Namen meines Kindes wie Bombe! Ja, und natürlich habe ich auch auch darüber nachgedacht, wie lange diese bunten T-Shirts noch klein und überhaupt bunt sein werden und das Wachstum und die unnachgiebige, unaufhaltsame Zeit, die jedes bisschen Glück zum Frühstück frisst und unflätig rülpst im Anschluss. Zum Glück habe ich dieses Blöggel…

Eheleben im Mai – es ist immer noch Liebe
Leben und Lassen – im April 2023

Leben und Lassen – im April 2023

Moar, ich hänge immer noch hinterher mit den Monatsrückblicken! Dann kömmer also sowas wie einen Krankenhausaufenthalt einfach nicht mehr machen, wenn das zur Folge hat, dass die geneigte Leserschaft sich im Frühsommer mit ollen, angestaubten Fotos begnügen muss. Ehrlich, Rike, ich bin enttäuscht von dir, von mir.

Vielleicht merkt es ja niemand, zack zack, der April ist schnell erzählt.

Nachdem der März ein Liegemonat war, folgte ein Sitzmonat. Ich saß.

Ich saß und guckte in die Welt.
Ich saß und wartete auf die Heimkehr der Familie und der Freunde nach der Osterwanderung.

Ich lümmelte auf fremden Betten.
Ich schaute dem Frühling bei seiner Geburt zu.
Lieblingslunch im April: Cheeseburgersandwiches

Und so gehts: Den Sandwichmaker befüllen mit Vollkorntoast, darauf kommen ein Klecks Burgersoße deiner Wahl, je zwei Esslöffel gebratenes (veganes) Hack, ein Esslöffel Zwiebelwürfelchen, eine Scheibe herzhafter Käse nach Gusto und noch ein Klecks Burgersoße. Zwei Kleckse Soße machen das Kraut nicht fett, und dich auch nicht. Zudecken mit einer weiteren Scheibe Vollkorntoast und ab geht die wilde Fahrt im Sandwichmaker! Wenn Hackkrümel und Zwiebelwürfelchen daneben fallen beim Befüllen, ist das nicht schlimm, sondern super, das kommt mit den Sandwiches auf deinen Teller.

Küchenexperiment des Monats: Pochierte Eier in Muffinförmchen kochen. Ich schwöre auf die Förmchen von Oxo, das werden wirklich babyleicht wunderschöne pochierte Eier, aber ich dachte mir, probierste mal das mit der Pfanne und den Muffinförmchen – sieht so leicht aus – et voilá!

Eine Pfanne mit etwas Wasser füllen, Plastikmuffinförmchen rein, je ein Ei ins Förmchen.
Mit geschlossenem Deckel kochen lassen bis zum gewünschten Grad der Festigkeit. Et voilá – zu fest!
Es schmeckte wie Ei, aber nicht wie pochiertes Ei. Leider, ihr müsst das nicht nachmachen. Ich mag das Wabbelige, leicht Essiggeschmackliche eines pochierten Eies lieber. Für mich das nächste mal wieder die Oxo-Form. Außerdem war zwar das Rauspolken aus der Muffinform okay, das Ei hinterlässt allerdings Spuren, die besonderer Fürsorge beim Abwaschen bedarfen – gna!
Die Magnolien blühten im April, auch in gelb.
Und die Tulpen, ich bin schwer verliebt in alle Aprilpflanzen.
Zu Hause mühten sich diverse Gemüseschößlinge in Klorollen ab auf der Fensterbank – nur der Zucchini würde es bis in den Juni schaffen (was ich aber im April noch nicht wusste).

Gehört im April: „Mama, der Pedro ist echt ein… sei mir nicht böse, ich muss jetzt ein ganz schlimmes Wort sagen… Uhrensohn!“. Pedro, son of a watch, was hast du nur angestellt, um dieses schlimme Wort zu verdienen?!

Das wird mir fehlen!

In unserer Familie werden Ironie und Sarkasmus – bedingt durch die spezifische neurologische Datenverarbeitung der Früchtchen – nur von dem Bärtigen und mir verstanden. Das wiederum ermöglich uns zwei alten Silberrücken, auch vor den Kindern Bemerkungen zu machen, die nur wir zwei verstehen, also wirklich verstehen!

Ein nahezu geflügeltes Wort ist dabei geworden: „Das wird mir fehlen!“.

Hintergrund ist, dass wir zwei Alten in Momenten, bei denen uns die Laune und die Geduldsfäden in den Kniekehlen hängen, uns oft vorrechnen, wie lange noch, bis wir uns nur noch um uns kümmern müssen. Acht Jahre? Zehn? Zwanzig?! Und dann malen wir uns aus, wie schön unsere harmonischen Tage sein werden. Was wir alles tun werden, beziehungsweise nie wieder tun werden!

Neulich besprach der Bärtige abends beim Bier mit einem seiner Freunde die Gesamtlage der Nation und das Eheleben. Der Freund meinte etwas larmoyant, er wäre müde von diesem Familiending und schon seit zeeeeehn Jahren sei er jetzt in dem Game und ach. Mein Mann fiel fast vom Stuhl. Seit dreiundzwanzig Jahren hockt er auf Spielplätzen, im Schwimmbad, der Tobehalle, auf Elternabenden, „Ihr Kind hat…!“. Seit dreiundzwanzig Jahren Ärsche abputzen, die nicht sein eigener sind, Kinderarzt, Rummelplatz, geordnete Mahlzeiten nach festgelegtem Zeitplan, Ferienbespaßung. Nicht zu sprechen von den extra Haaren, die er unterwegs verloren hat, weil beide Söhne eine Schwerbehinderung haben und deswegen noch mal mehr Tamtam auf die Liste kommt. Die zerfledderte Liste, die wir irgendwann mal weglegen wollen. Uns nur um unsere Bedürfnisse kümmern wollen ohne überhaupt noch ein Gespür dafür zu haben, was das denn sein könnte. Uns inbrünstig den Tag herbeisehen, an dem die Kinder in die Welt marschieren und ihr Ding machen, einfach so. Ohne uns.

„Das wird mir fehlen!“, seufze ich meist bei den idyllischen Abendessen im Kreise meiner Familie. Man kennt das ja: Mama Miracoli sitzt mit Papa Miracoli und den süßen Absenkern der Miracoli-Familie am reichlich gedeckten Tisch, die güldene Abendsonne bescheint das friedliche Bild. Nur, dass bei uns alle durcheinanderreden, streiten, diskutieren, das mir die Ohren klingeln, Zeug umwerfen, Mama Miracoli permanent aufstehen muss um andere Löffel zu holen, weil Joghurt nur mit einem ganz bestimmten Plastiklöffelchen gegessen werden kann (der schmeckt sonst nicht, der Joghurt). Das wird mir fehlen!

Gemecker, Gemotze, schlaflose Nächte, Hintern abputzen, Kinderarztbesuche, Zoo, Jahrmarkt, Elternabende, Spielplätze, Schwimmbad. Das wird mir fehlen! Melonenkerne rauspulen, Zähne nachputzen, Knie flicken, Streit schlichten, das wird mir fehlen.

Ich freue mich auf Abendessen, bei denen ruhig und genüsslich gespeist wird und man sich gegenseitig wertschätzend von seinem Tag berichtet und das Essen lobt. Mehr nicht!

Immer, wenn mal der Großsohn aushäusig ist, merken wir, wie entzerrt solche anstrengenden Situation sind. Die Kinder befinden sich trotz des Altersunterschiedes von dreizehn Jahren in einem Wettstreit und Konkurrenzkampf. Ist das normal? Das ist nicht normal. „In seinem Alter durfte ich nicht so lange an den Gameboy!“, ist dabei nur ein Beispiel. „Ich musste immer alles probieren und meinen Teller aufessen!“, „Wenn ich so frech gewesen wäre wie du, hätte ich Riesenärger bekommen!“, „Das ist alles so ungerecht!“. Ja, Junge, deine Kindheit war die härteste überhaupt! Beim Essen habe ich Sheldon Cooper am Tisch sitzen, der bei jeder Erzählung seines kleinen Bruders: „Hä?! Das ist doch unlogisch!“, einwirft und Grundsatzdiskussionen beim Essen abhalten will.

In anderthalb bis zwei Jahren spätestens, so planen wir, wird der Große ausziehen. Er will, er muss, und wir werden das natürlich engmaschig betreuen, ihm assistieren und ansonsten auch nicht sehr weit weg sein. Ein paar Meter halt, aber immerhin! Ich freue mich darauf, wirklich. Ich liebe den jungen Mann wirklich und ich spüre nach wie vor die Verbundenheit zwischen uns, aber die Nabelschnur wird immer länger, und dünner.

Und das ist gut so! Für unsere Beziehung ist es immens wichtig, wenn wir etwas Raum zwischen uns bringen. Auch zwischen den Bärtigen und sein Erstlingswerk. Der weiß alles besser! Das kannst du dir nicht ausdenken, und ich lache auch gar nicht, wenn ich „The big bang theory“ schaue und Sheldon Cooper seinen Freunden die Nerven fiedelt, ich kenne das viel zu gut aus eigenem Erleben. „Das kann nicht sein! Das ist total unlogisch!“, viel gesprochene Sätze aus einem bestimmten Mund im Hause Nieselpriem. Außerdem weiß der junge Mann alles besser, das ist einfach so. Frag Sheldon Cooper, der versteht das!

Er war ein schrulliges und eigenartiges Kind, aber nun ist er ein schrulliger und eigenartiger junger Mann, und das muss er allein schaffen, sich damit der Welt zu stellen. Und seinen Eigenarten im allgemeinen Lebenskontext der Neurotypischen. Das schafft der, ich bin überzeugt davon. Mehr als wir das getan haben, kann man ein Kind im Spektrum nicht vorbereiten auf das Leben hinter der Glasscheibe. Er wird im Juli dreiundzwanzig Jahre alt, es wird Zeit für ihn. Und für mich. ich werde nie weiter weg sein als ein Anruf und ein: „Ich komme, kein Problem!“, und der Bärtige ebenso.

Allerdings wird mir neuerdings immer wieder klar, wie eingeschränkt er ist, der junge Mann. Bestimmte Plausibilitätschecks, die bei uns neurotypischen Menschen ab einem gewissen Alter ganz von alleine im Gehirn ablaufen, sind bei ihm systemisch nicht vorgesehen. Außerdem glaubt er (noch) immer, was ihm sein gegenüber sagt. Bedenkenlos. Lügen kann er nicht nur nicht, ihm scheint für Unwahrheit jegliches Grundverständnis zu fehlen. Und für Absurdes auch.

Beispiel gefällig? Seit einem Jahr lernt der Bubi für die Fahrschule. Diese dreitausend Fragen in einer App hat er bestimmt schon dreimal beantwortet. Er würde auch immer weiter immer wieder diese Fragen in dieser App beantworten und damit kein Ende finden und sich vermutlich niemals für die Prüfung anmelden, wenn wir Eltern nicht gesagt hätten, es reiche jetzt, er solle sich doch nun mal um einen Prüfungstermin kümmern! Das sagten wir dann nur noch circa vierundzwanzig Mal und erklärten, es reiche nicht, bei der Fahrschule anzurufen und dem Anrufbeantworter zu erzählen, er wöllte nun die Fahrschulprüfung absolvieren! Die rufen dich nicht zurück, Junge, du willst doch was von denen! Versteh doch…

Und nun, pass auf. Vorgestern kam der junge Mann – breit wie ein Kleiderschrank, fröhliches Kinderlachen im hübschen Kindergesicht – nach Hause und spricht: „Mutter, stell dir vor, ich habe einen Termin für die mündliche Prüfung! Übermorgen! In Osnabrück!“. „In…wo?!“, „In Osnabrück, das hat die Frau gesagt!“. „Ganz sicher hast du keinen Termin in Osnabrück! Weißt du überhaupt, wo das ist? Das ist am anderen Ende von Deutschland! Das kann doch nicht stimmen, du hast dich sicher verhört!“. „Nein, hab ich nicht. Und wenn die Frau sagt, ich habe fünfzehn Uhr dreißig am Mittwoch die Prüfung in Osnabrück, dann ist das auch so! Du kannst das doch gar nicht wissen, du warst nicht dabei!“.

Atmen, Rike, atmen. Mit einem auf unerklärliche Weise gefunden Rest an Engelsgeduld habe ich erwirken können, dass der junge Mann noch mal angerufen und nachgefragt hat, und: „Osnabrück“ entpuppte sich als: „Nossener Brücke“, in Dresden, wie von mir vermutet. Weil, da wohnen wir, in Dresden, da ist die Fahrschule, alles andere wäre unlogisch. Für mich zumindest! Nicht für meinen Sohn. Läppischer Unterschied von sechshundert Kilometern, aber wer guckt schon so genau. Schließlich hat die Frau am Telefon ja gesagt, die Prüfung wäre in Osnabrück!

Und überhaupt befinde ich mich seit über zwanzig Jahren in einem Dienstleistungsverhältnis, bei dessen Vertragsschluss ich wahrscheinlich mental umnachtet gewesen bin. Immer, wenn: „Mama!“, ertönt, eile ich herzu und frage, womit ich denn behilflich sein könne. Der Mann sagt, seit wann käme denn der Keks zum Krümel, und wenn irgendwer etwas wöllte, solle er es doch mit seiner Anfrage bitteschön bis zur Schwelle des Zimmers schaffen, wo der um Hilfe Ersuchte sich befindet. Nun, der Keks kommt zum Krümel, zumindest bei uns, denn ich bin der verdammte Keks.

Das wird mir fehlen. Oh, wie wird mir das fehlen!

Ich werde aus dem Fenster gucken nach meinen Söhnen, werde in Jogginghosen mit Telkoblazer obendrüber und Headset auf den zerzausten Haaren im Homeoffice aus dem Fenster starren. Ich werde an alten Schmusetüchern der Jungs schnüffeln, die Fotoalben vollheulen und mich verdächtig auf Spielplätzen rumdrücken um anderleuts Kindlein anzuschmachten. Weil mir das so fehlt! Mir ist einfach nicht zu helfen.

Dann kommt der Keks nicht mehr zum Krümel, dann kommt nur noch der Berg zum Prophet, nämlich, wenn anstatt: „Mama!“, „Rike!“, vom Bärtigen durchs leere Haus gebrüllt wird.

(C) Giphy

Update: Der Bubi hat die mündliche Fahrschulprüfung mit null Fehlern bestanden. Jetzt dauert es nur noch circa fünf bis zehn Jahre, bis er eventuell den Führerschein besitzt. Wir wissen ja, wie das bei Sheldon Cooper so läuft…

Leben und Lassen – im März 2023

Anfang März habe ich Quartier bezogen im Dresdner Josephstift. Vorher aber noch gab es einen Riesenalarm wegen der verdickten Halsschlagader, man wolle mich nicht operieren! Alarm! Rotes Ausrufezeichen an der Krankenakte. Gehen sie wieder! Klären sie das!

Ich ging und ließ klären. Nun ja, es sind Ablagerungen da, aber nein, man müsse da jetzt nicht sofort reagieren, man will beobachten. Stent? Nein. Medikamente? Nein. Also operieren? Ja.

Und so kam es. Ich will gar nicht weiter darüber schreiben. Schön ist anders.

Ich habe nach einer Woche dann das Bett gewechselt, und die Aussicht.

Und die Verpflegung!

Da ich außer Liegen nichts machen konnte, musste ich leider acht Staffeln „Castle“ gucken, das war unumgänglich. Außerdem habe ich mir einen mürrischen Geschmack angewöhnt. Ich war wie ein kleiner Marcel Reich Ranicky, dem man den Spruch nachsagt: „Ich kann nicht anders – ich muss nörgeln!“.

Mehrere hochgelobte Bücher habe ich knurrend und ungeduldig weglegen müssen und fühlte mich nicht nur nicht gut unterhalten, sondern regelrecht betrogen! Um Lesegenuss, mein Büchergeld und meine mir durch die knorrigen Hände rinnende Lebenszeit.

Auf der outtakes-Liste stehen hiermit neben John Burnsides: „So etwas wie Glück“, Simone Buchholz´: „Unsterblich sind nur die anderen“, Katja Lewinas: „Ex“.

Nicht nur Bücher wurden von mir Berufsliegerin gnadenlos verrissen, auch gegenüber Netflix und Co war ich der kleine Marcel. Ich fand so vieles so scheußlich, dass ich es mir unmöglich merken wollte (dass ich acht Staffeln „Castle“ am Stück weggeratzt habe, sagt dabei viel mehr über meine Konstitution aus). Die aktuelle Staffel: „working moms“, fand ich beliebig, und die lang ersehnte Serie: „Wellmania“, mit Celeste Barber, entsetzlich, jeder Anflug von Humor wurde in Vulgarität erstickt. Ich hab die erste Staffel nicht zu Ende geschaut.

Erlöst aus dieser Kulturverdrossenheit in Co-Einheit mit permanenter Bettlägerigkeit hat mich Isabell Bogdan mit ihrem Pfau. Ein wirklich wunderschönes Buch, mit schöner Sprache und bildgewaltig geschrieben. Herzlichen Dank dafür! Auch Nadine Lashuk mit: „Liebesgrüße aus Minsk“, fand ich unterhaltsam geschrieben.

Sebastian Fitzeks: „Elternabend“, liegt noch unangetastet auf dem Stapel, weil ich mich vor mir selbst fürchte. Aktuell, und auch ansonsten. Jetzt muss man wissen, Fitzeks Thriller nicht zu mögen, ist mir stets sehr leicht gefallen! Das ist schlicht weg Geschmacksache. Dann aber lernte ich ihn als Speaker kennen auf einer Blofamilia, und war innerhalb weniger Minuten schockverliebt! Unfassbar charismatisch, eloquent, witzig und klug, alles in einer einzigen Person! Wie kann ich da seine Bücher nicht mögen?! „Fische, die auf Bäume klettern“, war dann auch für mich wie Sebastian Fitzek beim Sprechen zuzuhören – ich hing gebannt an seinen Wörtern. Nun hat er mit: „Elternabend“ ein Buch herausgebracht, dass kein Krimi/Thriller ist, aber dennoch ein Roman und ich habe nur mal kurz aufgeschlagen und einen Absatz gelesen und habe das Buch jetzt erst mal zugedeckt. Ich lese es noch und ich will es mögen. Wie kann man Fitzeks Bücher nicht mögen, wie können sich Millionen lesende Konsumenten irren? Was stimmt nicht mit mir?!

Wo man allerdings auf gar keinen Fall etwas beim Bücherkauf falsch machen kann, ist Jan Weiler. Ein „Weiler“ enttäuscht nicht, ein „Weiler“ liefert ab! Das ist so klar wie die Tränenflüssigkeit, die mir beim Versuch, mit meinem maladen Körper länger als fünf Minuten auf einem Stuhl zu sitzen, aus den trüben Augen tropft.

Jetzt könnte manchereins behaupten, zwanzig Ocken für ein dünnes Büchlein, das sei doch unerhört! Nun, nein. Ich persönlich zahle lieber zwanzig Piepen für kurzen, aber garantierten Lesegenuss, als mehrmals zehn Euro für Paperbacks, die ich dann nicht mal in die zu-verschenken-Kiste vors Haus legen möchte, denn: Was sollen die Leute denken!

Also, „Älternzeit“, besingt das schöne Leben, das uns hoffentlich alle ereilt, wenn die Kinder flügge werden und es ist noch Restlebenszeit übrig. Das von Herrn Weiler zu lesen, macht nicht nur Spaß, sondern auch Mut. Wenn man Jan Weilers Romanfamilie aus vorherigen Büchern kennt, ist das sicher noch ein bisschen lustiger zu lesen, aber zwingend notwendig ist es nicht.

Das Thema „kommt“ und wenn es nicht der Weiler geschrieben hätte, hätte es eigentlich nur der „Hanne“ schreiben können, aber wer weiß, vielleicht hat unser aller Christian vom Familienbetrieb schon ein Büchlein mit ähnlichen Thema auf dem Tisch?! Ich würde mich darüber jedenfalls sehr freuen.

Ebenfalls gefreut habe ich mich, als ich Ende des Monats die Liegestatt für kurze Augenblicke und in nahezu aufrechter Haltung verlassen konnte. Auch meine Familie freut das. Und alle Menschen, die zwischen Buchrücken auf meinen Fensterbrettern liegen. 🙂

Lieblingsessen im März: Jennifer Anistons Lieblingssalat! Das behauptet zumindest das Internet. Es geht die Saga, dass Jen angeblich jeden Tag der Dreharbeiten zu „Friends“ eine Schüssel dieses Salates vertilgt hätte und dass auch ihre Schauspielkolleg:innen den gegessen hätten. Ich vermute, sie wollten ebenso das zarte Zwiebel-Odeur verströmen. Ob alle so furchtbar haben pupsen müssen wie ich, ist nicht überliefert (und Lisa Kudrow hat auf meine Anfrage bei Instagram nicht geantwortet), aber ich habe eine diffuse Idee, wie es am Set der Dreharbeiten gerochen haben muss. Und zwar danach:

1 Tasse Bulgur oder Quinoa nach Anleitung kochen und abgießen. Danach in einer Salatschüssel vermengen mit

1 Dose Kichererbsen, abgegossen (Abgießwasser zu veganer Mousse au Chocolat verarbeiten, wem das schmeckt)

1 Fetablock, klein gewürfelt

6 Babygurken oder 4 Bauerngurken, gewürfelt

2 Schalotten, kurz mit einem Schluck kochendem Wasser übergossen

1 große Handvoll Petersilie

1 Handvoll Minze (ohne mich)

Salz, Pfeffer, Olivenöl

Durchziehen lassen, schmecken lassen, wirken lassen…

Leben und Lassen – im Februar 2023

Das ist mein neuntausendsechshundertsechster Blogpost. Das wollte jetzt niemand so genau wissen, aber ich erzähle euch das trotzdem.

Ich sitze heute an einem herrlich sonnigen Frühlingstag unter blauem Himmel, es zwitschert, trillert, balzt und pfeift um mich herum, der Ahorn schmeißt seine Kinder in schieren Mengen herab, dass ich Eimer füllen könnte mit diesen klebrigen Samenhülsen, die wir uns früher als Kinder immer auf die Nasen geklebt haben.

Jedenfalls, es ist nicht ganz so leicht, gedanklich zurückzukehren zu Nass/Kalt/Grau, zumal – wie ihr alle wisst – dieser Winter gefühlt sechs Monate lang war und noch im April niemand recht glauben konnte, dass das jeeeemals aufhören würde. Tat es, tut es, es geht immer weiter. Immer!

Februar.

Im Februar waren Winterferien und ich hatte einen Urlaub für das Kleinchen und mich alleine gebucht. Ich wollte ihn ganz für mich, wollte Erlebnisse haben, die nur wir zwei würden haben werden, wollte etwas Exklusives.

Wir sind nach Sankt Peter Ording gefahren, das hatte ich euch ja im Januar schon angekündigt. Und: Es war toll! Alles war toll (das Wort „toll“ wird noch oft vorkommen, sehr toll oft). Ich hatte im Vorfeld unfassbar großen Bammel vor der Fahrt, ich bin noch nie alleine derart weit gefahren, Autobahnen machen mir Schiss, die blöde Verdickung an der Halsschlagader machte mir extra Schiss, ich hab’s gemacht, und es war toll (Seht ihr?)!

Wir hatten ein winziges Häusschen, das früher mal ein Schuppen gewesen sein musste, aber zauberhaft renoviert war und alles beherbergte, was anderthalb Urlauber so brauchen könnten.

oben
unten

Der Ort war verlassen bis auf die paar Einheimischen und Kurgäste. Im Februar ist sprichwörtlich tote Hose dort. Auf unserer Straße war in genau einem Häuschen Licht – unserem. Das war abends etwas gruselig, wenn wir spät nach Hause kamen, zumal der Nebel in Schwaden um die dunklen Häuser waberte.

Tagsüber war es einfach nur zauberhaft, oder um es mit den Worten des Blondinos zu sagen: „Hachgottchen!“. Und das lag zu einem großen Teil daran, dass wir das Örtchen für uns alleine hatten!

hübsch aber geschlossen, wie fast jede Lokalität
wenn du der einzige Mensch auf der Straße bist, kann selbst der schmalste Weg kurzerhand zum Sportplatz erkoren werden
Jede Menge Liebe

Ich hatte meine Freundin Silke Vorort, die zur gleichen Zeit Urlaub machte und die, da sie das schon seit fünfzig Jahren tut, als quasi Einheimische durchgeht. Das war super! Silke hat mir im Vorfeld unschätzbar wertvolle Ausflugtipps gegeben, und hat uns mit Duftkerze, Schietwettertee und Keksen begrüßt an unserem Häuschen.

Das war überhaupt das Allergrößte: Ich hätte angenommen, dass ich mich einsam fühlen würde, an einem weit entfernten Ort, außerhalb der Saison, nur mit dem Früchtchen. Aber es kam ganz anders. Meine Freundinnen, mein Mann, mein Großsohn, meine Mutter, meine Schwester, alle riefen mich regelmäßig an. Es gab Morgen, da sind wir kaum losgekommen zu einem geplanten Ausflug, weil ich stundenlang am Telefon hing! Davor kamen die zig whatsApp-Nachrichten, die ich täglich beantworten musste, und die alle stets die eine Frage hatten: „Und, wie geht’s euch heute?“.

Jetzt mag der Eine oder die Andere denken, so what, wat willse denn sagen damit?! Damit willse sagen, dass nichts davon irgendwie normal wäre! Weil, jeder Mensch, der mich ein bisschen besser kennt, weiß, ich hasssse telefonieren! Ja, vier S sind durchaus angebracht. Ich würde lieber Zettel an Tauben binden, SOS-e morsen oder sonstwas tun, ehe ich auf die Idee komme, jemanden anzurufen. Also privat. Dienstlich sieht das ganz anders aus. Aber privat? Nee. Und Menschen, die klingeln und dann am Telefon sagen: „Na du? Ich dachte, ich klingele mal durch. Es ist nichts, ich wollte nur mal deine Stimme hören und bisschen quatschen!“, zu denen würde ich sagen: „Was stimmt nicht mit dir? Hast du Fieber?! Ich telefoniere nicht! Schreib gefälligst WhatsApp wie normale Menschen! Oder schick mir ne Sprachnachricht, die kann ich mir anhören, wann ich das will. Danke. Gespräch vorbei!“.

fernmündliche Kommunikation á la Nieselpriem; Beispielkonversation

Sprachnachrichten retten mich ja seit Jahren vor der unliebsamen Telefoniererei. Mit meiner Freundin Fika habe ich das derart kultiviert, dass man sagen könnte, wir podcasten. Wir schicken uns gegenseitig Abrisse der jeweiligen Woche und teilen uns unsere Gedanken mit, also so, wie andere die Beste anrufen einmal pro Woche, so podcasten wir hin und her. Eigentlich ausschließlich. Außer wir treffen uns, das machen wir vorher natürlich auch per Podcast aus.

Gut, vielleicht bin ich seltsam, aber das ist ja nichts Neues. Jedenfalls war während des Urlaubs alles anders! Meine Leute haben komplett ignoriert, was sonst gilt und haben mich täglich angerufen, mich anvideotelefoniert, mich zugesimst. Ich war von so viel Liebe, Freundschaft und Gedanken der anderen umgeben, dass ich mich nicht nur niemals einsam, sondern im Gegenteil auch zu keiner Zeit allein gefühlt habe! Das war toll. Ich bin so dankbar für all die Liebe in meinem Leben und vor allem meine Freundinnen. <3Ihr seid allesamt ein Segen. Gut, mein Mann auch, aber der muss nett sein, der ist mit mir verheiratet.

Der Urlaub war so toll, dass das Kind mir das Versprechen abgenommen, hat, dass wir im nächste Februar wieder da sein werden. In Sankt Peter. Darüber freue ich mich jetzt schon.

Gut war beim Urlaub allein mit Kind für mich rückblickend, dass ich mir einen Plan gemacht habe und viel recherchiert. Normalerweise bin ich eine Person, die irgendwo ist und dann guckt, was da so los ist und wenn nichts weiter los ist, auch schön, dann kann man da ja sitzen und Käffchen trinken und Wetter angucken und Leute… mit Kind wäre das nicht gegangen. Da war es gut, dass ich mit Hilfe von Silke und dem Internet schon mal einen groben Wochenplan hatte.

Wir haben die Tage aufgeteilt und immer erst Dinge gemacht, die ich wollte (öde rumlatschen) und coole Dinge (Parks, Museen, Bad) im Anschluss als Motivation und damit ging das klar für uns! Blöderweise war die Dünentherme kurzerhand geschlossen worden, sodass meine „abends-gehen-wir-immer-baden- und- saunieren“-Planung kurzerhand vom Tisch war. Leider, aber dadurch bleibt noch etwas, auf dass ich mich für nächstes Jahr freuen kann.

Am ersten und auch am letzten Tag waren wir im Westküstenpark, der so toll ist, dass ich gar nicht viele Fotos gemacht habe, da ich mit Staunen und Freuen beschäftigt war. Die Seehunde hatten es uns angetan, sodass wir für den letzten Tag noch eine „Tierbegegnung“ gebucht haben, bei der wir hautnah am Becken stehen konnten, füttern und zuschauen und zuhören, was die Tierpflegerin uns erzählte und die Seehunde vorführten (sie spielen gern Ball wie Hunde, sind aber eher mit den Bären verwandt; sie haben Küsschen gegeben, für Futter machen die alles, das erinnert mich jetzt doch wieder an unsere Graue hier zu Hause…)

Wir sind nach Husum ins Bad gefahren, weil ohne Baden kein Urlaub stattgefunden hat, so will es das Familiengesetz.

… und wer Schwimmbad sagt, muss auch Mc Donalds sagen!

Wir waren natürlich bei Gosch an der Seebrücke essen.

Gosch-Version für das Kind, das nur Pommes mit Ketchup isst: Pommes mit Ketchup und Shrimps
… und sind abends durch die leeren Straßen gebummelt. Wenn mal kein Nebel da war, denn dann hat man wahrlich gar nichts gesehen außer den kleinen Lämpchen im Boden!

Wir haben dem Spielplatz Ponderosa einen Besuch abgestattet und selbst mein großes Kind (viiiel zu erwachsen für Spielplätze) hat direkt angefangen, rumzuklettern und zu spielen. Nicht ganz leicht zu finden gewesen, aber hübsch war es dort. Wir hatten heißen Tee und Knabberli dabei, der Spielplatz liegt mitten im Wald, da kann man gut einen halben Tag mit Klettern und Waldspaziergang rumbringen.

Wir sind oft einfach nur gelaufen. Sankt Peter Ording besteht aus drei Stadtteilen: Sankt Peter Dorf, Sankt Peter Böhl, Sankt Peter Bad und Ording und jeder Stadtteil hat seinen eigenen Strandabschnitt und wie ich finde, sein ganz eigenes Watt! Es sieht nirgends gleich aus und auch und die Gezeiten „malen“ die Landschaft jeden Tag neu. Ich fand es absolut faszinierend.

„Wetter“ als lebensbeeinflussendes Element wahrzunehmen, war auch beeindruckend für mich. Mit den Gezeiten änderte sich das Wetter, kam Nebel auf, Regen, Wind, Sturm, und verzog sich. Damit waren wir in all unseren Planungen für Unternehmungen draußen in der Natur sehr abhängig von den Gezeiten und dem Wetter. Ich fühlte mich durch diese Abhängigkeit in Kombination mit der Ruhe, die uns umgab, sehr geerdet und mit der Natur verbunden.

Die Strandpromenade ist herrlich und entgegen der Bebauung in anderen Küstenorten nicht mit Boutiquen gepflastert, sondern mit EU-Geldern zu einer Sport- und Flaniermeile ausgebaut.

Am allertollsten fand das Kind allerdings den Ausflug zum Multimar Wattforum in Tönning. Wir waren morgens um zehn Uhr die Ersten und hatten das absolut atemberaubende Museum eine ganze Stunde für uns alleine! Im Außenbereich gibt es noch einen schönen Spielplatz mit Turmrutsche und Sitzgelegenheiten, aber das konnten wir aufgrund von beißender Kälte und argem Wind nicht ausprobieren.

Isst keinen Fisch, guckt aber gern Fische an: Frau Nieselpriem

Für das nächste Jahr habe ich mir nicht nur vorgenommen, unbedingt in der Dünentherme zu rutschen und zu saunieren, sondern werde auf dem Hinweg in Friedrichskoog anhalten und mit dem Kind die Robbenauffangstation besuchen. Das wäre für einen Tagesausflug von SPO aus zu weit gewesen. Ansonsten machen wir auch kommendes Jahr exakt dieselben Ausflüge, so schön war das!

Wieder zu Hause haben das Kind und ich unseren Urlaub ausklingen lassen an einem unserer Lieblingsorte in Dresden, mit dem Lieblingshund.

graues Lieblingstier (kein Seehund)

Lieblingsessen im Februar: Die Kräppelchen (ursprünglich sollten es Churros werden) nach dem Rezept von Turkuazkitchen, deren Videos ich mir tagelang anschauen könnte, und das auch habe, nämlich im März. Denn im ganzen März konnte ich nicht viel anderes tun als Videos anschauen. Aber das erzähle ich ein andermal.

In der Mikrowelle geschmolzene Karamellcreme war der perfekte Konterpart zu den dicken Kräppelchen, die eigentlich hätten Churros werden sollen. Meinem Mund mit seinen Schmatzgeräuschen war das gänzlich Churro. Oder Wurst.

Leben und Lassen – im Januar 2023

Heute ist der zehnte Februar und ich wollte euch sagen, dass es schön war mit euch. Und auf Wiedersehen! Denn wahrscheinlich sterbe ich bald. Zumindest denke ich das mal wieder. Weil, das kam so. Ich zum „check up 35“ – oder zum „Schäggubb“, wie meine slawischstämmige Ärztin es ausdrückt- und sie findet ein zartes Strömungsgeräusch über der Halsschlagader. Das war gestern.

Leute! Seitdem habe ich das Google zum Thema ausgelesen. Ich weiß jetzt alles über Arteriosklerose und Carotisstenosen, und dass mein Ende naht! Einem Hypochonder sowas einen Tag vor Abreise auf eine Insel zu erzählen, ist grob fahrlässig! Ich meine, ich drehe jetzt durch bis zum bittren Ende, werde mich vor dem Tode fürchten, bis der Tod eintritt! Das geht doch so nicht! Scheiße.

Dabei war das doch ganz anders geplant! Ich wollte ab sofort nichts Schönes mehr auf die lange Bank schieben, jeder Tag sollte als Geschenk bejubelt werden, und nun das.

Ich war natürlich heute morgen schon ganz früh bei der nächstbesten kardiologischen Praxis um mich als Notfallpatientin auf die Matte zu legen, aber freitags macht hier keiner was. Und ins Herzzentrum zu fahren mit einer Überweisung wegen „Strömungsgeräuschen“, das war selbst für mich etwas to much.

Ich tu also das nächstlogische: Ich backe Kekse! Weil, wenn ich schon vor meiner Zeit abnibbele, sollen alle sagen: „Sie war eine Nervensäge, und ganz richtig in der Rübe war sie auch nicht, aber ihre Kekse! Alter, so bekloppt wie sie war, so abartig gut konnte sie backen!“. So stelle ich mir das vor.

Das Keksteigrezept steht hier schon irgendwo. 350g Mehl, ein Stück Butter, 130g PuZu, eine Prise Salz und etwas Vanille. Die Hälfte davon habe ich schwarz-weiß gemacht, die andere Hälfte mit klein geschnittenen Cranberries, weißen Schokochunks, Nüssen und einer Handvoll Knuspermüsli zu Frühstückskeksen verarbeitet.

Morgen gehts für das kleine Süßilein und mich nach Sankt Peter Ording, oder „Sankt Peeeeeter!“, wie meine Freundin Silke dazu sagt, die aus lauter Verliebtheit in den Ort dort ein Häuschen gekauft hat.

Aber das alles erzähle ich euch dann im Monatsrückblick Februar.

Januar also.

Der Januar begann wie immer am ersten Januar mit einem Neujahrsspaziergang irgendwo oberhalb des Dresdner Talkessels.
Ich war allein im Museum (nicht nachts) und habe mir die Fotoausstellung von Anne Pöhlmann angesehen
Raclettebrot; ein Essen, das den Januar und das lange Warten auf den Frühling nahezu vergessen lässt (war mir offenbar sogar ein Foto wert).
Dem Hund verdanke ich die besten Tagesanbrüche, auch im Januar. Sonnenaufgang an einsamer Elbwiese, quasi das emotionale Raclettebrot des Tages.
Der Blondino verdankt dem Hund regelmäßige Waldeinheiten zum Auslüften und Freiluftturnen.
… und ungezählte Kuscheleinheiten.
Der Mann freut sich, dass ich wegen dem Hund oft im Wald bin und dann immer schöne Sachen mit nach Hause bringe: Hölzer mit Holzwürmern, und außerdem noch Moos und bröckelige Rinden…
Außerdem haben wir beim wöchentlichen Hundetraining neue Hunde- und Menschenkumpel kennengelernt. Darüber freuen wir uns alle.
Noch mehr würde ich mich allerdings freuen, wenn der Frühling endlich da wäre. Komm, Frühling! Ich habs satt, das Grau, ja, sogar das Weimaranergrau! Alle Grautöne.

Im Januar kam endlich die Bescheinigung über die Schwerbehinderung und das Ergebnis der Pflegebegutachtung des Kleinen. Aufgrund des ewigen und dreifachen Begutachtungszirkus hatte sich das ja bis zum sagenhaften Nimmerleinstag hingezogen. Nun, der war dann jetzt wohl im Januar und wir können einen Haken dran machen. Ich bin okay mit dem Ergebnis, werde nichts beeinspruchen, reklamieren, was auch immer, ich bin müde. Das ist jetzt erledigt, fertig, das bleibt jetzt so.

Letzte Aufregung in diesem Zusammenhang war die Schlechtachterin Gutachterin des medizinischen Dienstes, die doch allen Ernstes sagte, es sei kein Wunder, dass mein Sohn dieses oder jenes nicht können würde, wenn ich ihm immerzu Hilfestellung geben würde! Da kamen mir voller Entsetzen kurz die Wuttränen und ich fragte mich, ob sie wohl auch der Mutter eines Rollikindes gesagt hätte, kein Wunder, dass ihr Kind nicht läuft, wenn sie es immer im Rollstuhl herumfahren! Aber das ist eben so, wenn man deinem Kind seine Einschränkung nicht ansieht. Man sollte meinen, ich sei mittlerweile daran gewöhnt. Überraschung für alle: Nein!

Wirklich schön war die Geburtstagsfeier meiner Freundin Annett. Ich kannte eingangs nur vier der sieben geladenen Frauen und dachte ständig an diesem Abend, wow, wie wundervoll! Wie toll sind eigentlich diese wundervollen Frauen? Ein Abend wie ein Geschenk, das müssen wir wirklich bald wiederholen. Ich liebe Frauen, mir war das eigentlich früher gar nicht so bewusst, aber das ist wirklich so. So viel Tiefgang, so viel Schönheit, so viel gelebtes Leben. Alter tut uns gut. Ich wünschte, das Innen würde mehr leuchten als das Außen, sodass das immer und für jedermensch sichtbar wäre.
Januar, das war auch der Zeitpunkt, als mir klar wurde, dass wir als Familie jetzt 200€ pro Woche für Lebensmittel (ohne Kaffee, Bier oder Hundefutter.) brauchen. Sellerie, so ist das Leben. Oder: Salami, so ist das Leben. Je nachdem, ob ihr carnivor seid oder vegan oder flexitarisch oder was auch immer. Ich bin jedenfalls froh, dass wir nicht in Ungarn leben, mit einer Inflation von 40%.
Die Liebe im Januar. Ich geh mit dem Bubi in die Stadt „Biddeln“ (Spazieren, Schaufenster gucken, das Kind brauchte auch eine zweite Jeans zu seiner einen, obwohl er das gar nicht einsehen wollte, egal.). Ich schau so hoch zu ihm und frage, ob das denn nicht peinlich sei, mit seiner Ma hier rumzuspazieren?! Und er: „Warum? Ich hab dich doch schließlich nicht für immer.“ – BÄMM!- mein Herz. ❤ Kein Wunder, dass meine Gefäßwand verdickt.
Und der Süße, der verehrt seine Lieblingserzieherin. Die begrüßt ihn wohl manchmal mit den Worten: „Na, meine Sonne?!“. Ich sag so, die Frau W. sei auch eine Sonne und wie froh ich sei, dass sie seine Betreuerin sei. Und das Kind? „Die Frau W. ist mehr als eine Sonne! Sie ist die Milchstraße für mich, die komplette Galaxie!“. Hörste das, Frau W.?
Basteltipp des Monats: Ein Kranzgehänge aus Styroporrömer und Muffinförmchen.
Anleitung: Muffinförmchen zusammenknüllen und mittels Heißkleber auf dem Römer drandengeln.
Als Aufhängung habe ich eine Büroklammer aufgebogen und in den Römer gesteckt.

Gesehen im Januar

Immer noch kein Oscar für Benedict Cumberbatch, aber ganz ganz große Verehrung für die Leistung in beiden Filmen.
Außen Hui, drinnen Pfui – im Januar war ich gefühlt dreimal die Woche in irgendeiner Arztpraxis oder Klinik, um mich auf meine geplante Operation im Februar (nach dem Urlaub in Sankt Peeeeter!) vorzubereiten. Eigentlich müssen es zwei OPs sein, die zweite dann nach Wundheilung im Sommer. Das ist Mist, wenn du alt wirst, es wird wirklich immer irgendwas gefunden, was es zu reparieren gilt, wenn dir mal jemand die Taschenlampe in irgendeine Körperöffnung hält! Also Obacht.

Ich bin wirklich dankbar, dass ich in einem Land lebe, in dem ich meine Krankenkassenkarte auf die Theke lege, und im Gegenzug dann eine Behandlung bekomme, die der Heilung diverser Erkrankungen zumindest förderlich ist. Ohne Haus und Hof zu verkaufen! Weil, hab ich ja nicht, wäre Pech für mich.

Nur einmal ist mir kurz das Gesicht entgleist, nämlich bei der Proktoskopie (war wohl auch nötig, weil, der Proktologe hatte noch nicht die Taschenlampe reingehalten und alle wollten wohl offensichtlich, wenn ich schon mal da war). Jedenfalls liege ich in würdeloser Haltung auf dem Stuhl, vergleichbar einem gynäkologischen Stuhl, entblößt, es zieht, der nette Arzt kommt rein, und nimmt sich eine Gummischürze vom Haken an der Wand… wirklich so eine Fleischerschürze! Alter! Nieselpriem in the slaughterhouse, ich wäre fast geflohen! War aber alles kein Problem am Ende und die Schürze blieb auch sauber. (Frage: Sagen Proktologen eigentlich auch manchmal, ihr Tag sei beschissen?!)

Ich sags euch, ich erlebe Sachen, wenn mir das jemand prophezeit hätte, dass ich sowas mal im Internet schreib… nee, also würglisch.

Am letzten Tag des Januars hatte ich dann auch noch Geburtstag. Das war schön, was der Beweis ist, dass Dinge nicht per se schlechter werden, wenn man sie öfter macht. Und ich hatte wirklich schon oft Geburtstag!

So, ich packe jetzt meinen Koffer und nehme mit: Noch einen Koffer und noch einen Koffer und mein Süßilein, und morgen gehts erst nach Peine zum Zwischenstopp und dann an die Nordsee! Da war ich noch nie! Ich erzähle euch, wie das war. Im März. Wenn ich dann noch lebe. Wir wollen es hoffen.

Apropos: Ist ein Arzt anwesend? Ein Angiologe womöglich? Einer mit Tagesfreizeit und ohne Reisepläne? Der mit nach Sankt Peeeeter kommt? Und kann mir eigentlich mal einer das Google wegnehmen bitte?! Danke schön.

Leben und Lassen – im Dezember 2022

Heute ist der neunzehnte Dezember, also vierter Advent plus ein Tag, und ich setze mich schon hin, um über den Dezember zu richten, in Wort und Bild.

Weil, seien wir ehrlich, Anfang Januar will niemand mehr Bilder von Plätzchen sehen und irgendwas von Weihnachten hören! Ich auch nicht.

Also, das hätten wir geklärt.

Außerdem ist es jetzt (!) weihnachtlich schön und bereits ab morgen steigen die Temperaturen und am Geburtstag des lieben Jesulein haben wir schlammige acht Grad, so wie sonst auch. Das will doch keiner!

Here we go. Hier gehen wir. Und zwar hoffnungsvoll auf die andere Seite der Elbe und machen von dort ein Foto in Richtung Schillergarten und Heimat (ihr seht es, das blaue Wunder ist rechts).

Und finden einen hell beleuchteten Elbegarten, abends halb acht, tote Hose! „Wir haben geschlossen!“, raunzt uns ein Angestellter zu, als der Mann und ich zielstrebig zum Eisstockschießen gehen wollen. Es wäre niemand da und deshalb wäre jetzt geschlossen, aha. Na, dann kann ja auch keiner mehr kommen, denken wir so.

Das gleiche Dilemma beim Weihnachtsmarkt auf dem Körnerplatz. Alle Buden geschlossen, wäre man doch am Wochenende da gewesen! Wobei der Mann einwirft, die Adventszeit sei doch nur vier Wochen, da könnten die Budenbetreiber doch mal durchziehen, oder?! Nun, die Luft ist offenbar raus. Wir werden am Wochenende nicht noch mal über die Brücke laufen…

Stattdessen landen wir – wie immer – reumütig im Schillergarten (das blaue Wunder ist wieder links im Bild). Ich habe weder Churros noch Kräppelchen bekommen, dafür eine Currywurst.

Hell leuchtet der geschlossene Elbegarten und suggeriert rege weihnachtliche Betriebsamkeit; fotografiert von überelbsch vom Schillergarten aus

Diese Woche steht also noch der Striezelmarkt auf dem Plan. Und der Neumarkt! Ich wollte da nicht hin (die sind fest in Touristenhand), aber es nützt wohl nichts.

Beweis: Ich war bei der Ü30 Party im Parkhotel – im übrigen das erste Mal überhaupt, seit ich Ü30 bin
Ich habe einen Vogel geschmort, mit Rotkraut und Semmelknödel (abgedeckt; ihr habt fantasy, ihr wisst, wie sowas aussieht)
… Plätzchen wurden ausgestochen und gebacken
… das raffinierte Kind sichert sich den größten Plätzchenbestand durch übermäßige Zuckerstreuselversch(w)endung
… ich stehe immer noch regelmäßig nachts im Kinderzimmer und schmachte das duftende Süßilein im Schlaf an. Tagsüber der streitsüchtige Radikalinski, nachts ein herzerwärmender Anblick voller Achs und Hachs in meinem faltigen Herzen. Neulich sprachs, „mieser Penner“ sei gar kein Schimpfwort, sondern die Bezeichnung für eine Person mit Schlafproblemen! Das hat der bestimmt von lekoopa oder irgendnem anderen Internetfuzzi. Der wird so schnell groß, warumwarumwarum.
Der Baum wurde geschmückt (der Opa wird später behaupten, es sei der allerhässlichste Baum, den er je gesehen hat und er sei alt, also dreiundachtzig, und hat schon viele Bäume gesehen)…
… und sämtliche Freiflächen der Behausung
Jedes Krümel Schnee wurde in den letzten Tagen gerodelt bis runter auf den Dreck…
… oder bis zur totalen Materialermüdung!

Heute Morgen um sieben stand ich im Supermarkt und fühlte mich wie damals, 1985, im Holfix: Leere Regale! Ich weiß nicht, ob das ein Phänomen der „neuen Bundesländer“ ist, aber: Die Woche vor Weihnachten wird gehamstert, als gäbe es kein Morgen. Kuba-Orangen, her damit! Okay, ich esse also diese Woche Kiwi-Tomaten-Salat. Lecker.

Warte, ich hatte ganz vergessen, meine Bingewatchlist vom November mit euch zu teilen!

Gesehen und für sehenswert befunden

„Wednesday“; alle Harry-Potter-Fans und Menschen, die Tim Burtons cineastische Kreationen mögen, werden diese Serie lieben. Außerdem finde ich, Catherine Zeta-Jones ist eine grandiose Morticia!
Ich bin seit „Ozark“ große Fan-in von Julia Garner und die ganze Story ist in meinen Augen faszinierend
Diese Kurzfilmsammlung hat es gewaltig in sich. Der erste Film bewog mich fast wegzuklicken – zu meinem Glück habe ich das nicht getan- am Ende saß ich mit wummerndem Herz da. Großes Kino der Coen-Brüder.
Na klar, welcome to the jungle! Zwischenfazit: Mit Otto würde ich sogar nach Panama gehen, wenn kein Sternehotel auf mich warten würde, Joris und Knossi sind meine Helden, und Sascha… tja, ich denke, Gejammer wird ab sofort in „Huber“ gemessen. Ein halbes Huber ist zum Beispiel Ich auf Hardcore PMS. Also Sascha kann ich kaum noch ertragen, sorry Leute. Jeder zweite Satz lautet: „Boar, dös isch so brudaaaal!“. Glaub ich sogar, aber jemand, der aus grenzenloser Selbstüberschätzung seine Gegenstände an Tag eins verbuddelt und täglich blank zieht zum „Formcheck“ und sich beim Pieseln und anderem filmt, während er ungebeten Konsistenz und Farbe seiner Ausscheidungen kommentiert… drück den Knopf, Sascha! Boar, dös isch so brudaaaal, drück den verdammten Knopf!

Die Filmliste für die Feiertage steht auch schon. Amazon darf abspielen. Ich habe für den Heiligabend anstatt Chevy Chase diesmal „Die Geschichte der Menschheit“ rausgesucht. Deutsch, aber lustig! Hoffe ich zumindest. Ansonsten werden wir essen gehen am ersten Feiertag und am zweiten Pizza bestellen. Der Mann kriegt sechs Liter Eierpunsch. Ich will Kartoffelsalat mit Bockwurst! Ich will morgens schon panierte Kammberts (das sind keine Camemberts aus Frongreisch, sondern gummiartige Dinger die den Namen wirklich nicht verdienen, die ich eigenhändisch in Eiern und Brösel wälze und in viel Butter ausbacke und danach mit Ketschup zwischen zwei Toast quetsche und auf der Couch esse, jawohl). Ich werde im Pyjama all day long Kekse futtern, Eis, Chips und ausnahmsweise keine Medienzeitbeschränkung durchsetzen. Tagsüber „Tiny creatures“ oder „Verrückter Planet“ gucken mit dem Kleinsten, im Wald rumstapfen (ich zieh vielleicht einen dicken Pulli über den Pyjama), den Mann küssen (oft), und die Zeit besonders genießen mit meinem Großkind. Nicht so viel darüber nachdenken, was hinter mir liegt in diesem Jahr, nicht darüber, was vor mir liegt, einfach versuchen, die Magie, die man diesen Tagen nachsagt, erkennen zu können. Versuch macht kluch. Wir werden lesen, wie es geklappt hat.

Apropos lesen! Ihr wollt das Rezept vom Palak Panir, hab ich verstanden. Das nächste Mal fotografiere ich die Zutaten und schreib das runter, versprochen, das kriegt ihr. Ohne Foto ist doof. Auch wenn wir hier nicht beim Hausfrauen-TV sind, muss man gewisse Standards wahren.

Außerdem wollte ich euch noch wissen lassen, dass das jetzt nicht das neue „Normal“ ist, dass ich mich nur noch zu Monatsrückblicken blicken lasse, na-hein! Ich würde schon, ich wöllte, ich hätte Themen, oh Gott, hab ich Themen… aber. Die Zeiten werden wieder kommen, einzelne Themen zu bearbeiten, ich glaube das fest. Im Moment kann ich nur das hier.

Und nun wünsche ich euch die schönsten Weihnachten der Welt, nichts weniger als das.

Bis zum Wiederlesen wird der Schnee getaut sein, der Baum abgenadelt, alle Plätzchen vertilgt und Reue und gute Vorsätze werden sich ungebeten einen Weg in mancherleuts Bewusstsein gebahnt haben. Alle haben einen Feiertags-Hangover und wollen nur noch vegan essen und Sport treiben in Lycra-Pantalongs. Es ist jedes Jahr dasselbe Dilemma!

Bis dahin jedoch macht Schneeballschlachten, seift euch gegenseitig ein und vergesst das Erwachsensein für einen kleinen Moment, denn es ist Weihnachten! Ist das nicht toll?

Leben und Lassen – im November 2022

Heute ist schon der irgendwelchste Dezember – sogar der jährliche Schuhputztag ist schon vorbei – und ich hänge hinterher. Mal wieder. November?! Vorbei!

Aktuell hänge ich mit FKK in den Seilen. Kennt ihr? Fu**ing Kinderkeime, kurz liebevoll FKK genannt von mir. Der Mann nennt es EMS (Erschießt mich sofort), was auch legitim ist als Name. FKK zeigt sich so, dass dein anbetungswürdiges Fortpflänzchen eines Tages aus der Sozialisierungseinrichtung kommt, mit einer schlonzigen Nase und eventuell ein wenig Husten, vielleicht sogar geröteten Wangen. Energie hat das Kind wie ein Äffchen auf Speed, nach zwei Tagen merkt man gar nichts mehr. Dann, ja dann, hat der FKK-Virus nämlich einen deutlich lohnenswerteren Wirt gefunden: Mich!

Seit ich alt bin, komme ich mit diesen pädiatrischen Viren gar nicht mehr klar. Mich haut das dermaßen aus den Wollsocken, dass ich nur noch mit tränenden Augen röchelnd aus dem Schlafzimmer krächze: „Ich möchte bitte zum Abendbrot einen Kloß mit Rotkraut und Bratensoße! Bitte. Nur ein winziges Klößchen mit Kräutchen und Sößchen, ein klitzekleines! Vielleicht ist es das letzte, das ich je essen werde! Röchelröchelseufz.“.

Niemand hat mir Essen ans Bett gebracht, also lohnte sich das Dahinsiechen auch diesmal nicht, Ich sitze nun wieder aufrecht (nützt ja nichts) und wir erinnern uns jetzt gemeinsam anhand meines Handyfotoalbums an den November.

Wobei, kennt ihr das noch, als ihr klein wart und krank mit Bettruhe im Bett lagt und Bücher gelesen habt und jemand euch Puddingsuppe mit Zwieback brachte? Oder daran, als ihr Single wart, krank auf der Couch lagt – neben euch Pizzakartons – und den lieben langen Tag Talkshows im TV geschaut hat (Vera, Britta, wie hießen sie noch alle), oder später noch ohne Kinder, als der Liebste aus der Apotheke Tränke und Tropfen besorgte und Apothekengummibärchen? Keine Ahnung, geht das nur mir so, oder ist jetzt alles viel scheißer als früher?

Der Mann hat türkisches Nasenspray rausgekramt. Er behauptet, das sei Nasenspray, weil er es selber draufgeschrieben hat und eindeutig eine Nase darauf erkennbar sei. Ich sehe einen dunkelblauen Tannenbaum vor einem hellblauen Himmel. Vermutlich sprühe ich mir also Tannenbaumbeduftungsspray ins Hirn, aber ist ja auch egal. Apothekengummibärchen gab es keine – war ja klar.

So, der November. Schauen wir mal ins Fotoalbum. Der November hatte wohl sein beschissenes Image satt und hat sich bei Mutter Natur beschwert wie ein nörgelnder Erstgeborener: „Immer hacken alle auf mir rum! Grauer November sagen sie zu mir! Immer finden alle den Oktober golden und mich nass! Immer mögen alle den Oktober mehr als mich!“. Vielleicht hat Mutter Natur dem November gesagt, er müsse sich einfach mal anstrengen. Gut gemacht, sag ich da! Denn der November hat alles gegeben, von goldenem Licht und mildem Herbstwetter bis hin zum ersten lieblichen Schnee. Sich da im Wald rumzutreiben, hat nicht nur dem Frollein Graufuß gefallen.

Abends haben der Bärtige und ich als selbsternannte Ganzjahresbiergärtenbesucher auch wieder regelmäßig den Biergartenqualitätstest durchgezogen (einer muss es ja machen) und guckt mal, isses nicht schön? Ohne Filter, ich schwöre (wir wissen gar nicht, wie das geht mit den Betrugsfiltern).

Roibostee für sie, Hopfentee für ihn – und eine Schale Kaffeekekse bitte nicht vergessen!

Wenn ich im Schillergarten bin, wissen die Kellner schon bescheid: Ganz egal, ob ich nur einen Tee will oder eine ganze Ente, ich bestelle prinzipiell immer extra einen Teller Kaffeekekse! Das sind die Mürbchen, die auf der Untertasse liegen neben dem Kaffee. Ich will gar keinen Kaffee, ich will nur Kekse. Bekomme ich auch immer. Das ist wirklich sehr nett, und sehr lecker.

Deswegen, und weil ja nicht jeder von euch – oder jede – einfach mal in meine Lieblingskneipe gehen kann und dort die Kaffeekekse probieren, habe ich rumgefummelt und das Rezept nachgebaut. Pass auf, so gehts:

250g weiche Butter (zimmerwarm) mit

130g Puderzucker (etwa die Hälfte einer Packung)

1 Prise Salz und

350g Mehl verkneten.

Ein bisschen Vanille oder geriebene Tonkabohne ist optional. Der Teig ist weich und das ist richtig so. Jetzt die Hälfte des Teiges aus der Schüssel holen und irgendwohin schmeißen. In die andere Hälfte Teig knetet ihr 2 Esslöffel Backkakao ein. Danach schmeißt ihr den braunen Haufen auf den hellen, einfach draufklatschen! Jetzt die bicolorfarbige Teigmasse beherzt in vier Teile teilen mit einem Messer. Diese vier Teile einzeln auf eine Lage Klarsichtfolie ditschen und in der Folie zu einer Wurst formen, verzurren an den Enden. Es werden also insgesamt vier Würste, für insgesamt vier Backbleche. Ab damit in den Froster für mindestens zehn Minuten.

Wenn ihr Lust habt auf ein Blech Kekse, holt ihr eine Wurst aus dem Froster, lasst die kurz antauen, schneidet sie in dünne Scheibchen und backt sie, bis sie leicht braun sind.

Mit dem Rezept könnt ihr auch Tante Brigitte beeindrucken, die immer mit dem Finger „heimlich“ über eure Bilderrahmen fährt, wenn ihr sie mal wieder einladen müsst und die so Sachen sagt wie: „Hach, ihr jungen Frauen habt es heutzutage so leicht! Als wir damals unsere Kinder aufzogen, hatten wir keine Fertiggerichte und all sowas. Wir mussten noch richtig kochen und backen!“. Ja, Tante Brigitte, ich habe auch richtig gebacken, guck mal hier (*haut ihr eine gefrorene Teigwurst über die Rübe*).

Weil wir gerade beim Essen sind. Laut meinem Handyfotoalbum gab es im November:

Apfeltarte mit Quittengelee und Brot-e
Chicoreesalat mit Äpfeln, Orangen, Rosinen, Zitronensaft und Zucker – Kindheitserinnerung!
Palak Paneer und Naanbrot mit Knoblauchbutter – super einfach, super lecker. Wollt ihr das Rezept?
Onigiri von Tokyo Gohan Streetfood mal anders, mochten wir sehr! Kann man auch liefern lassen

November, das war auch die Zeit, das letzte Laub aufzufegen und danach feierlich mit Feuer die Kehrwochen zu beenden.

Das Laub, das jetzt noch bei uns rumliegt, wird langen liegenbleiben…

Was noch? Ach ja, ich war bei meiner lieben Freundin Anja. Die löst ihr Stofflager auf und ich habe eingekauft. Aus den quietschbunten Stoffen wurden Kissenhüllen (mit Hotelverschluss, ich kann keine Reißverschlüsse einnähen, falls das hier irgendjemanden interessieren sollte)…

…und ein Oberkleid für das Jüngelchen.

Dann war es auch schon Zeit, anzuadventen, der erste Advent war in diesem Jahr ja schon im November. Ich habe Kränze gemacht aus allem, was so rumlag: Dem Rückschnitt vom Olivenbäumchen, aufgefädelten Mandarinenschalen, und sogar Pappschnipseln.

So, das war´s. Wir lesen uns ja bald wieder. Brauch ich mich ja eigentlich gar nicht groß verabschieden hier!

Ich beende den Monatsrückblick heute jahreszeitengemäß mit der Hymne aller Glühweinverkäufer:innen. Den eingängigen Refrain können alle mitgrölen: „One more drink (Glühwein) she said, I think, I´m loosing my head now…“.

Der Song steht im übrigen auf Platz eins der Blondino-Charts November, gefolgt vom ewigen Liebling „Home“ von Klangkarussell. Wenn da der Knopfäugige glockenhell mitsingt: “ Ei faund Schuh!“, dann breche ich vor lauter Liebe innerlich zusammen.

Aber jetzt kommt hier das Glühweinlied und ich wünsche euch allen viel Spaß auf den Weihnachtsmärkten dieser Welt!

Leben und Lassen – im Oktober 2022

Ein herbstliches Willkommen zum Monatsrückblick Oktober, dem – das hört man ja schon im Namen – achten Monat nach dem altrömischen Kalender. Soll keiner behaupten, man würde hier nichts lernen!

Der Oktober begann wie alle siebzehn vor ihm mit dem Hochzeitstag der Familie Nieselpriem, am ersten des benannten Monats. Während der Bräutigam von einst noch angelegentlich den wochenendlichen Matratzenstresstest durchführte, putzte die Braut schon behände in den Morgenstunden die Toiletten der Behausung. Zur Feier des Tages. Und die Bäder. Und den Rest. Der Mann schlief und stand (oder saß) damit nicht im Weg herum und ich hatte meine Ruhe-möglicherweise sind wir deshalb schon siebzehn Jahre verheiratet, niemand weiß es so genau.

Folgende Bilder postete ich am Abend in meinem WhatsApp-Status:

2005
2022

Daraufhin schrieb mir ein lieber langjähriger Freund:

… und ich muss sagen, das schwindende Sehvermögen im Alter eröffnet ganz ungeahnte Komplimentmöglichkeiten!

Nicole, die Schlagfertigkeitsqueen, war Anfang Oktober in Dresden, und wir haben uns zu einem Abendessen und einer Stadtrundfahrt der etwas anderen Art getroffen – das war toll! Außer, dass die Altstadt im Dunkel lag aufgrund des angeordneten und vermutlich auch sinnvollen Stromsparverhaltens. Allerdings doof, wenn man mit der Silhouette seiner Heimatstadt angeben will und dann anstatt des berühmten Canaletto-Blicks nur schwarze Suppe sieht im Hintergrund.

Andrea, meine liebste Internetliebe, hat ein Paket geschickt mit Honig von ihren Bienen und ein faszinierendes Buch.

Insgesamt habe ich mit diesem im Oktober zehn Bücher gelesen. Das mag viel erscheinen, allerdings lese ich exzessiv zum einen, zum anderen hatte ich zwei Wochen Urlaub. Von den zehnen möchte ich euch vier wirklich empfehlen:

Wer „Stay away from Gretchen“, mochte, mag sicher auch den Fortsetzungsroman: „Was ich nie gesagt habe – Gretchens Schicksalsfamilie“.

Daniela Krien ist für mich DIE Entdeckung im Oktober gewesen! Ich liebe den Stil ihrer Geschichten, die unaufgeregte Art zu schreiben, die Treffsicherheit der Beschreibungen ihrer Protagonist:innen, einfach jede Zeile! Was ich nicht mag, ist das frühe Ende. Krien schreibt so fesselnd, dass ich mir wünschte, die Romane wären mindestens tausend Seiten dick. Die Autorin lebt in Leipzig und hat Verbindungen zu Dresden, was in beiden Büchern – für mich durchaus angenehm beim Lesen-vorkommt.

Cooles Cover, grandioses Buch: Ich mag kein SiFi, nicht im Film und auch nicht in der Literatur. Mir fehlt da meist das Vermögen, der Geschichte zu folgen und oft erscheint mir gerade der Versuch, irgendetwas der fiktionalen Handlung wissenschaftlich erklären zu wollen, vollkommen abstrus. Nicht bei diesem Roman! „Gestohlene Erinnerung“, hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt und macht absolut Lust auf mehr von diesem Autor.

Was sonst noch los war im Oktober? Die Kehrwochen. Der Herbst, im Englischen:“the fall“, und ich finde das deutlich passender. Herbst. Herbst klingt nicht nach Blättern, nach feucht, nach allem, was ich damit in Verbindung setze. Jedenfalls fiel jede Menge Gelumpe von oben nach unten und wollte zusammengekehrt werden. Die „Landlust“ hat die Idee der Blattrosen wieder aufgegriffen und ich dachte mir so, ach guck, stimmt ja, kann man machen!

Und so gehts: Pro Rose braucht ihr circa 5-6 weiche, frisch gefallene Blätter. Das erste mittig falten und mit dem Falz nach oben einrollen. Darauf dann das nächste gefaltete Blatt drüberrollen, und so weiter. Am Ende alles mit einem Draht fixieren.

Dann zum Trocknen in ein Gefäß stellen oder bereits schon in frischem Zustand zusammen mit Ästchen und anderen Fundsachen zu einem Strauß binden und verschenken.

Wir haben im übrigen einen unnatürlich hohen Verbrauch an Ohrstöpseln. Unsere Weimaranerin scheint zu glauben, dass seien ihre Betthupferl. Sie wühlt mit der Schnauze unter den Kopfkissen herum wie ein Trüffelschwein auf der Suche nach vergessenen Ohropax und weiß auch ganz genau, in welchem Körbchen auf dem Nachttisch sie fündig werden kann. Dann schnurpst sie die bunten Dinger weg wie nichts! Verstehe einer diesen Hund…

Jedenfalls komme ich so zu einer unübersichtlich hohen Anzahl an leeren Ohropax-Schachteln, die sich aber hervorragend als Verstauungsutensil für Ohrstecker und ähnliches eignen, zum Beispiel, wenn man für eine Urlaubsreise packt.

Urlaubsreise, das Stichwort. Hier kommen ein paar Bilder aus meinem Urlaubsalbum „Türkei 2022“:

Habt ihr jetzt Hunger bekommen? Ich schon.

Wenn ich nicht gerade mit einem Teller Torte in der Hand irgendwo rumstand, war ich mit dem Kleinsten bei den Ziegen im „Minizoo“ der Hotelanlage. Wie Heidi und Ziegenpeter.

Der Blondino mag Ziegen über alles! „Wenn ich groß bin, werde ich Tierpfleger. Aber nur für die coolen und die gefährlichen Tiere! Also für Ziegen und Löwen.“, sprachs und stopfte die Ziegen weiter mit Oliven voll.

An einem anderen Tag meinte er, er würde später bei Mc Donalds arbeiten wollen, damit wir jeden Tag zu ihm zum Essen kommen könnten. Hach, ich hoffe, ich habe noch viele von diesen Herzbrechmomenten mit ihm und jede Menge Gelegenheiten, diese zauberhaften Kindermundoffenbarungen aufzuschreiben.

Wenn es nicht gerade zauberhaft ist, ist es halsbrecherisch, das Kind, und benimmt sich, als hätte es sieben Leben.

Bevor wir in die Türkei geflogen sind, haben wir einen „Gehängten“ gebastelt für Halloween.

Der Typ besteht aus zerknüllter Pappe, mit Draht umwickelt. Danach haben wir den Burschen (es ist ein ER) mit verdünntem Tapetenkleister und Klopapier vollgepappt.

Am letzten Oktobertag hing er dann an der Haustüre. Über den Namen haben wir gestritten. Ich war für „Ronny Reichsbürger, schuldig der Volksverhetzung“, der Blondino beharrte allerdings auf: „gehängter Galgen“. Dass das kein Name sei ließ er nicht gelten…

Noch vier Wochen, Leute, dann gibts wieder beweihräucherten Plätzchencontent! Ich freu mich, ihr euch auch? Bis dahin schicke ich transzendente Liebesgrüße und ein bisschen Meerrauschen.

Leben und Lassen – im September 2022

Der September begann mit einer Schuleinführung in Klasse drei und dem Geburtstag des neuen Förderschulkindes. Mit sehr viel Aufregung also.

Die neue Schule erfordert von uns allen täglich ein Motivationsmantra, denn es ist eben kein bisschen so wie in der Bullerbü-Privatschule, aus der wir ja kommen – im Gegenteil- und ich habe bei all dem Theater und dem Kommunikationsstau („Wenn sie mit mir reden möchten, dann schreiben sie mir einen Zettel und ich schreibe ihnen einen Zettel zurück, auf dem ich dann schreibe, wann ich mit ihnen telefonieren könnte und dann schreiben sie mir wieder einen Zettel zurück, welcher Termin und welche Zeit von den vorgeschlagenen Terminen denn klappen würde!“), und ich muss aufpassen, nicht meine ambivalenten Gefühle auf das Kind zu übertragen. Der hat es eh schwer damit, sich nicht bestraft zu fühlen durch den Schulwechsel.

Geburtstagsgeschenk, heiß ersehnt

Geburtstag. Das Kind wurde neun und die Kinderparty war auch so ein Ding. Wie können wir die ehemaligen Klassenkameraden einladen, wo doch alles dann wieder darauf hinfühlt, dass das Kind eben dort nun nicht mehr hingehört. Also musste eine List her: „Blondchen, sag mal, möchtest du lieber einen Kindergeburtstag oder sollen wir mit dir in den Sonnenlandpark fahren?! Beides geht leider nicht!“. Wir waren im Sonnenlandpark. Und er hielt unsere Hände auf dem Rückweg, während er zwischen uns lief und sprach, das sei der schönste Tag seines Lebens gewesen. Ich hatte dennoch ein schales Gefühl im Mund…

Apropos Geburtstag. Wir müssen mal über Eltern sprechen, die ihrer Tochter Zucker in jeder Form verboten haben, sodass diese in die Beschaffungskriminalität abgerutscht ist („DINGDONG! Hallo Frau Meier, hamm sie was Süßes für mich? Ich nehm´ auch nen Zuckerwürfel, und, ist die Gabi da?“), und nun, im greisen Alter ihre Enkel mit Wagenladungen Süßigkeiten beschenken, als bräuchte diese ihre Zähne nicht mehr. („Zähne? Zähne brauchte man in der DDR für das knochenharte Zeug, das die damals als Schokolade verkauft haben! Heutzutage schmelzt doch die kapitalistisch-imperialistische BRD-Schokolade auf der Zunge! Hier, nimm, das ist alles für Dich!“)

Süßigkeitenschublade, es gibt mehrere davon, und der Inhalt wird regelmäßig von den Weißkappen der Verwandtschaft aufgefüllt; als Zeichen ihrer Zuneigung

Nach dem Geburtstag des Blondinos fuhr der Bärtige mit ebendiesem und seinem Freund nebst dessen männlicher Handaufzucht zum „Männerwochenende“ in einen „Bunkerlo“ (O-Ton Blondchen) im Brandenburgischen. Sie schickten mir folgendes Bild:

Dekoration des Bunkerlo beim Männerwochenende

Ich bin ein kluges Weib, ich habe nicht nachgefragt, ob die Kinder helfen mussten. Wahrscheinlich haben die beiden lediglich das Holz gehackt, aber ich wollte es nicht so genau wissen…

Denn: Sind die Jungs aus dem Haus, tanzt die Mutti auf dem Tisch. Oder fährt schnurstracks in die Stadt zum Ladenbummel und Haselbauer-Waffel essen (Egal, was andere Leute sagen: Dresden schmeckt nicht nach Stollen, nein, Dresden schmeckt nach Haselbauercremewaffeln! Sagt zumindest die Nieselpriem.)

Weil wir gerade beim Essen sind. Es gibt so Dinge, da frage ich mich ernsthaft: Wie kommt ein Mensch nur auf sowas? Aktuelles Beispiel: veganes Mett.

Erstaunlicherweise schmeckt es auf dem Brot tatsächlich so ähnlich wie etwas, das mich an Hackepeter erinnert. Und hat nur ein Viertel oder Achtel der Kalorien, weswegen sich gut ein Teller Mini-Pavlovas als Nachtisch eignet.

Du hast das Reiswaffelhack runtergewürgt, du hast dir Baiser mit Sahne und Beeren verdient!

Ihr wollt trotzdem das Rezept für den Vackepeter? Okay.

4 Reiswaffeln zerbröseln und mit etwas Wasser schluckweise übergießen. Die Waffelbrösel sollen gerade so aufquellen und auf keinen Fall nass werden.

1 EL Tomatenmark und

1 EL getrocknete Zwiebel unterrühren.

käftig würzen mit zum Beispiel: Kümmel, Schnittlauch, Rauchsalz, Pfeffer, Majoran, und mindestens eine Stunde durchziehen lassen. Dann auf eine Stulle pappen und mit Gürkchen und Zwiebelwürfelchen essen. Den Belohnungsnachtisch nicht vergessen im Anschluss!

Der Herbst löst den Sommer im September ab, auch in diesem Jahr. Er macht mit ganz vielen Geschenken Werbung für sich selbst. Unerwartete Ernte, Spaziergänge in goldenem Licht, Pilze in Hülle und Fülle. Er versucht mich einzulullen, bleibt aber trotzdem nur meine drittliebste Jahreszeit!

Das Feigenbäumchen hat seine erste Feige rausgequetscht, hurra!
Die Passionsblume hat eine Frucht ausgebildet. Sieht anders aus als die Früchte im Supermarkt und sicher nicht genießbar, aber ich freue mich trotzdem wie blöde und streichle die Frucht ständig beim Vorbeigehen.
Herbst ist, wenn du zum Laufen in den Park gehst und jedes mal mit der Mütze voller Pilze aus dem Unterholz wieder herauskommst…
Sogar der Lieblingswald sieht im September noch ein bisschen lieblicher aus
Streuobstwiese am Lieblingswald
Erst singen, dann Äpfel aufsammeln, das steht im Streuobstwiesengesetzbuch!
Obstmus aus Falläpfeln und -birnen

Einen Monatsrückblick im Herbst 2022 zu schreiben, ohne die Worte „Energiekrise“, „Gaspreise“ oder „Coronaherbst“ zu verwenden, erfordert ziemlich viel Geschick, oder Scheuklappen. Vielleicht kann ich mit Wolle ablenken. Wolle wärmt.

Herbst ist auch, wenn die Nieselnuss Strümpfe strickt, die niemandem je richtig passen werden. Und trotzdem weitermacht. Socken stricken als Selbstzweck, Strickyoga quasi.

Ohne Foto: Der September war ein schwieriger Monat. Emotional schwierig und thematisch voll mit schwierigen Brocken. Zusätzlich zu allem, von dem wir wussten, das es anstehen würde, hatte der Mann einen Sportunfall (Anruf, Nummer vom Kerl, Stimme weiblich und fremd: „Du müsstest mal schnell kommen, der Bärtige ist von ziemlich weit oben rückwärts auf den Kopf gefallen und weiß nun nicht mehr so richtig, wie er hergekommen ist und fragt alle dreißig Sekunden, was denn passiert sei!“). Er ist wirklich hart gestürzt, aber eine Ärztin war da und hat sofort richtig reagiert, zum Glück. Es ist nichts passiert. Dann: Ich bin angefahren worden, quasi bei mir vorm Haus, als ich mit dem Hund über die Straße ging und der Fahrer des silbernen Mazdas ist einfach weitergefahren. Mehrere andere Autofahrer aber nicht, und obwohl niemand in der Aufregung das Nummernschild gesehen hatte, bot eine Frau sogar an, den Flüchtigen zu verfolgen! Es ist nichts passiert. Ich hatte einen Schutzengel. Ein bisschen Blut, blaue Flecke und eine gezerrte Schulter, ein unversehrter Hund. Außerdem: Es war Blogfamilia, endlich wieder <3. Die sechste Veranstaltung und die erste, auf der ich nicht war. Ich hatte ein Ticket, ich hatte Busfahrkarten, ich hatte eine Schlafplatz bei der Betriebsfamilie. Und dann wurde ich krank, ausgerechnet. September, danke schön! Es ist nichts passiert, nichts wirklich schlimmes und eine Blogfamilia wird es hoffentlich wieder geben. Oder Einzeltreffen mit den Menschen, die ich so sehr vermisse. Zum Glück finde ich die jederzeit und jeden Tag im Internet. Auf ihren Blogs. Und das sogar meistens auch dann noch, wenn die bloggenden Menschen schon länger gar nicht mehr bloggen. Es werden immer weniger (alle treiben sich nur noch bei Twitter oder TikTok rum oder haben schlichtweg keine Ahnung, wie sehr ich sie und ihre Schreibe vermisse) und vermutlich kommen auch genauso viele neue hinzu, aber ich denke manchmal, das ist wie mit den Supermodels der Neunziger. Keine Ahnung, wer heutzutage auf dem Laufsteg rumstakst, ich kenne nur Claudia, Naomi, Linda und Cindy. So ist das auch bei mir mit den Elternbloggern. Ich hoffe ja noch ein bisschen auf ein revival der Einen oder Anderen Person als weise geriatrische Seniorenbloggerin.

Gespielt im September

Monopoly, oder: Wie ich mit durchdachter Strategie entgegen jeder Logik ständig gegen das Kind verliere, das stets immer nur Paris und Berlin kauft und mich nacksch macht damit. Immer wieder.
HIVE, oder: Wie ich verzweifelt versuche mir zu merken, welcher Käfer welche Superkraft hat und währenddessen meine Bienenkönigin bereits eingezingelt ist und ich verloren habe, ohne das Spiel je richtig zu begreifen. Immer wieder.

Gelesen im September

…diesen Zettel an einem Board in der Kinderklinik und ein Tränchen verdrückt
„Das große Brotbackbuch“. Christina kannte ich von ihrem erfolgreichen Instagram-Account und war sehr neugierig auf dieses Buch. Ich wurde nicht enttäuscht. Auf 350 Seiten gibt es nicht nur Rezepte, Tricks und Kniffe, sondern auch übersichtliche Schautafeln und Wissenswertes zu allen Arten von Teigen. „Das große Brotbackbuch“ enthält nicht nur klassische Brotrezepte, sondern nahezu alles, was einem einfallen kann zum Thema Teig. Vom Croissant über Sauerteigbrot bis hin zu Donuts und gebackenen Pausenbrotideen ist alles dabei. Ein umfassenderes „Brotbuch“ habe ich noch nicht in der Hand gehalten!
„Räuberdiktate“. Der Blondino hat mit überraschend viel Enthusiasmus die Räuberdiktate vom DUDEN-Verlag in Beschlag genommen und ich soll schreiben, er findet die Rätsel spitze! Kindern Sprache beizubringen kann also leicht sein. Man braucht nur Ganoven und Schüttelreime und ein paar Flachwitze. Et voila!
„Ich habs dir doch gleich gesagt, Sebastian“, ist Sebastian Lehmanns zweites Buch. Ich kannte den Mann nicht, obwohl er wohl auch ein Bühnenprogramm zu diesem Thema hat. Ich habe das Buch nicht auslesen wollen. Das Lustigste an diesem Buch ist tatsächlich der Klappentext. Wenn man allerdings auf dem Weg von Freiburg nach Berlin (kleiner insider) in der Bahn festsitzt und als Alternative nur das Bahnjournal hat, dann gehts vielleicht.

Gesehen und für sehenswert befunden

Bis zum Monatsrückblick Oktober sitze ich nun vorm Feuer, esse Fallobstbrei und stricke Socken. Vielleicht auch nicht, wir werden sehen 🙂

Ein Kaffee für Frau Nieselpriem

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Leben und Lassen ft. irgendein Wochenende in Bildern aka ihr müsst nehmen, was ihr kriegen könnt – im August

Leben und Lassen ft. irgendein Wochenende in Bildern aka ihr müsst nehmen, was ihr kriegen könnt – im August

Leute, ich sag euch, ich habe einen Fehler gemacht! Als ich letzten Monat so unschuldig und naiv vor mich hindachte, joar, also ein regelmäßiger Monatsrückblick sollte ja kein Problem sein, dass kannste problemlos hinkriegen, sonst fliegen ja die Wochen so an dir vorbei und irgendwann zeigt der Blondino dir sein erstes Achselhaar und drei Wimpernschläge später wirst du Großmutter von Drillingen und bist eigentlich innerlich noch immer zweiunddreißigeindrittel und wo verdammt ist eigentlich die Zeit hin, ich muss das konservieren, das ist der Auftrag. Also so war das, damals vor fünf Wochen.

Das mit dem Rückerinnern funktioniert natürlich nur, wenn man sich diszipliniert und zumindest stichpunktartig Tagebuch führt, weil so ein Monat doch aus dreißig Tagen (so ungefähr) besteht, und wer weiß denn noch so genau, was er vor dreißig Tagen gemacht hat? Ich jedenfalls nicht, oder nur so vage.

Deshalb: Ab sofort notiere ich alles, man wird mich mit dem Notizbuch sichten und alle werden denken, ich schreibe rüpelhafte Falschparker auf. Ihr wisst es besser, ich tu das alles nur für euch!

Zum August. Wie angekündigt, reisten wir erholungsbedürftig an die polnische Ostsee, das sagt man so, obwohl ich nicht glaube, dass die Ostsee eine Nationalität hat, oder einen Dialekt.

im Bild: Achterbahn für Todesmutige und eine Mutter, die die Augen davor verschließt, dass ihr Jüngstes nun mit seiner Muthose an gleich darauf rumfahren wird

Jedenfalls war dort an der Polnischen Ostsee Remmidemmi, alles war ein einziger Rummelplatz! Unter anderem auch mit echtem Rummel. Außerdem: Es dudelte aus wirklich jeder Ecke, jeder freie Quadratzentimeter wurde mit einem Spielautomaten oder einer Bude für Rückenkratzer und Plüschtiere vollgestellt. Reizüberflutung optisch und phonetisch.

im Bild: Rummelbesucher vor Zerrspiegel

Menschenmassen drängten sich schon in den frühen Morgenstunden an den Strand und hämmerten – Tock! Tock! Tock! – mit Gummihämmern die Holzpflöcke der Sichtschutze in den Sand.

Wir hatten weder Sichtschutz noch Sichtschutzhämmerchen, aber wir lernten schnell: Wer am schmalen polnischen Ostseestrand ein Lager möchte, der steht a) früh auf und hat b) einen Sichtschutz dabei, denn ab zehn Uhr liegen dann Mensch an Mensch, nur durch eine zarte Stoffbahn getrennt. Man gewöhnt sich an alles, schon ab dem dritten Tag war es kein bisschen seltsam. Nur das Hämmerchen haben wir nicht gekauft, und uns mit einem Stein beholfen. (Allerdings fand der Mann, es sei unabdingbar dass wir einen hässlichen Sonnenschirm und zwei noch hässlichere Campingklappstühle kaufen, ich erspare uns Fotomaterial, wir sahen aus wie die Prototypen von: „Rentner am Meer“)

Am Strand begab es sich, dass eines Tages eine junge Frau mit ihrem Fotoassistenten direkt vor unseren Füßen ein shooting abhielt, am helllichten Tag. Sie räkelte sich circa dreißig Minuten stehend, hockend, schmollmundlippig und Bauch-rein-Möpschen raus-posierend für Fotos. Danach kamen die Videosequenzen. Immer wieder rannte sie ins Wasser und wieder raus, bückte sich manchmal lasziv im kühlen Nass, und wieder von vorn. Danach war Wälzen im Sand und Wühlen in den Haaren dran, sie rollte sich dann mit einem weißen Männerhemd bekleidet in die Wellen und so weiter und so verstörend. Ewig dauerte das. Erst war ich belustigt, dann regelrecht angewidert. Da waren jede Menge Menschen in allen Größen und Formen, die der Fotokünstler vorm Posting auf Instagram vermutlich rausgeschnitten hat und dann noch einen Filter drüber, dass es aussah wie abends und „smooth operator“ von Sade obendrauf oder was weiß ich und dann gucken, wie die Like-Maschinerie abgeht.

Ich bin seitdem etwas Instagram-verkatert, vielleicht auch schon vorher. Mal sehn, ob das wieder weggeht, aber aktuell guck ich nur alle paar Tage nach den drei, vier Menschen, um die ich mir gerade Sorgen mache, weil sie öffentlich Kämpfe kämpfen, posten tu ich gar nichts. Es ist wie nach einer harten Feiernacht mit zu vielen Caipirol und du guckst morgens die Aperolflasche an mit der letzten Neige drin… so guck ich gerade Instagram an.

Irgendeine Influencerin hat neulich ein Buch herausgebracht, wo sie die Tücken und Lügen der Influencer-ei entlarven will. Ich hab mich mal auf die Leseliste setzen lassen beim Verlag und werde euch berichten, ob irgendwas Neues und niemals zuvor Geahntes da enttarnt wird.

Zurück zum Urlaub.

Das Kind erklärte sich zum Quallenfischer (SpongeBob lässt grüßen)…

und der Bärtige machte den Vorturner bei der Strandgymnastik (Teilnehmer: 1)

Wir hatten fabelhaftes Wetter und auch bei Sturm waren die Kerle nicht aus dem Wasser zu bekommen. Einmal kamen die polnischen life guards und ermahnten den Mann, die Flagge sei doch rot, er dürfe nicht baden! Später behauptete der Kerl, die Jungs wären nur gekommen, weil ich nach Hilfe schreiend am Strand rumgefuchtelt hätte und die Wellen hätten zwar das Kind immer umgeschmissen, aber der sei ja zu keiner Zeit wirklich in Gefahr gewesen! Ich denke mir, dem Mann ist nicht bewusst, dass er sich in dem Moment in Scheidungsgefahr befand. Einzig der Umstand, dass mein Fortpflänzchen schutzlos den tosenden Wellen ausgesetzt war, ließ mich fuchtelnd und schreiend am Strand verharren und nicht dem Mann seine drei Habseligkeiten in einen Turnbeutel stopfen und ins Wasser in seine Richtig schmeißen mit den Worten: „ALTER, MIT DIR BIN ICH FERTIG! DU LÄUFST NACH HAUSE!“.

im Bild: Lebensgefährliche Brandung mit Kind und verantwortungslosem Elternteil

Der Übermut des Mannes lässt sich vielleicht auch mit der Ernährung im Polnischen Urlaub erklären. Statt Salat und Eiweißshakes gab es auf einmal täglich fettige Sprotten…

und allabendlich „Sex on the beach“ (das alkoholfreie Radler gehört mir). Da kann man mal sehen, wohin übermütiger Sex am Strand führt! Ich rate dringend davon ab.

Vorm Hotel stand ein amerikanisches Polizeiauto. Warum, das wusste niemand, aber alle machten fleißig Selfies davor, ich auch.

im Bild: Miami schwarz-weiß

Ich bin jeden Morgen auf dem Laufband im Gym des Hotels auf der Stelle geflitzt. Laufband, das hätte ich bis dahin für mich völlig abgelehnt, erstaunlicherweise fand ich es aber gut! Zumal draußen kein Laufen möglich war, denn überall standen und lagen und saßen schon Menschen herum, Slalom oder Parcours wäre aber wohl möglich gewesen.

im Bild vorn: echter Mensch beim Sport; im Bild hinten: was Werber denken, wie Menschen beim Sport aussehen

Eines Morgens komme ich vom Sport aus dem Keller und gleichzeitig zwei ältere Pärchen aus dem Frühstücksraum. Da sie dasselbe Ziel hatten, liefen sie eine Weile hinter mir und meinem verschwitzten, behandtuchten Körper her. Laut sprach einer der Herren (vermutlich in der Annahme, ich sei Polin): „Also so bekloppt müsste man sein, dass man im Urlaub frühmorgens Sport macht! Überhaupt Sport! Also sowas Bescheuertes! Wir machen ja wohl alles richtig: den ganzen Tag Essen und Liegen!“, und die anderen Menschen in seiner Gruppe stimmten in dieses Mantra ein: „Ja, Essen und Liegen!“.

Ich musste so derb in mich reingrinsen und stellte mir den dickbäuchigen Mann beim Orthopäden vor, wie er sagt: „Herr Doktor, ich verstehe das nicht! Wieso habe ich denn Rückenschmerzen? Wo ich mich doch so schone! Nur Essen und Liegen, den ganzen Tag!“.

im Bild: Kohlehydratspeicherauffüllmasse, einmal mit allem bitte!

Allabendlich steckten wir eine abgesprochene Menge an Klimpergeld in diverse Spielautomaten, denn es gab ja kein Entrinnen, sie waren überall! Also vereinbarten wir, jeden Abend nach dem Essen dürften sechs Münzen verzockt werden; sind sie alle, gehen wir nach Hause! Das hat gut geklappt.

im Bild: wertvolle Preise

Leider waren wir Eltern nicht ganz so diszipliniert, denn dieses Pferderennspiel (Bild unten) fanden wir spitze, und man konnte auch zu viert gegeneinander spielen. Allerdings stellte ich fest, dass wir tatsächlich voll die ober-noobs waren, denn einmal kam eine Familie und selbst der Sohn zog einen Lederhandschuh – der aussah wie die Autohandschuhe des letzten Jahrhunderts- aus seiner Tasche und stülpte ihn über seine Wurfhand! Ich meine, Zocken mit Spezialequipment, wie nerdig ist das bitte?! Ich war beeindruckt.

im Bild: Pferderennspiel, oder: Mutti schmeißt bunte Kugeln in Löcher, um wenigstens überhaupt mal irgendwo zu gewinnen

Allabendlich nach dem Zocken: pornöser Sonnenuntergang und auf allen Handydisplays das gleiche Bild:

irgendein Abend
ein weiterer beliebiger Abend
am letzten Abend sogar mit chinesischen Papierlaternen, als wöllte der Sonnenuntergang sagen: „Na Alte, das hättest du nicht erwartet! Wir geben hier alles und scheißen sogar auf den Brandschutz! Nur for se Romäntick!“

Zu Hause angekommen, verbreiteten sich die Nachrichten über Waldbrände und sorgten für Furchen in unser aller Gesichtern. Die Sächsische Schweiz brannte, ich konnte mir kaum die Videos anschauen. Fluten und Brände, davor hatte doch schon mal so ein Schwarzmaler gewarnt, oder? Ich schreib jetzt nichts weiter dazu, ihr wisst bescheid.

Das Kind hatte kurzfristig den Staubwedel als neues Spielzeug für sich entdeckt und „jagte“ Wollmäuse. Ich jubilierte, allerdings nur kurz, denn dann war das neue Spiel leider schon wieder uninteressant. Es gibt dennoch ein Beweisfoto, ha!

im Bild: Versuch eines Obstmandalas; Ergebnis: Obstmandala für Menschen mit Konzentrationsschwäche

Ende August kamen schon die ersten Herbsttage und ich gab den Duftkerzenbefehl für die Familie raus. Prinzipiell brauche ich dafür ja kein extra Wetter, aber es macht sich fürs allgemeine Verständnis besser, wenn ich behaupte, wir hätten ab sofort „Duftkerzenwetter“! August, das ist auch, wenn sich Bikinitage mit Schaltagen abwechseln und alles riecht ein bisschen nach Abschied – für mich keine schöne Zeit.

Ich kann nicht verstehen, warum viele den Januar so blöd finden, oder den Februar, oder den November. Ich finde den ganzen Herbst und die Aussicht auf Herbst ganz ganz niederdrückend. Herbst ist für mich der Inbegriff von Alter, Vergänglichkeit, Tod und Verwesung (zu deep?). Und nun: Willkommen im goldenen Herbst! Am Arsch mit gülden. Aber da hilft nur backen und essen, basteln und schmücken, und wenn hier irgendwann keine Kinder mehr wohnen, für die ich Halloweendekorationen konzipieren und Kekse backen kann, dann setze ich schon im Mai Eierlikör an für den Herbst. Und Holunderschnaps! Prost.

Reingezogen im August:

Joar, geht so, vielleicht ist der Film besser?
Spannender Krimi, ideal für den Urlaub
An einem Tag durchgelesen; grandiose Schreibe der Autorin/ Übersetzerin und toller Spannungsbogen; Thematisch für mich nicht unbedingt das Emanzipationsbuch, als das es beworben wird
Neues Spiel im Hause Nieselpriem; Strategiespiel für zwei Personen, hat was von Schach/Dame; wir mögen es sehr
„This is us“, sechs Staffeln; viel mehr hab ich also im August nicht ansehen können, aber diese Serie ist aufgrund der Zeitsprünge anfangs vielleicht etwas schwierig, dann aber sehr fesselnd und einnehmend; mochte ich sehr; Familiensaga meets romcom

So Leute, zum Abschluss noch ein vollkommen ungestelltes, voll natürliches Foto vom Bärtigen und seiner Zimtzicke, auf dem Dach des Hotels (wo sonst), bei sex on the beach (er) und alkoholfreiem Radler (sie). Das Kind war sich selbst überlassen und nun liken bitte alle dieses Foto wie wild, dann mache ich vielleicht auch noch Karriere als Stützstrumpfmodel oder Influencerin für geriatrische Produkte, voll authentisch und ungestellt natörlisch!

Und wenn sie nicht gestorben ist und brav ihr Tagebuch befüllt mit Stichpunkten, dann schalten sie auch nächsten Monat wieder ein, wenn es heißt: „War ja klar, die Nieselpriem hat wieder vergessen, einen Monatsrückblick zu schreiben!“.

Das letzte Wort hat heute der Blondino. Wir sitzen beim Abendbrot und er tönt auf einmal vor sich hin: „Das einzige, das ich wirklich im Leben gelernt habe, ist, dass die Liebe voller Überraschungen steckt!“: Ich weiß nicht, aus welchem Film das ist, aber recht hat er.

Leben und Lassen – im Juli 2022

Heute ist Schwitzwoch, der zwanzigste Juli, und im Talkessel der Stadt Dresden hat man vierzig Grad gemessen. Vierzig Grad im Schatten, das ist so warm, da verzieht sich sogar der Hund.

Mit Hund ist die Freizeitgestaltung rasch erzählt: Man steht eigentlich permanent irgendwo in der Pampa rum und ruft den Hund. Und das Kind. Und dann wartet man und ruft wieder, und wartet. Rufen und warten, immerzu. Das war´s auch schon im Groben.

Vierzig Grad im Schatten, das Schuljahr ist vorbei und der Ranzen hängt nach dem Sauberschrubben auf dem Gartenzaun zum Trocknen. Da bleibt er jetzt für die nächsten fünf Wochen. Es gibt ja so Menschen, die in den Ferien Schulprojekte machen und Kinder, die Lernarbeitsbücher mit Malfolgen durcharbeiten oder Ferientagebücher schreiben. Und es gibt uns, wir popeln sechs Wochen am Pool und spitzen die Stifte am Sonntagabend, zehn Stunden vorm Schuljahresstart.

Neulich lag ich in der Wanne, die Hände auf meinem Bauch, und dachte darüber nach, dass ich mich irgendwie gar nicht mehr daran erinnern kann, wie es sich anfühlt, schwanger zu sein. Ich meine, wie kann man das vergessen?! Okay, die erste Aufregung nach der Ankündigung, das Hineinhorchen, das habe ich nicht vergessen, aber ansonsten? Pure Verdrängung wahrscheinlich.

Vor neun Jahren war es um die Zeit auch vierzig Grad heiß, ich hatte dreißig Kilo Übergewicht und einen Klumpfuß aufgrund zweier gebrochener Zehen. Das war die Situation, die ich später unter dem Titel „Walgesänge in Brandenburg“ therapeutisch verarbeitet habe (ihr könnt das nachlesen, müsst ihr aber nicht, wie schreiben keinen Aufsatz darüber). Da war ich ganz sicher keine glückliche Schwangere, keine strahlende. Auch nicht trotz Aussicht auf Sonnenuntergänge.

(mögliche Bildunterschrift: Wenn du nicht sofort die Kamera weglegst, zieh ich dir die Krücke über den Nischel, mein Freund!)

Heute nun wiege ich exakt dreißig Kilo mehr als das Fortpflänzchen, das ich damals ausgebrütet habe. Ich bin mit dem Ergebnis mehr als zufrieden (dem Kind, nicht meinem Gewicht) und im Großen und Ganzen auch mit dem Umstand, dass keine weiteren Genexperimente aus dem Konglomerat Bärtiger plus Nieselpriemchen entstehen werden (manchmal nur frage ich mich, was für eine wilde Hilde wohl unsere Tochter geworden wäre, hätten wir eine gehabt).

Neulich fragt das Kleinste: „Mama, bin ich eigentlich kratzi?“. „Kratzi, was meinst du?“. „Na guck, so!“, spricht es und hält mir das Buch der drei ??? hin.

Ich erkläre ihm, dass er auf jeden Fall absolut kratzi sei – und zack! – Lieblingswort des Monats gefunden!

Die Erkenntnis des Monats habe ich auch schon gefunden. Ich stand im PKW sitzend wartend an der Ampel (ich stand sitzend, das geht auch nur im Deutschen…) und beobachtete den „drobs-Verkäufer vor dem NETTO, vielmehr beobachtete ich mit steigendem Widerwillen die Personen, die in den NETTO gingen beziehungsweise aus dem NETTO kamen, und an dem Mann mit den Straßenzeitungen vorbeigingen, ohne ihn zu beachten. Sie kauften keine Zeitung, sie legten nichts in den Becher, sie ignorierten ihn vollends. Ich zählte dreizehn Leute. Ich war so wütend! Alles wird teurer, ja, aber auch für die Ärmsten! Was stimmt nicht mit dem Menschen, fragte ich mich mal wieder und schwor, auf dem Rückweg anzuhalten. Wenig später fuhr ich auf demselben Weg zurück (ich hatte den Mann eingesammelt), und vergaß über ein (vermutlich) belangloses Gespräch mein hehres Unterfangen. Zu Hause in meiner Küche dann fiel es mir ein und auch die Erkenntnis, dass es nicht leicht ist, meinen hohen moralischen Grundsätzen gerecht zu werden. Noch nicht einmal für mich selbst. Ich muss da morgen noch mal hin…

Reingezogen und für gut befunden – im Juli

„Borgen“ hat bewiesen, dass die zweite Staffel durchaus besser als die erste sein kann (und die fand ich auch schon super),

„Ozark“ hat „sons of anarchy“ als Lieblingsserie abgelöst (und die hatte vorher „breaking bad“ abgelöst),

„25 km/h“ hat bewiesen, dass alle Filmprojekte mit Bjarne Mädel sehenswert sind und der deutsche Film nicht tot ist, und

„andere Eltern“ war eine sehr amüsante zweite deutsche Überraschung für mich.

Gelesen und gemocht habe ich:

Weil wir gerade bei „reingezogen“ waren. Gesunde Ernährung wird ja auch im Sommer groß geschrieben. Da man bei der Hitze lieber was Kaltes und Leichtes zu sich nehmen soll, nehme ich regelmäßig kalte Kuchen und leichte Törtchen. Die Fotodokumentation lügt nicht.

Noch zehn Tage arbeiten, dann gehts an die polnische Ostsee für uns. Ich habe ein wenig Bammel, nachdem mir mehrere Personen erzählt haben, Kolberg sei eine Mischung aus Balaton und El Arenal, und der Mann und ich mögen weder das Eine noch das Andere besonders.

Kennt sich wer aus und möchte seine Meinung kundtun? Bitte, nur zu. Ich weiß ja nicht, ob ihr das wusstet, aber wir sind hier „indornäschonnel“, ich hab da mal einen screenshot gemacht aus der Statistik. Es liest auch offensichtlich mindestens eine Person aus Polen hier mit (okay, aus Costa Rica und Südkorea sind es genauso viele), die werde ich besuchen fahren! Wenn´s in Kolberg zu voll ist, dann fahren wir die polnischen Leser:in besuchen – abgemacht! Bitte mal Handzeichen, bei wem wir klingeln sollen!

Jetzt bleibt mir nur noch, euch einen kratzi Sommer zu wünschen, viele kleine Glücksmomente und viele kühle Törtchen. Und ihr geht nicht achtlos am „drobs“-Verkäufer vorbei, ja? Denkt immer dran, ich sitze im Auto stehend an der Ampel und beobachte euch!

(c) dreamies.de

„Einmal dasselbe, aber anders, bitte!“

Das Blondchen ist mittlerweile in seinem neunten Lebensjahr angekommen, in der zweiten Klasse der Grundschule, in allerhand Abenteuern und jeder Menge Ärger…

Das holde Jünglein mit dem güldenen Haar, das zweite Blümchen aus dem Garten, den der Bärtige und ich vor nunmehr fünfundzwanzig Jahren angelegt haben, wächst, reckt sich, bildet Dornen und wilde Blüten aus. Wenn wir die florale Metapher mal noch ein bisschen weiter strapazieren wollen: er sieht für manche Menschen aus wie ein wildes Unkraut, ein Busch, der zurechtgestutzt gehört, eine Distel, ein Löwenzahn. Also bei uns früher hat es das nicht gegeben!

Für mich ist er – wenn schon Unkraut – eine leuchtende Mohnblume. Ein zarter Stängel, zerbrechlich fast, ein großer Kopf, leuchtend, Alarm Alarm!, auffallend in jedem Beet, auf jeder Wiese, möglicherweise gefährlich, zart, weich, wunderschön und wild. Mohn wächst, wo er will und niemals dort, wo er soll.

Dieses Mohnblumenkind wird zum Schuljahresende die Schule wechseln müssen und das kam so:

Wer hier länger mitliest weiß, dass auch dieses Kind zu auffälligem Verhalten neigt, was für uns Eltern quasi bedeutet, alles wie immer! Kennen wir schon! Hatten wir schon mal! Prinzipiell sind die Eigenarten wirklich nahezu identisch zwischen den Söhnen. Klar, ich finde jede Menge Unterschiede, der eine blond, der andere dunkelhaarig, der eine sportlich, der andere schlaksig, der eine stets bemüht, zu gefallen um jeden Preis, dem anderen ist die Meinung anderer Menschen über seine Person vollkommen wurscht. Der eine neigte früher immer zum Opfersein, wurde gehänselt, seine Sachen oder er selbst mitsamt seiner Sachen landeten oft im Papiercontainer vor der Schule. Der andere läuft mit geballten Fäusten durch sein Leben und boxt sich durch, im wahrsten Sinne des Wortes. Beide haben sie eine nachgewiesene Höherbegabung, der eine im sprachlichen Bereich, der andere im mathematisch-logischen. Und dennoch, es ist ein bisschen wie in einem Zerrspiegel, so ähnlich sind die Seltsamkeiten in ihrem Verhalten.

Anders ist dieses Mal, dass wir Eltern ja nun schon prozesserprobt sind. Anders ist auch, dass im Jahr 2022 der behördliche Dschungel und der Zugang zu Hilfen und Information deutlich barrierefreier sind. Allerdings ist alles noch immer ein unfassbar schwurbeliger und komplexer Prüfungsdiagnostikbewertungsdingsbumshierunddaundnochmalvonvorn- Prozess.

Alles begann bei uns vor zwei Jahren. Da hatte ich noch ein Kindergartenkind mit Integrationsstatus. Heute nun, zwei Jahre später, liegen endlich alle Befunde, alle Gutachten und ein rechtskräftiger Bescheid vor. Bis dahin wurde das Kind von vier verschiedenen Amtspersonen (Sozialamt, Jugendamt, Kinder-und-Jugendpsychiatrie, jemand von der Schulbehörde) hospitiert im natürlichen Habitat eines jeden Schulkindes, wir waren bei unzähligen Gesprächen, die alle immer gleich abliefen: „Beschreiben sie die Schwangerschaft! War [hier Name des betreffenden Kindes einfügen] ein Wunschkind? Wie war das erste Lebensjahr? Wann hat er die ersten Worte gesprochen?…“, haben aufgrund der Annahme, es läge ganz klar auch wieder eine Autismusspektrumstörung vor, insgesamt zweimal den wirklich umfangreichen Diagnostikteil durchgemacht. Einmal bei der Autismusambulanz und dann noch einmal bei der KJP, die dann alles andere diagnostizieren durfte, außer einer Autismusspektrumstörung! Das wurde dann auch gleich anfangs geklärt, dass wir darüber nicht mehr sprechen und jaja, jeder Mensch habe autistische Anteile und nein, wir schauen jetzt nur auf alle anderen Auffälligkeiten, weil die unfehlbaren Koryphäen in diesem Thema haben ja nach eingängigem Streitgespräch darüber, ob das Blondchen ein ASS-ler sei, sich dann dagegen entschieden, denn das Kind zeige doch schon deutlich Kommunikationswillen und könne Blickkontakt halten (was mich sehr überrascht hat, denn bislang war mir das gar nicht aufgefallen, dass der Blickkontakt halten kann, aber ich kenn den eben auch nicht so gut)! Jedenfalls, es dauerte. Mo-na-te-lang hatten wir in der Regel zwei Termine pro Woche, wo das Kind auf dem Prüfstand stand oder wir Eltern die immergleichen Fragen beantwortet haben. Wo Blut angenommen, ein EEG geschrieben, ein Motoriktest, ein Intelligenztest, ein Konzentrationstest, eine Familiendiagnostik, ein Dings und ein Bums gemacht wurden. Und alles doppelt, weil wir haben das ja zweimal machen dürfen…

Dann, endlich, waren wir damit durch und das Kind hat nun zwei Diagnosen. „Diagnosen sind Urteile!“, nölt der Volksmund, ich habe das anders erlebt. Diagnosen sind Schutzschilder, die du vor dein sonderbares Kind halten kannst, fertig! Wenn mal wieder jemand zu mir kommt mit den Worten: „IST DAS IHR KIND, DAS DA GERADE…!“, kann ich sagen, ja, ist es, es kann nichts dafür, es hat einen Zettel, wo das draufsteht. Klingt jetzt lustig und so, als ob ich den alleine irgendwo rumrandalieren ließe, während ich auf der Bank mit einem koffeinhaltigen Getränk säße, never ever, wir kommen noch darauf zurück.

Man braucht mindestens ein belastbares „F. irgendwas“, um eine Integrationshilfe, einen Schulbegleiter genehmigt zu bekommen. Und einen Nachteilsausgleich auch, wenn das beim Schulalltag helfen könnte.

Nahezu die gesamte Zeit sind wir vom Jugendamt betreut worden. Das Jugendamt ist auch die Stelle (zumindest in Sachsen), die die Hilfen wie einen Schulintegrationshelfer bezahlt am Ende. Durch den Bubi und nun auch wegen dem Blondino arbeiten wir seit mittlerweile zehn Jahren mit dem Jugendamt zusammen, zwei verschiedene Ämter, drei verschiedene Personen. Ich hätte gerade während der letzten sechs Monate manchmal das Handtuch hingeschmissen, wenn ich nicht eine kämpferische, zuversichtliche und super engagierte Betreuerin vom Jugendamt an meiner Seite gewusst hätte! Bei allem, was man sonst so hört („Das Jugendamt hat mir die Kinder weggenommen!“; RTL2 lässt grüßen) sag ich dir, wenn du einen Partner brauchst und Hilfe für dein Kind und gar nicht weißt, wo du zuerst hingehen sollst, geh zuerst zum Jugendamt! Die kennen sich aus, die sagen dir, welche Schritte als nächstes gegangen werden müssen. Dort bekommst du Hilfe oder zumindest einen Fahrplan.

Dank des Engagements dieser Betreuerin hat das blonde Jünglein nun seit einiger Zeit nicht nur eine Schulintegrationshelferin, sondern auch eine Hortintegrationshelferin. Insgesamt bekommt der Blonde von morgens acht Uhr bis Nachmittag um drei Unterstützung an die Seite, und zwar Montag bis Freitag! Das ist nicht nur super umfangreich und super teuer, leider ist es auch super notwendig.

Dennoch nehmen die Probleme leider nicht ab. „Ihr Kind hat…“-Anrufe, „Ihr Kind hat…“-Gespräche beim Abholen, Anrufe, dass das Kind eher abgeholt werden müsste, weil Gefahr für sich selbst und andere bestünde, Elterngespräche, bei denen uns erzählt wurde, die Eltern würden mobil machen gegen unser Kind. Ja, doch! Kindern wurde der Umgang verboten mit unserem Kind.

Ich bin da wie Teflon. Kurz schütteln, dann gehts wieder. Also, wenn es nur mich betrifft. Aber wenn ich merke, dass das an meinen Sohn selbst herangetragen wird, er abgelehnt und vor allem abgewertet wird, dann steppt meine innere Lucy! Und das ich-muss-mein-Kind-beschützen-Protokoll fährt hoch, code red.

Jetzt muss ich dazu sagen, an einer Privatschule erlebt man mitunter so Eltern, die meinen, mit dem Schulgeld auch gleich die Schule und vor allem die Lehrer mitgekauft zu haben, und die produzieren sich dann entsprechend. Und wenn dann das Fortpflänzchen mal nicht so tut, wie es soll und nicht so performt wie erwartet, wird der Fehler außen gesucht, zum Beispiel bei dem Verrückten in der Klasse! Weil, der stört ja immer alle und wegen dem ist dieses nicht möglich und jenes schwierig! Der ist schuld, sonennklar.

Ich verstehe das. Ja, ich kann das verstehen! Ich habe mir eine Erinnerung bewahrt, die ist schon fast zwanzig Jahre alt. Damals war der Bubi als „normales“, also neurotypisches, Kind in einer integrativen Kindergartengruppe und dort war auch ein Mädchen mit Mehrfachbehinderung, nennen wir sie mal Paula. Paula war ein fröhliches Kind mit einer Menge Handicaps und die Erzieherinnen bemühten sich nach Kräften, den Alltag so inklusiv wie möglich zu gestalten, damit Paula mit den anderen Kindern in der Regelkita bleiben konnte und nicht in einer Einrichtung für „Menschen mit Behinderung“ untergebracht werden muss. Nun ist eine Gemeinschaft nur so stark wie ihr schwächstes Glied, und ich sehe mich bei einem Elternabend zwischen meckernden Eltern, die maulten, es wäre alles so ungerecht! Immer geht es nur nach Paula! Wo bleiben die Bedürfnisse unserer Kinder! Nie macht ihr einen Ausflug! Unsere Gruppe geht als einzige nie in den Zoo, nie in den Park, nie macht ihr irgendwas Schönes! Alles wegen Paula! Ich war eine von ihnen.

Diese Begebenheit habe ich mir bewahrt, weil sie wichtig ist! Wir alle treffen unsere Entscheidungen aus Liebe, wir alle wollen das Beste für unsere Kinder. Wir alle stehen dort, wo wir stehen aufgrund der Erfahrungen, die wir gemacht haben, und das sind ganz unterschiedliche. Jetzt und heute bin ich die Mutter von Paula. Damals nicht.

Und als diese Mutter folge ich zusammen mit dem Bärtigen der Empfehlung des sonderpädagogischen Gutachtens und ab September wird das Blondchen eine Förderschule besuchen, eine Schule für Kinder wie ihn. Mit einem besonderen Rahmen, in einer klitzekleinen Klasse.

Das war schwer für mich. Ich habe mich auch gefragt, was das bedeutet. Ich habe alles Mögliche möglich gemacht, wir sind doch Inklusionsexperten! Wir haben es doch schon mal unter super widrigen Umständen bravourös hingekriegt! Aber. Aber damals war es ein anderes Kind, es war die Oberstufe, nicht die Grundschule, es gab den Paul, alles war anders. Ich musste jetzt verstehen lernen, dass Inklusion ein diffiziles Unterfangen ist, bei dem so viele Menschen „mitmachen“ müssen, bei dem so viele Faktoren stimmen müssen, dass es eigentlich ein Vabanquespiel bleiben muss. Rumgemenschel, infrastrukturelle Engpässe in den Schulen, zu wenig Aufklärung, zu wenig Briefing und Unterstützung der Lehrer („So, bitte, hier ist jetzt der Integrationshelfer für A. Der braucht einen Platz in ihrem Klassenzimmer!“), Inklusion als Menschenrecht, aber ohne die Bedingungen wirklich zu schaffen, die es braucht mitunter, kann nur holprig werden. Mitunter klappt das alles ganz wunderbar, wir haben das ja selber erleben dürfen, jetzt müssen wir hier die Reißleine ziehen. Vorerst.

„Sie haben das Ende der Inklusion erreicht, alle aussteigen!“

Ab September also dann Behindertenfahrdienst anstatt SUV-Schubsen auf dem Elternparkplatz der tollsten Schule der Stadt.

Ich bin immer noch ein großer Fan dieser Schule, ich habe ganz wunderbare Menschen kennengelernt, nicht jeder hat meinen Sohn „asozialer Rüpel“ geschimpft, nur wenige. Ich hoffe, das wird gut werden. Wir alle treffen unsere Entscheidungen aus Liebe. Ich will, dass das Kind an einem Ort lernen kann und Lernen lernen, wo man seine Fähigkeiten sieht und fördert, wo nicht immer nur sein Verhalten thematisiert wird, als wäre er nichts weiter als „das Kind, das immer Ärger macht“. Das ist er nicht.

Er ist feinfühlig und trampelig, er ist lustig und zornig, er brüllt Schimpfworte, wenn er sich freut, genauso, wenn er sauer ist, einfach immer, wenn er aufgeregt ist. „Los, du furzender Affenpimmel!“ zu einem potentiellen neuen Freund zu sagen als Antwort auf eine Spieleinladung funktioniert nicht und beendet die zarte Freundschaft unter Umständen sofort, aber das wird er lernen. Vielleicht muss ich eines Tages nicht mehr jeden Spielplatzbesuch begleiten oder Zeiten auswählen, zu denen dort eh niemand spielt, damit wir nicht so auffallen. Wahrscheinlich ist es aber nicht. Alles wie immer.

Neulich fragte mich eine Freundin mitfühlend, wie das so sei, mit zweien von der Sorte. Ich konnte nur sagen: „Normal!“, weil es das ja ist. Ich weiß nicht, wie andere Eltern mit ihren Kindern leben, ich kenne nur meine Kinder und die sind ganz offensichtlich so wie sie sind, ein wenig seltsam eben. Dann dachte ich noch, dass es schon gut ist so, denn wenn eines meiner Kinder eingeschränkt wäre und das andere nicht, fiele dann nicht die Einschränkung umso mehr auf und käme man nicht automatisch in die Verlegenheit, das Kind ohne Einschränkung besonders zu loben für Dinge, die es kann und das andere überhaupt nicht fertigbringen kann, egal, wie es sich abmüht?

Manchmal sticht es mir im Herz, wenn die Frisörin zum Beispiel an meinen Haaren rumfummelt und dabei erzählt, ihr achtjähriger Sohn käme kaum noch zum Abendessen heim, weil er nach der Schule selbständig zum Fußball gehe und danach oft noch zu einem Freund und dort essen würde und am Wochenende übernachtet er entweder bei der Oma oder bei einem Freund. Ich kenne nichts von alledem.

Aber ich kenne dafür einen wilden blonden Hitzkopf, der neuerdings einen Schneckenzoo bewirtschaftet und ein fürsorglicher Tierpfleger für Gary, Brian, Henry und June ist. Der zum Entspannen nur eine lange Autofahrt braucht und Klangkarussell im Radio dazu, alle Komponenten auf dem Teller einzeln essen wird bis zum Sanktnimmerleinstag, in sechs Tagen dreiundachtzig Pokemons abgepaust, ausgemalt, ausgeschnitten, eingeklebt und somit sein eigenes Pokedex gebastelt hat. Und die besten Liebesbriefe aller Zeiten schreibt.

Fußball, Oma, alleine nach hause gehen, pff…

Neues von der „Orr Menno!“-Pause

Zum Thema „Pausenraum“ habe ich ja ganz vergessen, ein update zu dem Pausenraum zu geben, in dem ich mich schon seit round about – wie wir so schön neudeutsch sagen – sieben Jahren befinde: Dem Wartezimmer zur Vorhölle, nein, dem fünften Kreis von Herrn Dante, nein nein, nämlich dem Menopausenraum, oder besser dem Wartezimmer zur: „Orr Menno!“-Pause.

Wen das Thema aufgrund seiner eigenen hormonellen Struktur und Testosteronlastigkeit nicht an den Eiern kratzt, oder wer keine Frau ist oder gar keine Frau kennt, die von der zweiten Pubertät betroffen ist, betroffen sein könnte oder möglicherweise irgendwann einmal betroffen sein wird, der darf hier gern abspringen. Zum Beispiel hierhin.

Es ist schon eine Weile her, dass ich euch mitgenommen, quasi hinuntergezogen habe in die Freuden der zweiten Pubertät. Es hat sich seitdem einiges verändert – und das ist gut so! Veränderung ist etwas, das Zeit braucht, das hört man schon am Wort. Ver-änder-ung, etwas wird anders, aber langsam, nicht abrupt. Und das kann man blöd finden, darf man blöd finden, klar. Oder man setzt sich auf eine Blumenwiese, atmet in die Vulva und findet, alles im Leben sei ein Geschenk, nur in unterschiedliche Geschenkpapiere verpackt, oder so.

Mir ist ja dergleichen klangschalentönernde Akzeptanz und Liebe zum Unausweichlichen leider nicht gegeben. Ich bin eher so der Typ Mensch, der die winzigen Fäuste ballt und fluchend in den Himmel boxt und die ganze Arschlochscheiße und alle furzenden Affenpimmel dieser Welt (Schimpfwort vom Blondino geklaut; wir werden dazu später mehr erfahren) beschimpft, weil es eben nun so ist, wie es ist. Und Geduld mit dem Prozess, also Geduld überhaupt, nun ja, kann ich prinzipiell relativ schlecht aufbringen, schon gar nicht mir selbst gegenüber. Mache Eier!, so bin ich eher.

Aber auch den Ungeduldigen und Hadernden passieren so unschuldige Sachen wie Altern oder Wechseljahre. Und mit all dem Scheiß, den man nicht gut findet (und das auch nicht muss), passieren tolle Sachen! Das zuerst: Es passieren ganz wunderbare Sachen mit Dir, mit mir, mit uns allen. Wir werden weicher, auch mit uns. Wir werden schöner. Wir werden differenzierter, dankbarer (bis auf die Motzrentner, die immer nach einer zweiten Kasse schreien, sobald du vor ihnen mehr als drei Artikel aufs Band legst), wir werden mehr zu dem Menschen, von dem wir immer dachten, wir seien dieser Mensch bereits. Runder irgendwie, das äußere Spiegelbild passt zum inneren Spiegelbild.

Warte. Bei „Spiegel“ halten wir mal den Phrasenzug kurz an.

Für mich sind diese Wechseljahre tatsächlich Jahres des Wechsels. Und nie zuvor war mir das so hart bewusst. Nie zuvor hatte ich die große Chance, das selbstbestimmt zu gestalten! Die Hormonachterbahn wirft mich permanent auf mich selbst zurück, immerzu muss ich für mich bewerten, was will ich noch, was will ich nicht mehr, wie will ich irgendwas, wann und wen. Und warum, auch das. Es fühlt sich an wie eine Halb-Lebens-Inventur, als käme KonMari zu Besuch und würde sich alles ansehen, was ich so angehäuft habe in meinem halben Menschenleben. Den Haufen an schlechten Gewohnheiten, Bequemlichkeiten und Menschen hin- und herdrehen und mich fragen, ob jedes einzelne Puzzleteil joy sparkelt. Und sich auch die Spuren ansehen von dem, was ich verloren habe auf dem Weg: Menschen, Talente, Leidenschaften. Und dann wird alles bewertet, ob ich will oder nicht, und manches muss ich loslassen um anderes wieder finden zu können.

Das alles passiert unbewusst, bewusst, permanent. Ich glaube, der Begriff „Metamorphose“ trifft es am besten. Von der Puppe zum Schmetterling und dann zum Falter. Alter Falter!

Ich finde, ähnlich wie bei der ersten Pubertät sollten wir gnädig sein mit uns, wohl wissend um die Aufruhr im Inneren, sich Fehler bei den Entscheidungen gönnen und bewusst Fehler machen, nie wieder werden die einem so verziehen! Hoffe ich.

Ich kann das nicht mit dem Rat geben, allenfalls so pschüschedelisch durch den Blumenstrauß. Neulich fragte mich eine Freundin zum Beispiel, ob sie wohl schon drin sei in den Wechseljahren?! Ich sagte nur, sie sei drin, wenn sie es wüsste. Ich kenne Frauen, die waren kaum vierzig und rasten bereits auf der Hormonachterbahn durchs Leben, unwissend, mit einem Kinderwunsch im Gepäck – Ha! Und ich kannte eine weißhaarige Dame, die felsenfest behauptete, sie sei noch zu jung für die Wechseljahre, das würde sie schließlich merken! Auch das stimmt. Wechseljahre, als Angebot für alle Wechselwilligen, sehr schöner Gedanke. Eine andere Freundin haderte neulich mit der Entscheidung, die dunklen Haare nun färben oder hoffen, sie würden sich wie bei Birgit Schrowange heiligenscheingleich irgendwann in glitzerndem Helmchen um das zarte Haupt legen. Probier´s aus!, mehr kann man dazu nicht sagen! Probier so viel wie möglich aus, das sollte man jeder Frau sagen. Alles, was du dich nicht getraut hast, alles, wofür du dich vor zwanzig Jahren geschämt hättest, alles, bei dem dir jetzt beim bloßen Gedanken der Fuß juckt: Wann, wenn nicht jetzt?

Viele Jahre hatte ich nur Freundinnen, die mindestens zehn Jahre jünger waren als ich. Ich hatte mir das nicht ausgesucht, das ergab sich einfach so. Ich fand mich zugehörig, wir hatten dieselben Themen. Nun haben ich vermehrt Frauen in meinem Umfeld, die so alt wie ich oder gar älter sind, und auch da fühle ich mich zugehörig! Sogar inspiriert. Ich bin so dankbar für die neuen, alten Freundinnen, Annett, Silke, ich bin froh, dass ich jetzt alt genug bin, um das Geschenk zu sehen, das ihr mir macht mit eurer Freundschaft. Und trotzdem liebe ich meine Mädels in den Dreißigern und Vierzigern, diese Freundschaften gibt es noch immer. Aber Inspiration ist so wichtig wie nie zuvor. Ich habe zum Beispiel die Geli unfassbar gefeiert, als sie antrat, um den HYROX zu bezwingen, ich habe sie angefeuert von der Couch aus. Das muss nicht mein Weg sein, und kann mich doch beflügeln! Wie so viele andere starke Frauenbeispiele. Sich nicht runterziehen lassen durch Menschen, die nichts bewegen und vor allem nicht sich selbst, die wichtigste Aufgabe. Netzwerke bilden, Frauenbündnisse stärken, das ist die Mission. Ein Teil der „neuen Alten“ werden, sein, aber anders sein als die „alten Alten“.

Sich auf der Stelle das Leben nehmen, im wahrsten Sinn des Wortes, das ist die wichtigste Aufgabe. Genieße, lebe, teile, freue, liebe. Es ist so einfach. Und so schwer zu schaffen gewesen in all den Jahren. Jetzt wird es leichter.

Ich habe fette Glaubenssätze im letzten Jahr über den Haufen geworfen und mir vorgenommen, den Platz nie wieder zu füllen mit neuem Stuss. Ich glaube ab jetzt klar und ohne Dogmen, oder gar nicht. Zum Beispiel glaubte ich lange, ich würde niemals Hormone nehmen (mit fettem Ausrufezeichen!)! Und ich würde mir niemals freiwillig irgendwas ins Gesicht spritzen lassen! Was müssten das für arme Menschen sein, gebeutelt von schwachem Selbstwertgefühl und unsicher und unwissend ob der Gefahren. Und überhaupt. Ich glaubte viel in Zeiten. als das jeweilige Thema gar nicht dran war für mich. Das ist ja oft so, dass Menschen gern eine ganz klare Meinung zu einer bestimmten Sache haben, die sie gar nicht betrifft.

Wenn ich zum Beispiel zu dem Drittel Frauen gehören würde, die keinerlei Probleme durch die Hormonumstellung haben, dann wäre eine Hormonersatztherapie für mich nie in Frage gekommen. Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich relativ bockig darangegangen bin nach dem Motto: Hilft mir eh nicht und ich hasse es sowieso! Die Wahrheit ist: Ich liebe es! Ich habe meinen Körper zurück. Ich fühle mich wieder wie ich selbst! Für mich war es die richtige Entscheidung. Jede ist für sich selbst verantwortlich und viele Wege führen nach Rom, und ins Altersheim.

Und was die Spritzen im Gesicht angeht, ich erspare euch vorher-nachher-Fotos, aber auch da gilt: Ich habe nichts Gutes erwartet und habe beim ersten Mal zu dem Arzt gesagt, ich mache das nur, um danach wenigstens genau zu wissen, warum ich Botox und all das Gedöns so Scheiße finde, und siehe da, auch das fühlte sich in dem Rahmen überhaupt nicht Scheiße an! Entspannt, ich fühlte mich zum ersten Mal in meinem Leben entspannt! Was Meditation und Konsorten nie geschafft haben, hat Botox bewirkt. Vielleicht brauchte ich den Scheiß wirklich um mal zu fühlen, wie sich andere so fühlen, die nicht mit einem dauerverkrampften Gesicht herumlaufen. Außerdem habe ich seitdem keine Migräne mehr gehabt, eher eine zufällige Nebenwirkung, aber sehr willkommen. Ich habe im übrigen noch immer Falten, ich hatte nie das Ziel, mir meine Mimik wegzuspritzen oder mich zehn Jahre jünger aussehen zu lassen. Nur eben nicht zehn Jahre älter! Ich bin zu jung für Seniorenmenüs und die Apothekenumschau und will gefälligst auch nicht so aussehen, als sollte man mir das anbieten! Aber das ist meine Entscheidung, jetzt, hier, während meiner (!) Wechseljahre. Vielleicht finde ich das alles in fünf Jahren so Scheiße wie die Eine oder der Andere hier aktuell beim Lesen, kann schon sein. Aber Freiheit in allen Entscheidungen, das ist, was ich euch allen wünsche, für die Wechseljahre in jedem Jahrzehnt. Und Akzeptanz für die Entscheidungen der anderen, es sind nicht deine, du musst sie nicht tragen. Aber ich will auch nicht eine von denen sein, die behaupten, ihre glatte Haut sei nur fünf Litern Quellwasser und viel Schlaf zu verdanken. Für sowas habe ich keine Zeit mehr.

Und für die jungen hier: Was ihr seid, das waren wir. Was wir sind, das werdet ihr sein. Ich bin also gar nicht alt, ich bin nur schon länger da und muss somit in manche Büchse der Pandora eher hineinblicken als ihr. Aber irgendwann müsst auch ihr. Und niemand weiß vorher, was man da sieht.

„Aber auch den Ungeduldigen und Hadernden passieren so unschuldige Sachen wie Altern oder Wechseljahre“, schrieb ich eingangs, und am Ende muss ich das noch mal aufgreifen. Wir sind die Glücklichen, die wir uns über so unschuldige und harmlose Sachen Gedanken machen dürfen. Wir sind die Glückspilze, die schon so alt geworden sind und die sich übers Altern Gedanken machen dürfen! Deren Gedanken sich nicht um schwere Krankheiten drehen müssen. Oder um Trauer, um Existenzangst, um schwere Kost. Wenn du dich über die Scheißarschlochhormone aufregen kannst, bist du ein Glückskind! Das ist die Message. Und wenn du dich nicht ständig aufregen willst, tja, dafür gibts was von Ratiopharm. Bei Fragen zu Risiken oder Nebenwirkungen fragen sie ihren Arzt oder Apotheker. Oder die Heilpraktikerin, Astrologin, einen Guru, eine Schamanin, eine Influencerin, die Leute vom YOGA-Kurs, die Frau an der Kasse vom Netto. Glaubt mir, jeder hat eine Meinung! Zu allem und immer.

Und irgendwo zwischen all den anderen Meinungen findest du dann deine eigene.

Und alles wird gut. ❤ Tschakka.

Das Leben an sich im Frühjahr 2022

Der Bärtige hat neulich zum ersten Mal in seinem Leben eine Schere geschliffen und glaubt nun, er sei Edward mit den Scherenhänden! Schnipp-schnipp, ging er stolz durch den Garten und schändete mit der neuen alten scharfen Schere den Efeu, um zu beweisen, dass er es mal so richtig drauf hätte! Er, der Scherenschleifer! Nun hätte ich ja prinzipiell nichts dagegen, mit Jonny Depp, aka Edward, verheiratet zu sein, allerdings glaube ich, dass dieser eigentlich zu Vanessa und den Kids auf die Pirateninsel gehört und diese wirklich niemals hätte verlassen sollen, weil, dann wäre auch die unglückselige Geschichte mit Amber Heard nicht passiert, und überhaupt.

Wie auch immer, wenn hier mal jemand was zu schleifen hat, der Mann macht das. Einfach über mich Kontakt aufnehmen. Mir ist sehr daran gelegen, dass der kopfarbeitende Informatikerehemann eine adäquate Freizeitbeschäftigung erhält. Der guckt immer so Videos , wo Menschen altes Zeug reparieren und träumt von einer Hütte mit Drehbank und so weiter. Auf meinen nüchternen Kommentar hin, wir hätten jungfräulich verpackt im Keller allerlei Kisten mit der Aufschrift „HILTI“ oder „BOSCH“ und gefährlich wirkenden Werkzeugen im Inneren, diese könnten doch erst mal probiert werden, da winkt er nur ab, ich solle still schweigen, was wüsste ich denn schon! Also ich weiß, dass Handwerkeranfragen hier immer erst dann beantwortet werden, wenn ich androhe, es selbst zu machen, oder einen fremden Kerl ins Haus holen will.

Es ist mit den Männern wie mit den Kindern: Das Spielzeug, das da ist, ist langweilig! Andere Männer haben viel dolleres Spielzeug. Immer.

Die Graue hat noch immer ihre erste Hitze nicht gehabt, ergo wächst sie eventuell noch weiter und wird bald die größte Weimaranerin der Welt sein. Fun fact: Wir haben den letzten Welpen des Wurfes genommen, weil die meist (wer hat uns das erzählt, wenn ich das noch wüsste) am kleinsten und geduldigsten seien. Pah!

Außerdem hat das Pony eine Identitätskrise passend zum Eintritt in die Pubertät. Sie ist ein Jagdhund ohne jagdlichen Eifer, dafür mit Hütehundattitüde, heißt, sie rennt panisch in Kreisen um „ihr“ Rudel, sobald wir das Haus verlassen. „Alle zusammenbleiben! Alle zusammenbleiben!“, sowas eben. Außerdem liebt sie es, mit dem Massagegerät den Bauch massiert zu bekommen und wehe, du nimmst die elektrische Massagepistole weg, da greift sie mit den Vorderpfoten sofort danach! Macht das sonst auch noch ein Hund?! Sie singt, wenn man ihr die Schnauze streichelt und schmeißt sich sofort vor einen auf den Rücken, wenn irgendwo das Geräusch eines Föns erklingt – das ist das Schönste! Heiße Luft! Ansonsten ist sie ein etepete Luxushund, der nur selbst gekochtes Essen will, davon allerdings ein Kilo pro Tag, von jedem bisschen Stress Durchfall kriegt und schmollt bei jeder kleinsten Gelegenheit. Warte. Irgendwie kommt mir das bekannt vor…

Und da wären wir bei mir. Ich habe mir kürzlich den Daumen in der Autotür eingeklemmt und das war ein Spaß! Also so richtig mit Krankenwagen und Betäubung und Menschen mit grünen Häubchen, die mich fragten, ob sie mir den Daumen kleben oder nähen sollten. Und ich so: „Bin ich hier bei wünsch dir was? Woher soll ich das denn wissen! Das ist mein erstes Mal! Machense mal, oder ist das auch ihr erstes Mal?! Ich brauche Schnaps.“. Sie haben gemacht und jetzt, sieben Wochen später, ist es leider noch immer nicht schön. Wird es vermutlich auch nicht und meine Karriere als Daumendouble von Daniel Craig kann ich wohl an den Haken hängen. Das war ein Scheiß, sag ich euch. Ich hatte ja keine Ahnung, wozu man alles seinen rechten Daumen braucht. Zu allem! BH schließen, BH öffnen, Zopfgummi dranmachen, Schneiden mit der Schere, Schneiden mit einem Messer, etwas festhalten, Haare waschen, Tastaturschreiben, ich wusste es nicht. Der Daumen ist ab sofort mein Lieblingsfinger. Beim Röntgen kam dann auch raus, dass ich eine fortgeschrittene Arthrose hätte und „zu jung für diesen Befund sei“, als ob ich das nicht wüsste! Ich bin auch zu jung für meine schmerzende Hüfte, zu jung für meine Falten, zu jung für meine grauen Haare…

Neulich klingelte es an der Tür, davor stand eine mir gänzlich unbekannte Person und fragte: „Hamm sie ma ne Doledde?!“. Ich stellte die einzig mögliche Gegenfrage: „Wie bitte?“. Und die Person wieder: „Hamm sie manchmal ne Doledde?!“. Ich weiß, was der Bärtige geantwortet hätte (nämlich: „Ja doch, eigentlich sogar immer, nur keine öffentliche, auf Wiedersehen!“, Tür zu), aber ich bin anders und habe der notdürftigen Person den Weg zum Klo gewiesen. Danach habe ich alles gereinigt, desinfiziert und gewienert, als ob ein Leprakranker die Toilette benutzt hätte und fragte mich dabei, was nicht stimmt und vor allem, mit wem. Der fremden Person oder mir, und ja, die Antwort kenne ich. Aber Corona und diese verrückte Zeit, wo keiner einem Fremden einfach so die Tür öffnet, macht komische Sachen selbst mit Menschen mit den besten Absichten.

Außerdem wundere ich mich. Zum Beispiel, dass Harry Potter erst für Kinder ab zwölf Jahren geeignet ist, Pippi Langstrumpf aber schon für Kinder ab sechs! Also Pippi halte ich eindeutig für den schlechteren Umgang. Nach dem Konsum von Harry Potter konnte ich nur feststellen, dass das Kind auf mein Gemecker gerne antwortete: „Mama, machst du jetzt wieder die maulende Myrthe, oder was?!“, nach Pippi Langstrumpf demoliert der Blonde regelmäßig sein Zimmer, klettert auf dem Ofen und den Fensterbänken herum und möchte mit „Herr Nilson“ angesprochen werden, während er Zeug vom Tisch schmeißt und alles mit dem Mund allein essen möchte ohne Zutun der Hände – danke schön, Kinderfernsehen!

Wir waren auch immer wieder im Biergarten. Wir sind ja ganzjährige Biergartenbesucher. Das sind die härtesten, etwa wie ganzjährige Nudisten, nur mit Sachen an. Und Bier. Ich bin das hintere Frollein auf dem Bild, falls ihr nicht mehr wisst, wie ich aussehe. So sehe ich aus.

Außerdem sitze ich neuerdings wieder regelmäßig an der Nähmaschine. Nicht um hübsche Klamöttchen zu nähen, sondern um nicht mehr hübsche, durchgewetzte Hosen zu stopfen. Beim Großsohn ist der Arsch die Problemzone. Und beim Kleinen die Knie.

Diese Jeans hier habe ich für vier Euro fuffzig beim Lieblingssecondhandladen in Pieschen gekauft, gebraucht. Wenn ich jetzt die Arbeitszeit mit meinem Stundensatz multipliziere, haben wir hier nun im Kinderschrank ein Luxusbeinkleid, denn Stopfen und Auftrennen, Stoff annähen und Beine wieder zunähen dauert in etwa so lange wie die Fabrikation eines Oberteils. Mindestens. Ich will nicht das Vorhaben an sich in frage stellen (Nachhaltigkeit für alle und Entspannungsfaktor am Rattergerät für mich), sondern ich frage mich, warum die in der Schule nicht lernen, wie man sowas herstellt! Einfach mal selber machen schafft Respekt, glaube ich. Wie viele Schritte sind nötig, um eine Stoffbahn zu fabrizieren, dann Schnittmuster zeichnen, ausschneiden, vernähen. Möglicherweise wäre das für die nächste Generation nützlich. Ich mein ja nur. Keine Ahnung, wo das hier alles noch hinführt.

Außerdem frage ich mich natürlich, welches Kind eine Jeans trägt und die danach als neuwertig im Laden landen kann! Gibt es solche Sitz-Kinder, die nur in der Hose irgendwo sitzen? Also im Gegenteil zu meinem Kind, das sich ganz offensichtlich auf den Knien fortbewegt? Zum Glück ist jetzt kurze-Hose-Saison, da brauche ich die Nähmaschine nicht. Nur jede Menge Pflaster.

Grüße aus dem Pausenraum

Anfang des Jahres beschloss ich, wie so viele andere Menschen auch, irgendwas zu fasten. Irgendwas war schnell gefunden, mein social media Konsum sollte es sein! Permanent auf Instagram, jede aberwitzig belanglose Tagesbefindlichkeit hinter einem vermeintlich schnittigen Hashtag verballhornt – damit sollte Schluss sein! Also zumindest für ein paar Wochen. Und damit dies gelünge (?) gelingen mögte (?) zu gelingen eine Chance erhielte oder erhalten würde tun zu täten, versagte ich mir auch das Bloggen. Weil, wenn ich blogge, dann teile ich das der Welt auch gewöhnlich mit und dann muss ich leider auch immer gucken, ob das auch der Welt zur Kenntnis gelangte und wie die Welt denn nun darauf reagiert, dass die Nieselpriemerin das Netz beschmutzt hat mit ihren dünngeistigen Befindlichkeitsergüssen. Klick klick klick. Das wäre schlecht fürs Fastenziel, ergo, sie wissen schon, Nulldiät für mich.

Dann gingen ein paar Tage oder einzelne Wochen ins Land und dann kam Putin.

Und mit seiner Invasion überspülte er die friedlichen heimischen Kanäle nicht nur mit gelb-blauen Profilfotos, sondern auch mit wir-werden-alle-sterben-wo-soll-das-noch-hinführen-Attitüde zum Einen, und totalitärem Eskapismus auf der anderen Seite. Gepeinigt von frenetischer Sozialpanik und einen Klick davon entfernt dem achtunfünfzigstem Snackbrett, candyboard whatever, machte ich schnell wieder das tragbare Internet aus. Pause.

Draußen war ich allerdings mitnichten weg von alledem. Menschen riefen zu Hilfstransporten auf, verstopften mit ihren Kleinwagen voller getragener Klamotten und Duschgels die Autobahnen nach Polen und es wurde aufgefordert, Konserven, Kindernahrung und entbehrliche Badehandtücher (gewaschen) aus dem Hausgebrauch zu den Sammelstellen zu bringen, zum Beispiel zur Grundschule, die man sowieso täglich frequentiert. Dort wurde argwöhnisch beobachtet, wer sein Fortpflänzchen abholte und wer sein Fortpflänzchen abholt und vorher ein Glas E-Stoff-Bockwürste (Meica macht das Würstchen) oder abgelaufenes Dosenobst auf den Spendentisch stellte. Dabei wurde ja nie hinterfragt, ob die Person ohne Würstenspende nicht vielleicht schon jahrelang jeden Monat einen dreistelligen Betrag an die Flüchtlingshilfeorganisation spendet, und zwar für Flüchtlinge jedweder Hautfarbe und Fluchtmotivation, oder ob schon der komplette Speicher leergeräumt wurde für bedürftige Personen.

Ich fühlte mich unwohl, ich konnte nur verlieren. Was soll man da schon schreiben.

Die Pause wurde länger. Und was sollte ich auch schreiben? Dass mir die Zwei-Klassen-Flüchtlingspolitik nicht behagt, dass mich die Hamsterkäufer annerven? Mehl, also bitte! Als ob jetzt alle backen könnten nachdem sie jahrelang Coppenrattes auf der grünen Wiese Torte für den Sonntagskaffee eingekauft haben. Genauso absurd wie Hefe als Mangelware! Aber nein, der deutsche Konsument hört auf die Hiobsbotschaften. Milch soll bald fünf Euro kosten, los, alle bevorraten. Du verträgst gar keine Milch? Egal, trotzdem hamstern, kannste verkoofen. Neulich war Senf aus, ist das zu fassen? Also nicht eine einzelne Sorte, nein, das ganze Senfregal! Wir sind hier in Sachsen, wahrscheinlich wars die Thüringer Rostbratwurstunionsfraktion, die passend zum Grillauftakt ausrief, Senf könnte knapp werden, besser, man bevorratet! Backen ohne Mehl und Hefe, Braten mit Eigenfett, Toilettengang „indische Art“, das könnten beliebte Suchanfragen des frühen Jahres 2022 sein. Man könnte lachen, wenn es nicht so absurd wäre. PS: Wie man Senf selbst herstellt, steht zum Beispiel hier. Also bitte. Und den Po haben wir in den Siebzigern schon mit Zeitungspapier abgewischt, das war nicht schön, aber ging. Außerdem lesen doch die Kinder neuerdings zu wenig, hört man immer. Gut, dann bekommen sie alle ne BILD-Zeitung mit aufs Klo!

Nehmen sie doch süßen Senf!

Dann wurde die Pause noch länger. Weil, ich werde neuerdings verklagt. Alles, was sie im Internet verzapfen, kann und wird gegen sie verwendet werden!

Es geht um den Blog und auch vor meinem Instagramaccount wurde nicht Halt gemacht. Es gibt eine Anklageschrift und einen Gerichtstermin, in echt jetzt. Es gibt einen Richter und Anwälte. Das ist surreal und verletzend gleichermaßen. Das war auch genau so beabsichtigt. Ich habe überlegt, ob ich das hier hinschreibe, aber es nicht zu tun, hat mich verstummen lassen, einfach so weitermachen, als wäre nichts passiert, ist mir unmöglich.

(Siehste mal, Nieselnuss, hätteste doch lieber über Kuchenrezepte und Antifaltencremes geschrieben. Oder foodboards präsentiert!)

Wir werden sehen, wie das ausgeht. Näheres kann ich nicht dazu schreiben, bitte fragt oder mutmaßt nicht in den Kommentaren. Es lesen hier ab sofort ungebeten Personen mit, die sich nicht an meinem Geschwurbel erfreuen wollen, sondern beabsichtigen Munition zu finden, um mir zu schaden. Das ist so. Aber jetzt hier nie wieder zu schreiben, nur weil jemand darin rumpieksen könnte, ist wie sich aus Angst vor dem Tod das Leben zu nehmen. Also wenn man jetzt mal ganz dolle mit der Metaphernkeule ausholt.

Das Credo lautet fürderhin: Tanze, als würde niemand zusehen. Singe, als würde niemand zuhören… schreibe, als würde niemand mitlesen, oder so ähnlich. Das ist das Schwerste. Aber ich kann nicht für immer im Pausenraum sitzen bleiben, und ich will auch nicht.

Ich komm jetzt wieder raus.

einhundert

einhundert

Als der Blondino klein war, kleiner, habe ich regelmäßig zu seinem Monatsgeburtstag gebloggt, Liebeserklärungen in types gegossen quasi. Von seinem süßen Duft geschwärmt, von den schlaflosen Nächten berichtet, seinen überragenden Fähigkeiten und von seiner zweifelsfrei bewiesenen Außergewöhnlichkeit und Wunderbarheit und Allerschönstheit sowieso. Hach, wie süß der war…

Ich bin so froh, diesen Blog zu haben und nachlesen zu können. Klar könnte ich auch Tagebuch schreiben, aber mal ehrlich, das hätte ich so in der Form nie durchgehalten. Und dennoch ist das mein Antrieb noch immer: Festzuhalten, die Momente, im kleinen, im großen, das flüchtige wandelbare, mir durch die Finger rinnende Leben mit meinen Söhnen. Hier kann ich nachlesen, wie das so war, als das Kleine noch ein Kleines war. Das ist so schön, so anrührend, ich selbst mitunter so naiv in meiner Glückseligkeit. Ja, und auch das ist schön!

Als ich dachte, nie wieder würde ich ein Kind empfangen, halten, stillen, trösten, an der Hand durchs Leben begleiten, da beschwor ich die Zeit, die grausame, mir meine Erinnerungen zurückzugeben an die Zeit mit meinem Großsohn, die schon so lange zurücklag. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal seine Hand gehalten hatte auf der Straße und dachte dabei, das müsste ich doch! Mich erinnern, wann diese unwiederbringlich beendete Ära vorbei war! Wann war es das letzte Mal? Wie hat sich das angefühlt? Wann hatte ich ihn das letzte Mal auf dem Schoß sitzen, seine Ärmchen um meinen Hals? Wie verflucht schnell sind diese Zauberjahre voller Küsse vorbei. Vorbei. Aus und vorbei.

Alles anders machen wollte ich diesmal. Alles festhalten, konservieren. Ihr glaubt nicht, wie viele Erinnerungskisten ich schon gehortet habe mit Dingen, die dem Blondino gehören oder gehörten, Kisten voller Zeug, das einen emotionalen Wert für mich hat, nicht für ihn. Dinge, die mir helfen sollen gegen das Vergessen, die die Momente zurückholen sollen. Denn die Zeit, mein ärgste Feindin, sie ist auch diesmal gegen mich. Alles fliegt nur so vorbei. Die Tage sind lang, aber die Jahre kurz.

Dazu kommt jetzt noch der Umstand, mit dem ich mich – und alle anderen Elternblogger:innen ebenso – schon länger konfrontiert sehe: dem Recht des Kindes auf Privatsphäre. Was kann ich schreiben, welche Bilder veröffentlichen? Den Großen konnte ich immer fragen und ihn um Gegenlesen bitten, da bin ich okay in allem. Aber: Wie findet der kleine Blondino das später, wenn er diese Zeilen liest? Ich musste das alles für mich beantworten und manches davon gefällt mir nicht, weil es mich sehr einschränkt in meinem Ziel, möglichst situationsgenau meine Gefühle und Erlebnissen einzufrieren, zu konservieren. Ich denke, das ist auch der Grund, warum so viele bloggende Menschen, deren Geschichten ich so gern gelesen habe, irgendwann nicht mehr über Kinder geschrieben/ nicht mehr über ihre eigenen Kinder geschrieben oder überhaupt nicht mehr geschrieben haben. Irgendwann kommt die Zeit, da wandelt sich das Gesicht und die Persönlichkeit des Kindes nicht mehr gefühlt stündlich, Ecken, Kanten, Macken werden sichtbar. Und bleiben. Und über diese möchte ganz sicher kein Kind später lesen. Das ist oft der Zeitpunkt, an dem bloggende Eltern still werden.

Ich möchte das nicht. An dem Spagat übe ich noch.

Was bei aller Veränderung aber bleibt, konstant und beständig und dabei dennoch einem Wandel unterlegen, ist die Liebe und Bewunderung, die ich meinen Kindern entgegenbringe, ein so komplexes Gefühlkonglomerat aus Herzklopfen, Hitze, Kopfschmerzen, Überforderung, Zweifel, Gewissheit, Kribbeln, Dankbarkeit und Überforderung, sagte ich schon Überforderung? Und Schlafmangel, ja natürlich, das hört nie wieder auf…

Ich habe mir gestern Abend „Frau im Dunkeln“ angesehen. Den Roman dazu kannte ich nicht, aber der Film hat mich regelrecht umgehauen. Das ist sicher nichts für einen Pärchenabend und ich bin auch nicht sicher, ob jede (ich denke, hier fühlen sich hauptsächlich Mütter angesprochen) diesen Film so fantastisch findet wie ich, aber Dramaturgie, Regie, alles ist so on point, so besonders, und die Geschichte, oder besser ein kleines Fragment einer langen Geschichte, so eindrücklich dargestellt, dass ich lange nicht einschlafen konnte, obwohl die Geschichte der Frau oder Frauen gar nicht meine ist. Nicht im Detail, dennoch sind mir diese Gefühle nicht fremd. Auch die gesellschaftlich nicht akzeptierten.

Heute ist ein besonderer Tag. Heute ist der Blondino einhundert Monate alt. Alles anders machen wollte ich bei diesem Kind. Geduldig bleiben, mich immer für die Spielzeit entscheiden und gegen das Putzen, wenn das Haus dreckig ist. Ich entscheide mich immer noch meistens fürs Putzen, ich bin immer noch ungeduldig, immer noch und schon wieder kann ich selten im Moment das Schöne und Unwiederbringliche sehen, immer erst danach, wenn der Moment vorbei ist.

Happy Monatsgeburtstag, mein Kleinchen, mein Wunder, mein Krawallo! Dass es Wunder wirklich gibt, hast du mir gezeigt. An dem Abend vor deiner Geburt wehte auf einmal aus dem Nichts ein Sommersturm und heulte und rüttelte an allem. Dieser Sturm hat dich angekündigt, du bist wie dieser Sturm. Du bringst mich an die Grenzen alles Fühlbarem und Spürbarem. Du forderst mich, du bringst mich mehr zum Lachen als jeder andere Mensch auf der Welt. Ich will für immer deine Ärmchen um meinen Hals spüren, auch wenn du schon lange nicht mehr dasselbe willst. Jede Nacht, die ich als Gast in deinem Zimmer schlafen darf, in deinem Duft, dein liebes kleines Gesicht bestaunend, ist ein Geschenk, das ich als solches erkennen kann. Deine Hände, nicht mehr schmal und zart, sondern langsam stark und kraftvoll, passen schon jetzt nicht mehr als Faust in meine Faust. Ich bin gespannt, was unsere gemeinsame Reise noch für Überraschungen bereit hält für mich. Du bist das beste Kind, was mir das Universum als spätes Geschenk hat schicken können, das weiß ich. Du fragst mich gerne, für wie viel Geld ich dich hergeben würde, eine Trillionade?! Nein, nichts, natürlich nichts! Bleib bei mir, lass dir Zeit mit dem Wachsen und bleib bei mir.

Gans ´n Roses – ein rückblickender Weihnachtsrückblick

Gans ´n Roses – ein rückblickender Weihnachtsrückblick

Um „mucho Mojo“ zu bekommen, haben wir Weihnachtslandschaften in Supermärkten bestaunt,

… mit Plastikasanta posiert (auch im Einkaufstempel),

… vorm Baum rumgeknutscht und

… diverse Konglomerate kurzkettiger Kohlenhydrate in Kombination mit Fett und Gluten zu uns genommen.

Das diesjährige Highlight war der Stollen, den mir Christian vom Familienbetrieb geschickt hat (im Bienenwachstuch schick und ökologisch achtsam verpackt).

Das alles und viel Eierpunsch und viele Stunden im Wald (und wirklich viel Eierpunsch) hat bei uns das innere Glöckchen zum Klingeln gebracht.

Bei Instagram kursierten in den letzten Wochen vermehrt Listen von guckenswerten Weihnachtsfilmen, die – bis auf Chevy Chase als Clark Grisworld, das ist ein MUSS- hier nicht laufen. Mich machen Aschenputtel und ihre Nachkommen aggressiv, ich bekomme ein Lidzucken bei und-am-Ende-kriegen-sie-sich-doch-Schmonzetten und so lief hier unter anderem: „Tiny creatures“, „Puffs Reich“ und: „Verrückter Planet“ (Ja, wir stehen total auf Tierdoku). Wir Erwachsenen haben noch „Don´t look up“ und „Death to 2021“ gesehen, beides empfehlenswert.

Aber hauptsächlich haben wir gegessen, ich vor allem Vanillekipferl. Ich habe schon fünf Pakete von den LAWA-Rollenkeksen für Vanillekipferl im Frost, ich kaufe sämtliche Vorräte auf, damit ich bis Ostern jeden zweiten Tag Vanillekipferl backen kann und weil ich zu faul bin, den Teig selber anzumatschen und außerdem finde, die von LAWA machen das ganz gut. Außerdem haben die irgendeine Geheimzutat, einen E-Stoff, auf den ich total abfahre, denn ich muss immer mehr essen, je mehr ich esse und dann noch mehr und immer so weiter. Man kennt das von Erdnussflips… wahrscheinlich sind Erdnussflips in den Vanillekipferln von LAWA, das wird es sein.

Wo war ich?

Die Weihnachtsgeschenke sind verräumt, bis auf ein paar der Erwachsenengeschenke,

… der Baum ist auch schon raus und wir bespielen das neue BLOKUS, das der Weihnachtsmann gebracht hat. Ich, der „right brainer“ in der Familie, habe arge Probleme damit, auch mal ein Spiel zu gewinnen. Mir fehlt einfach das Formenverständnis. Das erinnert mich an die vierte Klasse beim Bubi, Hausaufgabe Geometrie. Ausgeklappte Rhomben, Quader und so weiter. Aufgabe: Ordne die Grundrissen den Formen zu. Ich habe lediglich den Würfel erkennen können! Das Kind freut sich, dass ich immerzu verliere.

Ich kann dafür andere Sachen, Sachen in die Pfanne hauen zum Beispiel. Gestern gab es dieses vegetarische Geschnetzeltes, das ratzfatz fertig ist und so geht:

Für zwei mittelhungrige Personen:

1 Zwiebel

1 Knoblauchzehe

1 Handvoll Pilze anbraten

3 Pakete Gyrosersatz auf Sojabasis dazugeben und alles schmoren, bis braune Stellen sichtbar sind.

2 Esslöffel Senf mit

2 Esslöffel Worchestersoße,

1 Esslöffel Sojasoße

und etwas Wasser verrühren und dazugeben. Alles aufkochen lassen, gegebenenfalls noch Wasser hinzufügen. Und Schnittlauch, wenn vorhanden (War bei uns aus). Ich musste gar nicht mehr nachwürzen, da das Sojagyros schon ordentlich gewürzt ist. Dazu gabs Reis und Applaus von meinen beiden Männern.

Und für mich stand Spargelsuppe ohne Bild auf dem Tisch und für das Kleinchen drei Plinsen, die ich noch im Frost gefunden habe. Immer, wenn ich nachdenken muss, rühre ich Eierkuchenteig an und stelle mich dann nachdenklich an den Herd. Das führt dazu, dass ich eigentlich immer eingefrorene Eierkuchen im Haus habe, denn niemand isst hier zwanzig Plinsen, und solche Mengen brate ich dann schon, wenn man einmal anfängt mit Nachdenken…

Apropos Nachdenken. Jetzt wäre so der Zeitpunkt, um das Jahr zu reflektieren und kluge Sachen zu sagen oder zu schreiben. Ich weiß nichts Kluges. Deshalb rede ich wahrscheinlich auch andauernd übers Essen. Das Wetter ist mit seinen dreizehn Grad und Nieselregen keinen einzigen Satz wert.

Meine Uhr ist eingeschlafen, ich hänge lose in der Zeit. Das ist nicht von mir, sondern aus einem Silly-Song, passt aber für das ganze vergangene Jahr. Die Tage vermischen sich zu einer Tag-Brühe, zusammenhängend, belanglos und austauschbar. Wir sind noch immer auf uns zurückgeworfen, verlernen zunehmend das „Menscheln“ und aufregende Erlebnisse waren zumeist eher unangenehm aufregend.

Ich bin für das vergangene Jahr dennoch dankbar. Ich habe viel gelernt, tatsächlich. Ich habe in verschiedenen aufreibenden Situationen einen klaren Kopf behalten können und sogar meinen Mann regulieren können, der bei uns sonst ja den Part des besonnenen Denkers hat. Habe oft nicht nur sagen, sondern auch denken können: Das macht nichts! Das ist nicht schlimm! Solange wir uns haben… und das auch so gemeint. Ich bin ruhiger geworden. Ablehnung, die mir entgegenschlägt, kann ich aushalten, ohne gekränkt zu sein, ich muss nicht allseits beliebt sein, nicht mehr. Ich spüre keinen Drang mehr zur Rechtfertigung, keinen Hang zum Gefälligsein. Ich muss nur ehrlich zu mir selbst und den meinen sein. Das fühlt sich befreiend an. Hätte ich schon früher machen sollen!

Und ich bin mit belastbaren Frauenfreundschaften gesegnet, es sind nicht viele, aber die besten! Und auch neue inspirierende Bekanntschaften hat das Jahr gebracht, Menschen, die genau eine kleine Lücke in meinem Leben füllen, von der ich nicht wusste, dass sie da ist. Aber wo ich nach jedem Gespräch so denke: Mensch, wo hast du nur gesteckt in all den Jahren! Gut, dass wir uns jetzt gefunden haben. Das ist schön.

Ansonsten irritieren mich zunehmend Orte mit vielen Menschen, Rewe zum Beispiel (Wo sonst soll ich mich denn auch herumgetrieben haben 2021!). Neulich etwa, ich schob einen von wöchentlich drei übervollen Einkaufswagen durch die Gänge, beobachtete ein Paar in meinem Alter. Er stand vorm Käseregal und sprach zu seiner Frau: „Du, was essen wir heute Mittag?! Hm, du hast ja noch eine Paprika, dann brauchen wir nur noch was für mich…“, und daraufhin sie so: „Ach weißt du, ich teile meine Paprika mit dir, dann sind wir fertig und müssen uns darüber keine Gedanken mehr machen!“, und er so: „Ja, prima Idee!“, und ich so… guck in meinen Wagen mit fünf Kilo Äpfeln, neun Paprika, acht Pakten Käse, vier Butter, drei Broten… und glaubte, in einem, Improsketch gelandet zu sein!

Oder in der Apotheke. Ich löse ein Rezept ein und die Apothekersfrau reicht mir dieses Fläschchen über die Theke mit den wärmsten Empfehlungen für die aktuelle Zeit. Wirkt gegen Bakterien und (!) Viren, ja, alle Viren (Blick nach links und rechts), einfach immer wenn man in einer größeren Menschenansammlung gewesen sei, zwei Hübe davon in den Mund und schon sei man geschützt! Vor Bakterien und (!) Viren!

Ich war so perplex, dass ich es gekauft habe. Schmeckt auch ziemlich gut.

Morgen ist Silvester, oder wie ich sage: Freitag. Wir machen nichts, was bedeutet, keine Party, kein Silvesterboard mit Fingerfood, keine Glitzeroutfits, kein Instagram-Tamtam. Ich habe nicht mal Luftschlangen aufgehängt! Lediglich dieser fröhliche Schriftzug zierte meine schmutzige Balkontür, bis der Blondino den Kreidestift gefunden hat und lauter TNT-Pakete und Bomben und Minecraftgestalten dazugekrakelt hat. Sehr besinnlich alles hier.

Ach guck, die ersten Frühlingsboten stehen schon parat, das ist doch was. Bald geht wieder alles von vorn los, alles knospt und erweckt, das Leben erneuert sich, neue Chancen… ach, halt doch´s Maul!

Am Nachmittag kommt lieber Besuch und ich habe einen Bienenstich gebacken, der nicht mal angebrannt ist (deshalb: Beweisfoto; er ist sonst immer an einer Ecke dunkelbraun und an einer gegenüberliegenden Ecke noch blass, der Arschlochbienenstich), und ich plane im Anschluss an den Schmaus für alle sechs Anwesenden das Set mit dem Wachsgießen (ist wie Bleigießen, aber mit Wachs) aufzumachen. Das könnte lustig werden. Wahrscheinlich wird es das nicht, weil der Blondino nicht teilen und alle sechs Wachsbällchen alleine schmelzen will. Und dann zanken wir und alles ist wie immer. Danach schmeißen wir Knaller in die Feuerschale und dann gehen wir ins Bett. Und dann ist das Jahr auch schon rum. Geschafft! Death to 2021.

Über wandernde Kopfschmerzen, Listen und Weihnachtssoße

Über wandernde Kopfschmerzen, Listen und Weihnachtssoße

Ich habe Nacken, denke ich zumindest. Kein Wunder, wenn man immer mit hochgezogenen Schultern durchs Leben geht, abgeduckt, in Deckung vor Viren oder Menschen mit Viren im Schlepptau.

Am Mittwoch darf ich deshalb zur Physiotherapie gehen und freue mich auf Linderung. Der Mann meint, dann seien die Schmerzen sowieso weg. Denn neulich hatte ich Fuß, lange sogar. Ich bekam aber die Orthopädin nicht ans Telefon und der Anrufbeantworter sprang auch nicht an, da dachte sich mein Fuß, scheiß drauf, niemand nimmt mich hier ernst! Und dann waren die Schmerzen verschwunden.

Ich hoffe nun selbiges (also Spontanheilung) von meinem wandernden Kopfschmerz. Denn zunächst hatte ich Zahnschmerzen, oben rechts, zwei Tage lang. Just, als ich beschloss, damit zum Zuständigen zu gehen, waren sie verschwunden und der Schmerz manifestierte sich in den Schläfen. Ach, um ab und zu dann im Kiefer wieder aufzutauchen, diesmal links. Das geht jetzt schon mindestens drei Tage zu lange so. Zumal ich auch mit meinem Ibuprofenkonsum haushalten muss, bekomme ich doch am kommenden Samstag meinen Booster und wir wissen ja noch vom letzten Mal, Schüttelfrost und Fieber und sechs Ibu-600 pro Tag als strikte Diät waren – und werden wieder- vonnöten sein. Vorfreude, so schön.

„Alles pschüschosomatisch!“, das weiß der Mann genau, der kennt sich damit aus, nämlich mit meinen diffusen Schmerzen in diffusen Zeiten. Advent zum Beispiel, eine sehr diffuse Zeit. Ich weiß gar nicht, wann ich wieder anfing, gehetzt zu sein. Ich wollte das auch unter allen Umständen vermeiden, habe mich zusammengerissen, und wieder auseinander, achtsam und bewusst neu zusammengesetzt und wollte ab sofort für immer alles anders machen. Aber die Zeit, diese besondere Situation, die neue, meine neue, innere Ordnung ist noch nicht stabil genug, um dem entgegenzuhalten.

Ich will auch nicht wieder mit dem Coronadingens anfangen, keiner kann es mehr hören, aber was soll ich sagen, es ist wie ein unterschwelliges Vibrieren im System. Ich kann mich nicht beschweren, ich habe nichts auszusetzen, ich traue mir nicht mich zu beschweren, ich habe schließlich nichts auszusetzen! Wie es mir geht?! Gut, selbstverständlich, ich habe schließlich nichts auszusetzen. Job sicher, alle gesund, danke der Nachfrage.

Bleibt dieser Wanderschmerz.

Vielleicht verschwindet er auch einfach bei Nichtbeachtung. Irgendwas ist schließlich immer.

Gestern Abend hielt ich den schweren, schmerzenden Kopf in meinen Händen und beklagte mich beim Mann über die Listen in der ollen Rübe, die ununterbrochen updaten und sich überschreiben würden. Er meinte, ich solle das aufschreiben, damit ich es abhaken könne, peu à peu, little by little, petit à petit. Oder malo pomalu, poco a poco… Ich werd noch ganz loco… fangen wir an!

Ich muss noch die Weihnachtsgeschenke für die Lehrerin und den I-Helfer besorgen, eigentlich sollte das ein gestaltetes Weihnachtsglas sein, aber außer einer Kerze habe ich noch nichts zum Reintun, im letzten Jahr hat die Lehrerin eine getöpferte Tasse bekommen mit Inschrift und ein sinnträchtiges Gedicht dazu und wenn ich den beiden jetzt was mache, dann muss ich mindestens der einen Frau im Hort auch noch was schenken und ich weiß noch immer nicht, was das denn sein könnte, und die Winterschuhe vom Kind sind nass, obwohl da stand, sie seien wasserfest, was für ein Dreck, braucht der also noch ein Paar Winterschuhe, wo hole ich die und ich muss im Kinderladen nachfragen, ob der Besitzer Andreas noch auf der Uhr hat, dass wir noch einen Schneeanzug Größe hundertachtnzwannsch brauchen, falls der reinkommt, ich will nicht noch mal hundert Euro ausgeben für drei Wochen, der Blondino macht alles kaputt, einfach alles, bei dem zerreißen die Schlüppis sogar, dieses Kind macht mich fertig, die Sachen vom Großen konnte ich nach sechs Monaten als neuwertig auf ebay verkaufen, der hier jetzt, bei dem hält das Zeug nicht mal sechs Wochen, nicht mal die angeblich unzerstörbaren Supersachen, oder es wird ihm geklaut, sagt er, heißt aber, er lässt es irgendwo liegen und findet es nicht mehr, wie die vier Paar Hausschuhe in Klasse eins, kann sich keiner erklären, wohin acht Schuhe mit seinem Namen drin verschwinden, die „Wortartenschablone nach Maria Montessori“ ist auch verschwunden, eine Woche dauert der Versand, jetzt muss der Blonde Dreiecke und Kreise freihändisch malen, habe ich überhaupt kontrolliert, ob die Stifte gespitzt sind und der Füller eine volle Patrone hat, heute ist Montag, ich bin sicher, das habe ich nicht, Weihnachtsessen ist bestellt, die Gans sollte für zwei Tage reichen, aber die Beilagen werden es nie, ich muss noch unbedingt die Einkaufsliste für die Feiertage schreiben, Rosenkohl extra zum Rotkraut und Klöse oder doch Kartoffeln und was isst das Kind, was isst das Kind, was isst das Kind, immer die gleiche Frage, deren Antwort stets die selbe ist, nacksche Nudeln oder Pommes, okay, Milchreis verborgen unter einem Berg von Kirschen geht neuerdings auch manchmal, nur kein Risiko eingehen, mit dem Schwiegervater zum Frisör muss ich heute in der Mittagspause, damit der am zweiten Feiertag nicht aussieht wie ein Beatle, oh nein, ich muss diese Woche noch zur Ärztin die Karte einlesen lassen, nächste Woche hat die Urlaub, ich erinnere mich genau, dass sie das gesagt hat, und der bringe ich schon seit zehn Jahren eine Kiste mit Plätzchen und irgendwelche Dankeschönleckereien vorbei, scheiße, noch ein Ding mehr, von dem ich nicht weiß, was es werden soll, und was ist mit dem Impftermin vom Kind, wenn der am kommenden Montag dran ist, dann ist der wahrscheinlich Dienstag und Mittwoch nicht in der Schule und die Weihnachtsgeschenke müssen also diese Woche fertig sein, die Hausapotheke muss ich überprüfen, haben wir noch Schmerzensaft und Vomex und Perenterol, Hustenstiller, Hustenlöser, unmöglich, undenkbar, an den Feiertagen auch noch in eine Notaufnahme zu müssen wegen keine Ahnung was, nur weil ich nicht geschaut habe, ob wir noch genügend Medikamente haben, bitte nicht, better be prepared, ich bin immer prepared, Karten muss ich auch noch schreiben für Tantchen und Onkelchen, die ich wieder nicht gesehen habe in diesem Jahr und ich hatte fest versprochen, mal abends vorbeizukommen, wenn das Kind im Bett und der Mann auf der Couch ist, dann hab ich ja frei und dann hätte ich ja kommen können müssen sollen, weil das hatte ich ja versprochen und nun ist das nicht geworden, vielleicht backe ich für die auch noch, die sollen nicht denken, ich würde nicht an die denken, ich denke andauernd an die, ich denke überhaupt andauernd an andere, an anderes, an lauter anderen Scheiß. Das ist alles nur in meinem Kopf, in meinem Kopf, in meinem.

„Dieser Punkt in meinem Kopf ich muss ihn finden und berühren
Wie Staub den ich mir vom Gehirn klopf
für die Reinheit die Wahrheit die Klarheit…“ (Fanta4)

Weihnachtsmojo, was für ein beklopptes Wort, das hat sich bestimmt irgendein Influencer aus Berlin ausgedacht. ich kenne unter Mojo nur diese ekelige Soße, mit der auf Teneriffa schrumplige und versalzene Kartoffeln übergossen werden, um ihr unansehnliches Äußeres zu verdecken, nehme ich an, geschmacklich tut die denen jedenfalls nichts gutes.

Ich habe kein Mojo, ich weiß, wo es zu finden wäre, kann aber diesen Punkt in meinem Kopf gerade nicht berühren. Ich werde der Physiogöttin am Mittwoch sagen, sie soll da mal dolle draufdrücken, wie auf eine Klingel. Mal sehn, ob´s dann klingelt, das Mojo.

Dabei kenne ich die Lösung. Einfach nichts machen, oder nur die Hälfte. Aber das stellt dieses Karussell nicht ab. Der Mann hat andere Sorgen, andere Kreisel im Kopf, ein anderes Betriebssystem. Auch bei ihm stehen die Gedanken nicht still. Nicht alles verschwindet, weil man es von seinem Tisch auf den Nachbartisch legt. Sharing is not immer caring. Wo ist der Typ, der das Karussell steuert?! Anhalten bitte, ich möchte hier aussteigen!

Meine Aufgabe für diese Woche ist, mir vorzustellen, er hätte das Karussell angehalten. Ich steige aus, kaufe fünf Schachteln Pralinen mit Plastikschleife und drücke jedem Menschen, dem ich meine, Weihnachtsgeschenke schuldig zu sein, eine in die Hand. Das ist schon mal ein Anfang. „Unn dann sehmor weidor! Eens nachn andorn!“, wie der Sachse sagt. Und die Sächsin. Peu à peu, little by little, malo pomalu.

~

Euch und uns versüße ich diesen Post mit ein paar Bildern vom Wochenende. Mit Pulverglitzerschnee und ohne das Genörgel und Genöle, das selbstverständlich zu hören war, aber ja zu unser allem Glück nicht zu sehen ist! Und: Frohes Hinzurweihnachtadventen wünsche ich euch und bleibt fröhlich – es ist alternativlos!

Über Verstehen, Geleeöhrchen und das große Glück des Bloggens

Über Verstehen, Geleeöhrchen und das große Glück des Bloggens

Im Jahr zwanzigzwölf, also lange vor Coronamundschutzabstand, veröffentlichte ein Raggaekünstler mit dem lustigen Namen Omi ein Lied namens „Cheerleader“. Das hat im Refrain die sehr eingängige Zeile:

„Oh, I think that I found myself a cheerleader…“

Diese Textzeile ist so mitreißend, dass ich ungewollt seit nunmehr neun Jahren stets mitsingen muss, wenn das Teil im Radio läuft. Während ich im Auto sitze, zum Beispiel. Nur, dass ich seit neun Jahren exakt folgendes singe: „Oh, I think that I found myself a jelly ear…“. Für mich war das absolut schlüssig, dass jemand (Omi nämlich) einen Menschen gefunden hat, den er so süß findet, dass er ihm diesen Spitznamen gegeben hat. So wie andere Menschen eben ihre Lieben Zuckerschnäuzchen nennen oder Honigpups. Ich kam gar nicht auf die Idee anzunehmen, ich hätte da etwas falsch verstanden! So kann man sich irren.

Sachsen Ministerpräsident Kretschmer: »Die Situation ist hochdramatisch«
Sachsens Ministerpräsident Kretschmer; der Blick ist situationsangemessen

Heute ist der letzte Tag vor dem vierten Lockdown in Sachsen, der jetzt „Wellenbrecher“ heißt und nicht mehr Lockdown. Damit soll das miese Image des Wortes „Lockdown“ aufpoliert werden und möglichst eindringlich allen, die das bis dahin nicht verstanden haben, begreiflich machen, dass alle Maßnahmen dazu dienen, die aktuelle „Welle“ zu „brechen“. Menschenleben zu retten!

Ich weiß nicht, ob das hilft. Also bei denen, die nicht verstanden haben, nicht verstehen wollen. Die noch immer „jelly ear“ hören.

(C) Spiegel online

Es geht ein Riss durch Deutschland. Es geht ein Riss durch Familien, auch durch meine. Menschen, die mir schon vor Jahren begreiflich machen wollten, ich sei blind, wenn ich nicht (!) gegen Merkels Flüchtlingspolitik auf die Straße gehen würde, ich sei mitverantwortlich für die steigende Kriminalitätsrate und nur die Montagsspaziergänger am Dresdner Altmarkt hätten den Durchblick und eine einzige Partei im Politikdschungel sei so mutig, zu sagen wie es wirklich ist, diese Menschen rotten sich im Klüngel zusammen. Zusammen gegen die Impfdiktatur und ein erfundenes Virus. Die selben Menschen, die mir auf Familienfeiern fröhlich entgegenriefen: „Jetzt müssen wir das Thema wechseln, die Gutmenschen kommen!“.

Meine Familie ist kleiner geworden, ich bin nun geschieden. Ich habe mich scheiden lassen wegen unüberbrückbarer Differenzen. Und obwohl ich ja noch niemals geschieden war, glaube ich zu ahnen, wie sich das anfühlt. Befreit zum einen, und zum anderen mischen sich Bilder darunter, Erinnerungsfetzen an gute Zeiten. An gemeinsame Erlebnisse mit den geschiedenen Menschen, bittersüß, vermissend, verzweifelt ein wenig, dennoch wissend, es gibt keine andere Möglichkeit. Weil die einen vom Cheerleader singen und die anderen von Geleeöhrchen.

Wellenbrecher also. Wenn ihr mich fragt, mir geht das alles noch nicht weit genug. Das ist mein persönliches Empfinden. Ich verstehe nicht, dass wir im letzten Jahr zu Hause unsere Kinder betreut und beschult haben bei Inzidenzen um ein Drittel, die Hälfte niedriger als jetzt. Jetzt bleiben Schulen, Kitas offen. Ich habe keine Lust auf Homeschooling, wirklich, wer hätte das schon, aber ich bin verunsichert über die noch immer andauernde Verunsicherung der Regierungen (Bund, Länder; alle sind mitgemeint) hinsichtlich der Angemessenheit der Maßnahmen. Ich will die meinen beschützen um jeden Preis.

Ich frage mich, was ich davon denken werde, wenn ich in zehn Jahren diese meine Zeilen lesen werde. Was wird dann sein, wie wird es sein, mein Leben? Der Blondino ist dann achtzehn Jahre alt, volljährig also. Mein Bubi gar einunddreißig. „Ich will nicht, dass der Brudi auszieht!“, sagte das Blondchen neulich, als wir zwei händchenhaltend in seinem Bett lagen, dem Bett mit der kuschligen Kinderbettwäsche, eingehüllt in seinen süßen Kinderduft nach warmem Salzkaramell, in der schönsten schwersten bittersüßesten Stunde des Tages. „Aber das dauert doch noch mindestens drei Jahre, bis der ausziehen wird. Und weißt du, das ist doch auch so, dass die Kinder irgendwann alleine wohnen wollen, oder mit jemand anderem als ihren Eltern.“, „Dann will ich auch zum Brudi ziehen, wenn der auszieht! Dann wohne ich dort bei dem.“, „Aber da wäre ich wirklich traurig, wenn du schon so früh bei mir ausziehst.“, „Aber ich bin dann schon groß und du dann alt, das ist dann so! Ich komme aber manchmal zum Schlafen zu dir.“, „Das ist schön! Und jetzt musst du die Äuglein zumachen und schlafen, und ich werde dich ganz schrecklich vermissen, weil ich dich erst in zehn Stunden wiedersehe!“, „Aber Mama, das merkst du doch gar nicht! Wenn du gleich schlafen gehst, ist es nur wie eine Sekunde, versprochen!“.

Ich weiß nicht, ob das Blondchen in drei Jahren, mit elf also, zu seinem Bruder ziehen wird. Aber ich werde das wissen irgendwann. Und in drei Jahren, in zehn, in zwanzig Jahren diese Zeilen lesen können. Ich werde dann auch wissen, wie das Jahr zwanzigeinundzwanzig geendet hat, ob wir Corona irgendwann hinter uns gelassen haben, ob ich für immer von Teilen meiner Familie geschieden bleibe.

Ich werde es wissen, weil es dieses Blöggel gibt. Weil ich vor acht Jahren begann, diese Tagebuch zu füllen, das weit mehr ist als ein Tagebuch mit Bildern. Weil ich jetzt schon mit dollem Herzklopfen manchmal die alten Beiträge lese und so unendlich dankbar bin, dass ich Stunde um Stunde aufgewendet habe, um meine Gedanken und Gefühle in Worte zu kleiden und abzutippen. Das war die beste Entscheidung, das beste Geschenk, das ich mir selbst gemacht habe, ganz ehrlich. Und die vielen Geschenke, die mir erst dadurch in den Schoß fielen. Menschen, Freundschaften, Orte, Erlebnisse, so viel Zusammenhalt, so viel Neues, Schönes.

„Das Internet ist an allem schuld!“, spricht der Beste mit seinem schönen Mund und meint damit die Meinungsverschwurbelungen der Unbeirrbaren und die aktuelle Situation. Ich weiß, was er meint. Früher stellte sich ein Experte hin und sprach, und alle hörten auf ihn, denn er hatte ja die Expertise! Heute googelt erst mal jeder zweite nach einer alternativen Meinung. Und wird fündig. Natürlich wird er das. Und nirgendwo gibt es eine Anleitung zum Denken, leider.

Das Internet ist also an allem schuld. Wenn das Internet irgendwann in Flammen aufgeht, abgeschaltet wird, dann wird mir das hier am meisten fehlen. Das Blöggel, ihr, wir. Bis dahin schreibe ich weiter. Damit ich morgen weiß, was ich heute dachte und warum ich gestern dieses tat und jenes ließ. Und damit ich mich erinnere, dass man sich manchmal verhören kann, etwas missverstehen, aber dennoch seine Haltung ändern kann, ändern sollte, immer mal wieder.

Und vor allem, bei allem Driss, damit ich mich selbst erinnern kann, was das große Geheimnis meines Lebens ist, die Antwort auf alle Fragen, die Glücksformel, der Gral. Meine Kinder. Deshalb:

Wochenurlaubsende in Bilder

Wir waren die vergangenen zehn Tage in Lubmin am Greifswalder Bodden.

Ich mag es sehr dort, weswegen wir schon mehrmals neben der Saison genau dort Urlaub gemacht haben. Wenn ihr fragt, warum eigentlich dort, wo doch Usedom zum Beispiel genau in der Nähe ist, nun, weil Lubmin eben nicht Usedom ist. Oder Kühlungsborn. Lubmin ist nicht schick, nicht prominent, es gibt im Oktober kaum noch Gastronomie und keine Lädchen zum Shoppen.

Es gibt einen einsamen Strand, eine einsame Strandpromenade und nur Freitags kommen ein paar Berliner übers Wochenende rauf um Meerluft zu schnuppern. Urlauber finden sich im Oktober kaum noch – herrlich!

Also Scotty, beam me up im Oktober, entweder an den Mittelmeerstrand nach Antalya (Sorgun bitte), oder aber nach Lubmin! Danke schön.

Wenn man an der Seebrücke in Lubmin steht, befindet sich linkerhand der Teil der Stadt, der neuer ist, mit schickeren Häusern. Rechterhand ein paar Hotelanlagen, eine Ferienhausanlage, die bestimmt schon zu Honeckers Zeiten dort stand, weiter rechts dann der Wald, danach der Campingplatz am Hafen.

Hinter mir an der Seebrücke befindet sich die „Fischbrötchenbude“, die eigentlich ein drei-Buden-Konglomerat ist, wo der Bärtige sich seine Matjes-Erdbeer-Brötchen gezogen hat. Ich habe kein Foto davon, weil es mich schon allein beim Gedanken daran schüttelt, aber es sind tatsächlich Semmeln mit Fisch drauf und Erdbeermarmelade und frischen Erdbeeren. Und sauren Gurken und Zwiebeln, ja doch. Nein, ich weiß es doch auch nicht, wie man sich sowas einfallen lassen kann. Und mein eigener Mann isst das!

Wir wohnen nicht im schicken Teil Lubmins, außer einmal. Wir wohnen gerne am Wald. Nicht schick. Dafür einsam.

Gastronomie in Zeiten von Corona ist ein Märchen für sich. Auch die Auslegung der Corona-Regelungen. Von „Du kommst hier nicht rein, außer, dein Kind lässt sich Hirnwasser ziehen und der Hund auch“ bis zu „Ist mir doch egal, scheiß doch auf alles und Corona sowieso“, hatte jeder Wirt seine eigene Regelung. Das betraf nicht nur Lubmin.

Wir haben uns oft selbst versorgt, und wenn nicht, dann in der „Blaumuschel“ gegessen. Der „Boddenblick“ war früher unsere Lieblingskneipe, aber die hatte aus nicht erkennbaren Gründen zu, so wie viele andere auch.

Sein Teller: Forelle mit Feta, Grillgemüse, Reis und Karotten-Aioli-Salat

In jeder Regenpause waren wir am Strand und haben uns durchpusten lassen.

Hafen Lubmin – voll niedlich

Sehr schön ist auch der kleine Fischereihafen in Freest. Wir haben schon Bilder, auf denen der Bubi so klein ist wie der Blondino und hier motzend steht, es wäre kalt, und langweilig, und voll öde! Schön, solche Familientraditionen.

Man kann von hier aus mit der Fähre übersetzen. Oder man lässt es, weil man die Insel schon kennt und macht Fotos von der zauberhaften Umgebung. Die kennt man ja auch schon, aber guck doch mal!

Den Spielplatz hat man seit dem letzten Besuch erfreulicherweise modernisiert und das Ergebnis wurde von uns gern beturnt.

Ich hatte eine ganze Kiste Brett- und Kartenspiele mitgenommen, davon haben wir lediglich Triomino gebraucht. Jeden Tag wurde hier Triomino gespielt. Wehe, irgendwer lädt mich die nächsten Monate zu einer Runde Triomino ein!

Am meisten waren wir im Wald. Jeden Tag etwa drei Stunden. Zwei am Vormittag und noch mal eine am Nachmittag. Das lag nur zum Teil am Hund. Also es lag am Hund, dass wir in diesem Jahr im Oktober nicht am Strand in der Türkei lagen, aber dass wir so exzessiv im Lubminer Wald waren, lag hauptsächlich an diesem schönen Wald.

Er ist groß genug, dass man nach zehn Tagen noch nicht die Nase voll hat, aber nicht so groß, als dass man sich nach zehn Tagen nicht souverän darin zurechtfinden würde.

Wir haben unfassbar viele Pilze gefunden und insgesamt zehn Backbleche davon getrocknet. Hauptsächlich Kaiserlinge und Steinpilze. Am Ende des Urlaubs war eine drei Liter Gefriertüte voll mit getrockneten Pilzen.

Ich mach davon im Winter Pilzrisotto und eine Handvoll kommt auch immer in Braten-fake-Soßen. Jetzt, wo hier niemand mehr Fleisch isst, ist es schon eine kleine Kunst, eine „schmeckt wie…“-Soße zu den Lieblingsklößen hinzubekommen. Oder man gewöhnt sich die Klöße samt dem Rotkraut eben ab. Aber ich finde, das geht zu weit.

(durfte stehen bleiben)

Gestern, einen Tag nach zwei heftigen Sturmtagen, verabschiedete uns das Meerchen mit magischem Licht und…

… einer zauberhaften Aussicht.

Der Blonde hat noch seine Mutprobe (barfuß zehn Schritte durchs Wasser waten) bestanden und dann mussten wir uns wieder verabschieden.

Tschüss Lubmin, auf Wiedersehn!

Das magische Licht begleitete uns bis nach Dresden und heute morgen bereits warfen Zwerge lange Schatten.

Die „Kehrwochen“ beginnen. Am Ende des Jahres werden wir vierzig Abfallsäcke mit Laub weggefahren haben.

Dieser erste Haufen hier und heute ist allerdings zum Spielen für Hund und Kind.

Unser Hündchen wiegt mittlerweile sechsundzwanzig Kilo und hat seinen kleinen Freund damit bereits überholt. Die frisst fünfhundert Gramm Trockenfutter pro Tag und sieht dennoch aus wie ein Gerippe mit Fellbezug. Bei mir ist das anders. Ich esse fünfhundert Gramm Trockenfutter und habe danach zwei Kilo mehr unter dem Fell.

Dieses Licht, oder?!

Ich halte jetzt noch ein bisschen das Gesicht aus dem Fenster, streichele Quitten, die eben vorbeigebracht wurden von lieben Freunden (im Tausch gegen Gelee), sortiere mal die Hausaufgaben vor vom Kind, und dann freue ich mich tatsächlich auf meine Arbeit morgen, ist das zu fassen? Doch, ich schwöre.

Ich wünsche euch einen wunderbaren Wochenstart mit magischem Licht und schaut doch mal bei Alu und Konsti vorbei, die die Wochenenden vieler anderer sammeln.

Bedienungsanleitung für ein ausgeschlafenes Wochenende, unter anderem in Bildern – #wib

Bedienungsanleitung für ein ausgeschlafenes Wochenende, unter anderem in Bildern – #wib

So ein Wochenende beginnt immer Freitagnachmittag, auch bei uns.

Das Blondchen wird gezwungen, seine Brotdose zu leeren, in seinen Mund. Ich habe keine Ahnung, wie der den Tag übersteht mit nur zwei Cocktailtomaten und einem Oreokeks.
Wir fahren gleich zu Karate, vorher wird das Pizzablech bestückt #betterbeprepared

Erste #metime des Wochenendes – der Einkauf! Während das Kind sportelt, spiele ich: Ich packe meinen Koffer-Raum und nehme mit:
Warten auf Karatekid
Der kleine Prinz ist jetzt sauber
„Wer röchelt, fliegt raus!“, lautet das Motto bei Nieselpriems. Kranke werden gnadenlos verbannt aus dem Schlafzimmer. Das ist nicht schlimm, der Mann liegt bequem auf meiner Ausklappcouch im Büro. Ich muss es wissen, denn ich war jetzt fünf Wochen krank und deshalb, siehe oben, ausquartiert. Der Hund schläft regulär im Büro, dem Kind habe ich gesagt, es dürfe am Morgen die dämlichen Pyjamahelden im Pyjama gucken und ich dürfte NICHT (GAR NICHT ÜBERHAUPT NICHT) geweckt werden! Es war nur ein Experiment und siehe da…
… Samstags halb acht in Deutschland, unsere Heldin erwacht, zieht sich die Ohrstöpsel aus den faltigen Ohren und den ersten Kaffee des Tages rein. Es ist schon hell draußen! Leute! Ich hab wirklich ausgeschlafen! Und die Welt ist nicht untergegangen.
Nach einem unspektakulären Frühstück…
… renne ich in der Gegend rum. Da ich ewig nicht laufen war, muss ich eben heute länger ran, der Mann wird später behaupten, ich sei zwei Stunden weg gewesen. Wir halten fest: Ich muss fünfzehn Kilometer gelaufen sein, mindestens. Oder zwischendurch im Solarium gwesen, wer weiß das schon so genau. Ich meine, ich hab heute AUSGESCHLAFEN, ich reiße als nächstes die Weltherrschaft an mich!
Mittag probiere ich eine Brokkoli-Käse-Suppe nach einem Rezept von Martha Steward, die angeblich mit nur einer Handvoll Zutaten auskommen soll. Es schmeckt langweilig – Ausschläfer wie ich haben einen anspruchsvollen Geschmack, deshalb:
… muss es die Geheimwaffe rausreißen! Ich habe immer ein Glas mit Knoblauch-Salz-Schnittlauch-Olivenöl-Gemisch im Kühlschrank, das schütte ich im Zweifelsfall furchtlos über alles #makeknoblauchfahnegreatagain
Und, schmeckts denn? Joar, geht so, gibt hoffentlich noch Kuchen?!
Klar gibts Kuchen, gibt Bienenstich. Das Kind muss ziemlich tapfer sein an diesem Wochenende. Dieses Bild hier (Kind an Matheaufgaben) sieht man häufiger. Das kommt davon, wenn man die Sommerferienaufgabe komplett schwänzt („Das muss ich nicht machen, das ist freiwillig!“) und nun innerhalb einer Woche alle Aufgaben, für die man (es) sechs Wochen Zeit gehabt hätte, erledigen muss. Tscha, Grundschule is kein Ponyhof!
Währenddessen bauen die Männers den Pool im Garten ab…
… die ganze Aktion dauert länger, als der komplette Badespaß im Sommer 2021 zusammen! Schissdrack. Wahrscheinlich trocknet die Scheiße nie und alles schimmelt. Ich hab genug Fantasie, ich seh es schon schimmeln, ich muss weggucken…
… und spiele derweil mit dem Unkraut. Ich winde mich aus der Poolarbeit heraus und stattdessen Kränze.
Einen für die eigene Eingangstür…
… und einen für die Kirche.
Und, Baya, was hast du so gemacht in der Zwischenzeit?
Ach so, verstehe.
Der Blondino und ich haben den Kranz und Kürbisse fürs Erntedankfest in die Kirche gebracht und waren („Voll langweilig! Voll öde!“) spazieren in der beschaulichen Hood. Die Männer arbeiten immer noch im Garten und wenn ich zu zeitig da wieder auftauche, muss ich womöglich irgendwas machen!
Wir haben nachgeschaut, wie weit die Spielplatzbauarbeiten am Hermann-Seidel-Park sind (nicht fertig),
… Verstecker gespielt (Wo ist das Kind?! Egal, geh ich ohne wieder nach Hause… ),
… und erfolglos (zum Glück) versucht, freilaufende Meersauen zu entführen

Am Abend war der Mann bei einem seiner vielen Stammtische (wer für seinen – thematisch völlig egal – Stammtisch noch einen Mann braucht, der melde sich gern), und ich bin mit der Couch verschmolzen (ohne Beweis, ihr werdet es mir schon so glauben müssen).

Weil es in der Nacht zuvor so gut geklappt hat, habe ich wieder das Aufstehen verweigert – erfolgreich – YEAH! Der Hund scheint seit Stunden darauf zu warten, dass ich mich aus dem Bett bewege. Ich werde das zur olympischen Disziplin erklären, wirklich, ich schlafe ab sofort nur noch aus! Ich mache das so lange, bis mein Wochenende in Bildern aus Bettbildern besteht, so! Ich werde das Wochenende ab sofort wie Hefeteig zubringen: Zugedeckt und in Ruhe gelassen. Und da brauchste gar nicht so zu gucken, Hund, wenn ich ausrechne, wie viele Stunden Schlaf ihr Schlafräuber mir alle in den letzten Jahren geklaut habt, und das nachholen wöllte, dann bliebe ich bis Mai nächsten Jahres im Bett! Gute Nacht Johnboy!
Die steht einfach nicht mehr um sechs auf, da guckste.
Ich bin dann doch aufgestanden und zum Erntedankgottesdienst gegangen. Ich habe für vieles zu danken, kein Scheiß jetzt, und da hilft eine Liturgie drumherum mitunter ganz schön, um mir selbst das bewusst zu machen.
Ach, da ist ja auch der Efeukranz von gestern
Mittag gibts vegane Schnitzel, die mir nicht schmecken. Der Mann isst fünf davon.
Nachmittag gehe ich mit den beiden Kleinen in den Wald. Da das Wetter schön ist und alle People wie verrückt zu Fuß und auf Rädern in die Auen strömen, müssen wir den geheimen Wald ansteuern, über den ich nicht sprechen darf, sonst seid ihr dann alle nächstes Wochenende dort. Ich kenn euch doch!
Frage: Was haben: „Komm, Mami, lass uns in diese Schlucht runterklettern! Das wird lustig!“, und: „Henrike lässt sich immer zu leicht ablenken und überreden.“, miteinander zu tun? Am Ende des Nachmittages werde ich dreckverschmiert, schweißüberströmt und lädiert zu Hause ankommen, froh, überlebt zu haben. Dieser Abgrund (des Todes) wurde irgendwann wirklich halsbrecherisch und in einem Moment, wo das Kind bereits auf der anderen Seite eines dicken umgefallen Baumes war und ich gerade darüber klettern wollte, sprang mir der Hund von vorn panisch gegen den Kopf – Punch!- so richtig gegen den rechten Kiefer. Baya the Bud Spencer- dog in: „Vier Pfoten für ein Halleluja“. Ich sah kurz Sterne und kann nicht besonders gut kauen heute. Fühlt sich an wie nach einer Kneipenschlägerei. Ich war nicht mal ansatzweise angeschickert! Lauschiger Sonntagsspaziergang, ey. Na wenigstens war ich ausgeschlafen!
Pilze haben wir auch noch gefunden
Kind an Mathehausaufgaben, ones again
Das Abendbrot bestand aus Abendsalat für den Bärtigen…
… und Abendbrezeln mit Butter for se boys. Dazu heiße Schokolade, ist ja schließlich Herbst!

Ich guck jetzt, wie die ersten Hochrechnungen vom Wahltag sind – wir haben hier per Brief gewählt und waren deshalb heute vom Gang zur Urne entschuldigt – und vielleicht fang ich dann „Ozark“ an. Alternativ könnte ich die Brotdosen für morgen schon mal vorbereiten oder die übervollen Wäschekörbe bearbeiten. Ich denke, es wird „Ozark“.

Jetzt bleibt mir nur, euch und mir einen guten Wochenstart für morgen zu wünschen und wenn ihr auch mal wieder ausschlafen wollt, ihr wisst ja nun, wie´s geht! Alle aus dem Schlafzimmer schmeißen, Ohropax rein, gute Nacht! Eventuell müsst ihr noch die Tür abschließen und gnadenlos einen Schrank von innen gegen die Tür schieben, oder sogar das Haus gänzlich verlassen, die Stadt, egal, ihr schafft das! Wir werden alle irgendwann wieder schlafen, ist das nicht herrlich?!

In diesem Sinne: Gute Nacht!

Das Kinderzimmer makeover

Das Kinderzimmer makeover

(enthält Werbung)

Als unser Blondino im vergangenen Jahr eingeschult wurde, wollten wir ihm ein großer-Junge-Kinderzimmer schenken. Einen Platz, an dem er gerne schreiben und rechnen würde, einen Raum zum ausruhen, träumen und lesen.

Das musste verschoben werden, da Corona dafür sorgte, dass IKEA als bevorzugter Möbelladen nicht an unsere Adresse lieferte. Jetzt erst konnten wir das umsetzen.

Bis dahin war das Kinderzimmer eher ungünstig möbliert, wie wir feststellen mussten. Der Schreibtisch – an sich kein schlechtes Möbel – stand an einem unpassenden Ort und wurde vom Kind nie genutzt. Selbst während der Homeschoolingzeit hat der Blondino ausschließlich am Küchentisch gearbeitet oder neben mir an meinem Schreibtisch.

Hinter der Tür des Kinderzimmers befand sich ein lackiertes Küchenregal, auf dem Bücher platziert waren und zwei Regale – verschenkter Platz, wie ich im Nachhinein befinde!

Den Kleiderschrank aus unbehandeltem Holz hatten wir gekauft, als unser Kleiner ein Baby war und in die alte Wohnung mit den dunklen Böden passte er auch sehr gut. Hier nun wirkte er wie ein Trumm und…

… konnte schon lange kaum noch all die Dinge beherbergen, die ein junger Mann so braucht.

Wir haben den Schrank verschenkt, ein paar wenige Sachen neu gekauft und mit den vorhandenen Stücken Möbeltetris gespielt, et voila!

Das Bett steht jetzt an der Stelle, an der vorher der Schreibtisch war, davor ein schlichtes Bücherregal (Kallax von IKEA).

Der Schreibtisch wurde vom platzraubenden Aufbau befreit und unter das Fenster geschoben, flankiert von zwei Regalen (Kallax und Besta von IKEA). So fällt jetzt Licht auf den Arbeitsplatz und großzügiger wirkt es auch.

Der neue Schrank ist hinter die Tür gezogen. Er besteht aus zwei Schränken (Visthus-Serie von IKEA), nimmt großzügig alle Sachen auf und sich selbst nicht so wichtig. Alles wirkt jetzt größer, ruhiger und leichter.

Der Strahler im Kinderzimmer ist noch Erbmasse der Vormieter, und sollte schon längst ausgetauscht werden.

Und manchmal kommt es vor, dass just eine Kooperationsanfrage im Posteingang eintrudelt und man denkt: Bingo!

So ging es mir, als mich die Firma ELOBRA anschrieb und fragte, ob sie mich mit ihrem Beleuchtungskonzept und ihren Produkten bekannt machen dürfte. Die Möbelkisten für das Kinderzimmer standen bereits im Flur und die alte Funzel sollte runter, also war ich durchaus interessiert. Das alleine hätte aber noch nicht zwangsläufig zur Folge, dass ich euch heute davon berichte.

Ich bin in der Situation, dass ich nicht hauptberuflich blogge und somit auch nicht auf Werbeeinnahmen angewiesen bin. Aus diesem Grund findet man seit Jahren keinen werblicher Beitrag hier. Wenn ich aber etwas richtig dufte finde, dann solltet ihr durchaus davon erfahren!

Das Erzgebirge ist bekannt für seine lange Tradition in Sachen Holzkunst und Volkskunst, Räuchermännchen und Schwibbögen aus dem Erzgebirge zieren tausende Haushalte im Advent. Aus dieser Tradition heraus entstand ELOBRA.

ELOBRA kannte ich vorher nicht, war aber sofort begeistert, als ich las, dass die Lampen und Leuchten im sächsischen Freiberg in Handarbeit und aus ausschließlich nachhaltigen Materialien aus traditioneller Forstwirtschaft gepaart mit effizienter LED-Technik hergestellt werden. Die für die Lampen verwendeten Lacke sind ausnahmslos lösungsmittelfrei auf Wasserbasis. Dazu ist die Produktpalette nicht nur ausnehmend schön, sondern für eine erzgebirgsche Handarbeit auch erstaunlich erschwinglich!

Ich sagte gern zu zu dieser Kooperationsanfrage und entschied mich für unser Kinderzimmer zum Testen für die LED-Deckenleuchte „Wolke“.

Der Bärtige lobte die gute Verarbeitung und die kinderleichte Montage.

Nach wenigen Handgriffen saß unsere neue Wolke dort, wo vorher ein hässlicher Strahler hing.

Die Lampe hat drei Beleuchtungsmodus, die einfach über den Lichtschalter bedient werden. Man kann den LED-Ring einzeln ansteuern und erhält ein etwas helleres Nachtlicht, die Leuchte in der Mitte einzeln, und alles zusammen als dritte Option.

Wir finden das Ergebnis überaus geschmackvoll und passend!

Wie findet ihr das Kinderzimmer? Ich bin sehr überrascht, wie großzügig dieser Raum auf einmal wirkt und unser Blondchen hält sich jetzt deutlich öfter und länger hier auf. Auch die Hausaufgaben macht er nun in seinem Zimmer, an seinem eigenen Schreibtisch.

Neu gekauft haben wir nur ein Kallax-Regal und die Schrankkombination, der Rest war schon da. Die Möbel und auch Teppich, Vorhangstoff, Drehstuhl und Bilder sind allesamt von IKEA und befanden sich schon bei uns im Gebrauch. Und unter dem funkenden Licht der neuen Wolkenlampe hört der Kleine jetzt eine CD von den drei Fragezeichen und träumt sich in Detektivabenteuer hinein.

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Wer von euch neugierig auf die Produkte von ELOBRA geworden ist, dem darf ich in Zusammenarbeit mit ELOBRA einen Rabattcode in Höhe von 15% auf das gesamte Sortiment anbieten, nieselpriem15. Dieser Code ist gültig bis zum 23.12.2021.

Ich würde mich freuen, zu hören, wie ihr die Marke findet und ob ihr ELOBRA vielleicht sogar kanntet. Ich wusste nicht, dass quasi „bei mir um die Ecke“ so schöne Leuchten hergestellt werden und freue mich auch deshalb sehr über diese Partnerschaft, weil ich zukünftig bei jedem weiteren Lampenkauf nicht nur ein nachhaltig erzeugtes Produkt erwerben, sondern auch meine Region unterstützen kann.

Röchelndes Bettgeflüster, oder: Vom Leben mit Hund

Ich bin nun schon die vierte Woche krank, virulent, und irgendwie wird es nicht besser, sondern schlechter. Das Gesicht ist dick, die Nebenhöhlen dicht und warum ich eine Nase im Gesicht habe, das erschließt sich mir nicht. Ich rieche nichts, ich schmecke nichts. Gestern Abend zum Beispiel löffelte ich lustlos in einem Becher Schokoladeneis und stellte fest, es schmeckte: Kalt! Sonst nichts. Das war seltsam. Der Löffel voll mit Nudossi, den ich im Anschluss als Geschmackstest ebenfalls in den Mund steckte, rief das Gefühl in mir hervor, auf Schlamm oder Lehm herumzulutschen. Temperatur und Konsistenz sind alles, was ich wahrnehme. Ich rieche nicht mal Hundekacke, was mich nicht nur zur Kotentsorgungsverantwortlichen macht, sondern hier auch als Überleitung dient.

Denn, ich habe meine Lädiertheit zum Anlass genommen, das Laptop entsprechend seiner namentlich angedachten Funktion auf den Schoß zu legen und im Bett zu bloggen – eine Premiere!

Wer mir auf Instagram folgt, weiß es schon vom ersten Tag an: wir haben seit dem ersten Mai ein Weimaranermädchen hier bei uns. Sie heißt Baya und ist eine Badenserin, keine Thüringerin. Ihre Mutter und Tante sehen aus wie graue Doggen von der Größe her, was wir allerdings erst bemerkten, als wir das Welpenkind abholten! Dank Corona hatten wir vor dem Kauf keine Gelegenheit, den Wurf zu betrachten und mussten alles fernmündlich und nach Betrachtung von Videos entscheiden.

Wir haben uns ein Jahr lang mit dem Weimaraner als Rasse beschäftigt, und uns lange vergeblich auf Wartelisten und Wurfankündigungsbewerbungslisten gesetzt. Nach unendlichen Rückschlägen dann waren wir schwanger und kurz darauf purzelten aus der badischen Entfernung täglich goldige Filmchen ein.

Zum Beispiel solche (pardon the furchtbar miese quality):

Wir waren verzückt! Nun ist es dank Corona und der Entfernung nicht möglich gewesen, den Wurf zu besuchen bis zur endgültigen Abholung, sodass wir schlussendlich die Katze im Sack kauften, den Weimaraner im Korb. Und der war dann tatsächlich gar nicht mehr soooo klein, wie (ein bisschen) erhofft. Sie wog am Tag des Einzuges bereits acht Kilo und war größer, als dass ich sie hätte in eine Hundetasche stecken können. Was ich annahm, dass ich es tun würden täte, als ich noch auf sie wartete und idiotische Pläne schmiedete über das Leben mit Hund.

Ich war sehr müde an dem Tag, und glücklich, also alles wie immer, wenn Nachwuchs kommt!

Der Vergleich sollte auch die kommenden Wochen standhalten, was ich noch nicht ahnte. Zum Glück. Irgendwann später mal erzählte mir eine Psychotherapeutin, dass es den Begriff der „postpartalen Depression“ tatsächlich auch bei Hundebesitzern gäbe, klingt verrückt, aber genauso hab ich mich gefühlt!

Der Babyhund hatte nicht nur rund um die Uhr Betreuung nötig, sondern auch Schutz, vor dem Blondino zum Beispiel. Der wollte den Babyhund am liebsten permanent befummeln und herumtragen! Das gefiel dem Hund zwar, allerdings hatten die scharfen Krallen und spitzen Zähnchen des Milchgebisses bald nicht nur an allen erwachsenen Händen und Armen und Beinen und Rücken (ach, ihr habt Fantasie, erweitert beliebig) hinterlassen, sondern auch auf der zarten Kinderhaut. Es gab ständig Geschrei, wie böse der plöte Hund sei, und im nächsten Augenblick – Zack!- war das Kind wieder dran am Korb.

Die vielen Treppen in unserem Haus waren auch ein Problem. Also nicht für Baya, die enterte die Stufen problemlos und unerwünschterweise bereits ab dem zweiten Tag bei uns, also im zarten Alter von acht Wochen. Nur kam sie am Anfang nicht wieder herunter! Also traute sich nicht. Dann traute sie sich zwar, sollte das doch aber nicht, wegen den Gelenken, der Hüfte! Kindersicherungen wurden konzipiert und wieder verworfen, wir müssen eigentlich ständig treppauf treppab. Also schleppten wir fortan den ganzen Tag einen Welpen mit uns herum. Einen Welpen, der sehr schnell zunahm und sehr schnell sehr schwer war. Und sehr süß. Das auch.

Wir waren von Anfang an streng. Sie darf nicht auf die Couch! Also nie. Wie man deutlich an dem Foto sieht, hat sie das nicht interessiert. Weil, die Sonne schien doch! Guck doch mal, wie schön das ist! Und ich muss immer auf einem Sonnenfleck liegen, das hat meine Mami gesagt! Als ich dieses Foto oben machte, rief ich sie beim Namen, was sie schon verstand, sie guckte einfach nicht zu mir, getreu dem Motto, ich höre dich gar nicht, Frau mit den gelben Haaren. Es ist so schön hier auf dieser Decke, auf dieser Couch! Und guck mal, wie süß ich bin, du darfst mir nichts verbieten. Guck doch mal, wie ich gucke!

Das war auch ein Problem: Die übergriffigen Menschen. Gingen wir mit der Grauen raus, stürzten wildfremde Menschen herbei und grabschten an den Hund (der sich natürlich immer freute), eititei, wie süß du bist! Wir mussten ständig die Leute erziehen, und das klappte etwa so prima wie bei unseren Kindern, also eher schlecht. Gut war, wenn ich jemandem erklärt habe, dass der Hund nicht lernen soll, dass fremde Menschen immer Streicheleinheiten parat hätten, denn ich könnte mir nicht vorstellen, dass die fremde Person sich noch immer so übergebührlich freuen wird, wenn die kleine Baya dann ausgewachsen mit mindestens fünfunddreißig Kilo auf sie zustürzen wird. Das Gute war, das brachte stets Einsicht bei den Menschen. Das Schlechte daran, diesen Text sagten wir sehr oft auf.

Aber die Zeit spielt uns da ja in die Karten. Bereits jetzt wechseln manche Menschen die Straßenseite, wenn wir kommen. Sie ist schon ein eher mittelgroßer, langbeiniger Hund mit ihren sechs Monaten und wiegt bereits dreiundzwanzig Kilo.

Die blauen Weimaranerwelpenaugen sind einem Bernsteinton gewichen, der Brustkorb ist tief und bereits jetzt mächtig breit.

Sie ist eine beeindruckende Schönheit, was selbst andere Weimaranerbesitzer (- betreuer) beteuern.

(Nur wenn sie sich schämt oder Blödsinn angestellt hat, sie sieht voll affig aus. Dann streckt sie den langen Hals nach vorn, die Rute nach hinten und läuft quasi Rute-Körper-Hals-Kopf bilden eine Linie wie bedröppelt herum und ich finde, sie sieht dann aus wie eine laufende Biertischgarnitur! In grau!)

Dabei hat sie ein ganz zauberhaftes Wesen. Sie ist scheu, aber nicht ängstlich. Super anschmiegsam und sehr gelehrig. Sie bellt nicht, sie fiept selten, sie will einfach nur gefallen. „Baya, unser Stelzbein, ist ein wirklich angenehmer Hund!“, sagte neulich der Betreuer in der Hundetagesstätte, wo die Graue zweimal in der Woche hingeht, und ich war ganz schön stolz. Affig, ich weiß, aber was soll man machen, wenn einen schon die Kinder nicht stolz machen und es in der Schule nur Früchtchengespräche gibt, die beginnen mit: „Ihr Kind hat…!“. Dann muss mich eben der Hund mit tadellosem Verhalten mit Stolz erfüllen. Dann kann ich sagen, es liegt nicht an mir, guck, der Hund ist prima erzogen! Kleine Scherz. Ich kann die Kinder immer noch mehr leiden als den Hund. Also meistens.

Was man wissen sollte, wenn man sich in die Rasse verliebt ist nicht nur der Umstand, dass diese Tiere viel Beschäftigung brauchen für den Kopf, die Nase. Auch als „grauer Schatten“ bezeichnet man sie, und das sieht so aus, dass Baya uns alle auf Schritt und Tritt folgt, ganz egal, wie absurd das ist. Also auch dann, wenn ich nur aus der Küche in die Kammer gehe um Mehl zu holen, sie latscht hinterher. Alleine aufs Klo gehen habe ich mir ja zum Glück noch nicht wieder angewöhnt, denn das werde ich nie wieder. Sie hockt sich vor mich hin, ganz egal, was ich mache. Nur das liebevolle Abschleckern meiner nackten Knie, wenn ich auf der Schüssel hocke, das musste ich ihr verbieten – also irgendwo ist mal Schluss!

Wir haben drei identische Hundekörbchen im Haus verteilt, sodass sie auf jeder Etage eine Ruhezone hat.

Beim alleine Einschlafen haben wir das so gemacht, dass sie die ersten Wochen bei uns im Schlafzimmer ruhte in einem der drei Körbe, und wir den dann immer weiter aus dem Zimmer zogen, bis sie nun in meinem Büro schläft (da liegt sie jetzt auch neben mir, während ich schreibe). Das klappt alles, also jetzt.

Denn bis der Hund aus dem Schlafzimmer auszog, vergingen einige Wochen. Wochen, die immer länger wurden, denn ich genierte mich. Kaum fingen der Kerl und ich an zu fummeln, wollte der Hund mitmachen! Auf irgendeinem Schoß sitzen! Auch knutschen! Schubsten wir sie weg, fiepte sie. Das hielt ja keiner aus. Irgendwann – es nützte ja nichts – wir also bei der Sache, der Hund hatte mittlerweile gecheckt, dass unser Bett TABU mit Großbuchstaben ist, da steht sie am Bettende und guckt in „Pass auf!“-Haltung ganz genau, wer hier wem weh tut und ob sie vielleicht einschreiten müsse. Und kurz bevor die Blitze und das Feuerwerk kamen, also in dem Moment, wo man die Augen nicht mehr aufhalten kann, dann spurtete die um das Bett herum, vor, zurück, Kopf und Rute hoch und hat Alarm angezeigt! Radau gemacht! Hülfe, zu Hülfe! Die neue Mami ist in Gefahr! WUFFWUFFWUFF!

„Le petit mort“, der kleine Tod, so nennen die Franzosen den Orgasmus. Braucht keiner, habe ich beschlossen. Ich habe jetzt einen Weimaraner, der will auch kuscheln, eigentlich permanent. Reicht doch!

Was hat die letzten Wochen noch genervt? Magen-Darm-Infekt beim Hund, das ekligste überhaupt. Dann überhaupt diese Haufen! Baya kackt Riesenfladen, die mich an Kuhkacke erinnert, nicht an Hundehaufen. Sie verträgt nur eine einzige Sorte Futter, sonst kotzt und kackt sie mengenmäßig täglich ihr eigenes Gewicht, überall (hier Würgegeräusch vorstellen). Was noch? Ganz klar halb sechs aufstehen, also am Wochenende, in der Woche tut sie, als wäre sie ein Langschläfer, wie das Kind!

aktuelle Spitznamen: Stelze, Stelzbein, Köti, „mein Meeeedschn“, Bayanator, Bayakowskaja, Fiffi

Jetzt seid ihr erst mal im Bilde. Wie das mit der Grauen hier weitergeht, das könnt ihr zum Beispiel bei Instagram verfolgen, wenn euch das Warten auf einen neuen Blogpost zu lange erscheint. Ich poste ziemlich regelmäßig dort, fürs Blöggel bleibt leider aktuell viel zu wenig Zeit. Das ist alles Netflixens Schuld im übrigen. Seit es Netflix gibt, bin ich seltener Blogger, dafür öfter Netflixer! Ich gelobe Besserung. Ich hoffe, wir lesen uns bald!

Achtsam wechseln Teil 3 (das faltige Ende der Trilogie)

Diesen Beitrag hier habe ich in tagelanger Schreibarbeit geschrieben, um ihn danach zu löschen. Und nun steht jetzt hier etwas anderes.

Tja, warum? Weil ich feststellen musste, dass ich mich ins Ratschlagen begeben habe, ganz unabsichtlich. Und nein, das möchte ich nicht. Ratschläge sind auch Schläge.

Was anderes wäre es, säßen wir bei mir auf der Couch, einen Entwässerungstee oder ein großes Glas Klosterfrau Melissengeist (wer´s glaubt) auf den faltigen Knien und wir würden einfach nur quatschen. Dann könnten wir frei reden und vielleicht wirklich Tipps austauschen und Visitenkarten vom Doktorchen, der das Gesicht glättet, einfach nur durch Handauflegen, zum Beispiel. Tja, aber das ist hier das Internet, niemand weiß so genau, wer das alles liest, ganz so privat ist das alles nun doch nicht.

Außerdem: Niemand von euch läuft mit meiner Haut herum, nur ich alleine. Also wozu soll ich euch schreiben, was ich mir ins Gesicht schmiere! Allenfalls könnte ich euch meine Meinung sagen, und die ist: Ich habe wirklich alle Produkte gekauft, die versprachen, gegen Falten und Hautalterung wirken zu können und sage heute: Die lügen alle! Nichts, was man obendrauf schmiert, verändert wirklich die Hautstruktur. Keine Creme für zwei Euro und auch keine für zweihundert. Ich habe es probiert, jahrzehntelang!

Ich könnte euch erzählen, dass ich irgendwann bei der Hautärztin mit der porenfreien, makellosen Haut saß und fragte, was ich da tun könnte. Dagegen. Gegen Falten zum Beispiel. Sie murmelte gelangweilt ohne aufzusehen etwas von: „… Feuchtigkeit, viel trinken, Lichtschutzfaktor…“.

Das war mir zu wenig. Ich sagte: „Was, wenn sie morgen früh aufwachen und im Spiegel sehen sie mein Gesicht? Womit würden sie dieses Gesicht pflegen?“. Da schaute sie auf einmal interessierter, nahm den großen Block und fing an zu schreiben. Nicht alles, was sie für „unser“ Gesicht empfahl, fand ich nach dem Ausprobieren prima (zum Beispiel stand sie sehr auf chemische Peelings, ich finde aber, ein ausgebleichtes Gesicht steht mir nicht), allerdings steht wohl unumstritten fest, dass ein Hautarzt wohl die beste Expertise hat hinsichtlich der Haut. Just saying, ohne Ratschlag.

Ich könnte euch erzählen, dass ich bei einem weiteren Arzt war, der im übrigen – bevor die Frage aufkommt – Schulmediziner mit Approbation ist und sich selbst als „Anti-Aging-Papst von Dresden“ betitelt. Dieser Typ ist ein Mann mit unschätzbarem Alter, was seiner Passion sehr entgegen kommt. Er propagiert das Heil und die ewige Jugend durch die Einnahme hochdosierter Vitamine und Mineralstoffe.

Das Gute war, er hat einen wirklich sehr umfangreichen Bluttest bei mir gemacht, der auch den Mineralstoffhaushalt und alle Parameter, die nie abgefragt werden, beinhaltete. Da war doch tatsächlich diverser Mangel erkennbar. Ob der nur tagesaktuell war und überhaupt irgendeine Relevanz auf meine Gesundheit hat, keiner weiß es. Glauben war da auch die Devise. Seitdem habe ich den teuersten Urin der Stadt, muss aber sagen, dass ich zumindest hinsichtlich meines Wohlbefindens einen Unterschied merke, zu merken behaupte. Ja, lacht ruhig! Wenigstens kaufe ich keinen Jaderoller für den „Glow“!

Ich könnte euch erzählen, fallt nicht auf irgendwelche Werbung ein, die euch suggeriert, um den „Glow“ zu bekommen, braucht ihr Massageroller aus Jadegestein für hundertfuffzisch Euro. Eine Bürste vom Drogisten für zwei Euro macht den gleichen Job. Ach, ihr wisst das selber. Aber wir sind verzweifelt, ich weiß.

Lasst euch nicht die Kröten aus der Tasche ziehen, investiert die lieber in feine Kaschmirpullis, die auch schmeicheln oder einen harten TRX-Kurs, der euch den stählernen Körper einer Dreißigjährigen verschafft, dann könnt ihr auch löchrige Jeans tragen wir Dreißigjährige. Falls ihr das wollt. Und Sport macht ja tatsächlich gut durchblutete Haut, der Glow kommt dann von selbst.

kann peelen, Produkte einmassieren, macht „Glow“, kostet nur zwei Euro

Ähnliches gilt für Wimpernseren für sehr viel Geld. Könnt ihr machen, na klar, aber schon meine Oma wusste, dafür eignet sich Rizinusöl ganz hervorragend! Dieses hier zum Beispiel kommt sogar mit einem Wimpernbürstchen daher, was ich persönlich nicht brauche, denn ich massiere mir das einfach um die Augen. Brennt nicht, riecht fast gar nicht und erfüllt seinen Zweck: Ausgedünnte und abgebrochene Wimpern wieder auffüllen. Kostet unter zehn Euro und in der Apotheke verkauft man euch bestimmt auch eine Kleinstmenge, denn für diesen Zweck hier braucht man einfach nur ganz wenig. Aber ihr könnt natürlich auch das schicke Wimpernserum kaufen. Wer bin denn ich, dass ich hier Empfehlungen verteilen könnte. Ich sag ja nur.

Die Haare fallen oben aus und wachsen irgendwo als Backenbart oder Kinnbehaarung wieder nach – scheiß drauf, das überleben wir! Zupfen hier und auffüllen da, man hat gut zu tun, wenn einem nicht alles egal ist, was mit dem Körper so passiert. Das ist ein full-time-Job. Die Zeiten, in den ich achtlos morgens um zwei nach eine Feiernacht und fünf Bier geschminkt ins Bett fiel, sind lange vorbei! Das heißt nicht, dass ich keinen Spaß mehr habe, aber eben disziplinierteren, wenn man so möchte.

Das hier unten ist Oma Else mit Ende vierzig, an der Hand die kleine Rike. Else trug damals eine praktische Kurzhaarfrisur und praktische Schuhe.

Oma Else mit 48 Jahren, an der Hand die kleine Rike

Die kleine Rike verweigert mit Anfang fünfzig beides – Kurzhaarfrisur und praktische Schuhe!

Wechseljahre, das ist auch die Zeit, wo Frau mitunter einiges wechselt: Lebensgewohnheiten, Partner, Job. Das liest man gelegentlich. So eine Umbruchzeit ist auch wirklich eine gute Zeit, um Inventur zu machen. Es ändert sich so viel im Innen, im Außen, Aufruhr herrscht in den Gefühlen. Ich glaube, wir verändern uns derart krass das zweite Mal seit der Pubertät, das kann durchaus Veränderungen im Lebensentwurf zur Folge haben. Das Nest leert sich, die primären Geschlechtsmerkmale sind nicht mehr für ihre Bestimmung zu gebrauchen – Ha! -aber dafür für Party! Na gut, wenn dir nicht gerade irgendwas weh tut. Der Rücken, der Kopf, der Unterleib, die Knie, die Hüfte…

Es gibt den Begriff des „cougar“ für eine „ältere“ Frau, die wie ein Puma auf Jagd geht nach jüngeren Sexualpartnern. Und eine Leserin mit dem Avatarnamen Fujolan schrieb in einem Kommentar unter dem letzten Wechseljahresbeitrag, sie hätte (Zitat): „…Richtig richtig übelst viel Lust auf Sex. An manchen Tagen fast dauernd. Harrrr (die Männer ergriffen die Flucht)…“. Ich fand das Bild herrlich amüsant! Männer auf der Flucht.

Wahrscheinlich ist, dass es alles gibt. Ich persönlich möchte auch diesbezüglich meine jungen Jahre nicht zurück, das erinnert mich irgendwie an fast food: zu viel, zu ungesund, zu viel Reue hinterher. Ich finde es durchaus befreiend, ein Gespräch mit einem Mann zu führen und es schwingt rein gar nichts Sexuelles mit. Es wurde mir erstaunlicherweise erst klar, dass das so war, als es dann auf einmal nicht mehr so war! Und ich hätte früher angenommen, dass mich der Verlust des Begehrtseins sehr treffen würde, tut es aber gar nicht. Ich werde immer noch wahrgenommen, für andere Aspekte meiner Persönlichkeit, und ich möchte nicht zurücktauschen. Oder nur selten. Und das stimmt.

Ich glaube, es ist alles gesagt, alles geschrieben. Vielleicht noch nichts zu der sich – zum Glück – ändernden Rolle der Frau in der Gesellschaft, was auch die unsichtbaren Frauen jenseits des großen run auf das Supersperma angeht, aber das bearbeiten wir andermal. Vielleicht. Oder ihr schreibt selber ein Kapitel mit, indem ihr laut werdet, sichtbar bleibt! Euch nicht in einer beigefarbenen Parallelwelt abkapselt. Das wäre schön.

Zum Abschluss die Hymne der Wechselweiber, danke sehr an Katharina, die das gefunden hat. Viel Spaß dabei. Und das ist auch das Credo: Bloß nicht den Spaß verlieren! Du bist nicht alleine. Und ich auch nicht. Und egal, welches peinliche Zipperlein dich plagt, es ist nicht exklusiv! Irgendeine von uns hatte das auch schon. Fühl dich eingeladen, die Kommentarfunktion hier hemmungslos zu nutzen, falls dir danach ist.

Über Pfingsten 2021, August 1982, Funktionskleidung und Biergartentrainig #wib

Das Pfingstfest fiel in diesem Jahr wieder -Hört, hört! – auf ein dreitägiges Wochenende und alle freuen sich über den zusätzlich freien Montag, auch wenn sie den Hintergrund dieses Feiertages womöglich nicht kennen. Um eventuell vorhandene Wissenslücken hier zu schließen: An Pfingsten feiern die Christen das Kommen/ die Ankunft des Heiligen Geistes, auch „der Geist Gottes“ genannt. Es ist dieses Gefühl, was uns tröstet, leitet, mahnt. Atheisten würden das vielleicht mit dem Bauchgefühl oder einer inneren Stimme gleichsetzen.

So, das hätten wir. Wer frei haben will, sollte zumindest im Geiste (dem eigenen) eine wohlwollend tolerante Haltung gegenüber dem kirchlichen Ursprung des Feiertages haben, oder? Gern geschehen.

Bestimmt fragt ihr euch, wann denn der dritte Teil der Wechseljahressaga endlich kommt und warum ich hier ständig Wochenenden verblogge. Ersteres ist schon da, nur noch nicht fertig und zweitens weil die Zeit rast und die Kinder und das Leben sich ständig in Veränderung befinden. „Man muss sich beeilen, wenn man etwas sehen will. Alles verschwindet.“, wusste schon der Paul Cézanne.

Auch ein Feiertagswochenende beginnt in Laufschuhen.

diese Schuhe könnten mal gereinigt werden

Beim Heimkommen erwarten mich Besucherschuhe, sie haben frische Semmeln mitgebracht.

diese Schuhe haben Frühstück mitgebracht

Mittags haben der Mann und ich unseren ersten Impftermin im Dresdner Messezentrum, das zu diesem Zwecke in eine durchorganisierte, durch die Bundeswehr unterstützte, ein wenig endzeitstimmungsverbreitende Notfallhalle umstrukturiert wurde.

Wir hoffen nun zeitnah auf einen freigegebenen Impfstoff für Kinder, da unser Blondchen Asthmatiker ist und in seinem kurzen Leben bereits mehrere Lungenentzündungen hatte und, wäre er erwachsen, eindeutig zur Risikogruppe gehören würde.

Wir sind froh, dass es endlich (!) soweit ist, dass wenigstens wir Eltern geimpft werden konnten. Ich habe heute mit einer Kollegin in Indien gechattet, die dortigen Probleme machen mich demütig, wenngleich sie nicht als Entschuldigung herhalten, was die Entscheidungen unserer Regierung in den letzten fünfzehn Monaten anbelangt.

diese Schuhe stehen im Impfzentrum

Nachmittags regnet es und wir sind auf dem Dachboden und sporteln.

dies ist ein weiteres Paar Sportschuhe, für aneroben Sport konzipiert

Ich glaube ja nicht an Funktionsbekleidung. Das steht natürlich in krassem Widerspruch zu all dem Equipment, das sich in unserem Hause befindet, ich weiß das! Aber generell ist das alles Humbug. Der Turnvater Jahn wusste nichts von Polyester und Täve Schur nichts von Polyamid. Und Maxi Gnaucks Gymnastikanzug hatte bestimmt keine elastischen Fasern aus Weltraumgestein, bei Vollmond zu unsichtbarem Gespinst verzwirnt! Also echt mal.

Das ist doch wie mit dem ganzen Allergiezeug. Heutzutage hat doch gefühlt jeder zweite Mensch eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, und anstatt dass geschaut wird, wie es dazu kommen konnte und an den Ursachen bei der Lebensmittelherstellung gedreht wird, nein – ZACK!- ein neuer Absatzmarkt ist geschaffen! Glutenfreie Produkte, die noch mehr kosten als die glutenhaltigen stehen für die geplagten Menschen in zehn Metern Regal bereit, gleich neben den laktosefreien Produkten. Das ist ein Lehrstück in Kapitalismus und Marketing. Erst ein Problem schaffen und dann mit der Lösung sauviel Geld scheffeln.

Ich schweife ab. Wer von euch hat meinen roten Faden?!

Aber bevor ich wieder zum Wochenende im Jahre zwannscheenunzwannsch zurückkomme, hier noch mal ein Videobeweis. Ich bezweifle, dass die heutigen Kinder sportlicher sind in ihren Hightechfasern und doppelt gedämpften Sportschuhen, für jede Sportart ein extra Paar. Auf jeden Fall habt ihr was zu lachen, und Lachen ist systemrelevant! Auf gehts:

Ich war bei diesem Mega-Event „Pioniertreffen 1982 in Dresden“, damals bei der Sportwerbegruppe, die im Heinz-Steyer-Stadion Runden turnte und Rhönrad fuhr, während das DDR-Fernsehen leider am Elbufer filmte. Ich bin also hier nicht zu sehen. Und da niemand dort im Stadion ein Handy mit Kamera dabei hatte, gibts auch keine Selfies von mir als Zwölfjährige im Gymnastikanzug mit Emblem vorne dran, „SG Lokomotive Dresden“, das hat die Mutti aufgenäht und der gute Gymnastikanzug wurde auch nur bei Wettkämpfen getragen. Beim Training ging ich im „Nicki“, an den Beinen selbstgemachte Stulpen aus Bergsteigerstrümpfen, bei denen die Füße abgeschnitten worden und unten dann ein Schlüpfergummi drangenäht – Turnerin fertig!

Zurück zum Heute.

Der Weimaraner denkt, er sei wahlweise ein galoppierendes Rennpferd in Miniatur oder eine Katze, die sich sofort auf jedem Schoß einrollt, der sich ihr bietet. Außerdem zeigt sie das unmögliche Verhalten, dass sie jeder fremden Person auf der Straße, die sich hinhockt und das Hundchen anspricht, um den Hals fällt und sie abschleckert. Ich empöre mich! Hauptsächlich über die übergriffigen Menschen, aber der Hund kriegt auch sein Fett ab. Also wer gerne von unserem Hundebaby geknutscht werden will, sollte sich auch beeilen, das trainieren wir der ab!

FASS, BAYA, FASS! DU BIST EIN PÖSER GEFÄHRLICHER HUND!

Weimaranerkatze

Wir haben auch an diesem Wochenende Biergartentrainig mit der Grauen gemacht. Das ist wichtig! Denn der Hund muss ja lernen, wo sein Platz ist, und der Platz unseres Hundes ist im Biergarten zwischen unseren Stühlen – das muss man üben, und oft wiederholen! Besonders der Mann musste hart überredet werden, gestern schon wieder Bier zu trinken. Die Kinder haben wir sich selbst überlassen, der Älteste hatte das Sagen. Dem Hund haben wir ein Stück getrocknetes Reh überlassen, ich hatte drei Kugeln Eis, der Mann drei Kugeln Bier.

Biergartentraining

Außerdem waren wir gestern auf Wandertag. Das Blondchen braucht dringend Exklusivzeit mit uns Alten, da es gefühlt den ganzen Tag nur Gemecker gibt. Es fällt dem Kind wirklich schwer, sich adäquat gegenüber dem Hund zu benehmen, was schwierig ist, denn in einem Jahr wird der Hund größer und schwerer sein als unser eigenes hausgemachtes Junges!

Wir haben im Vorfeld mit einer App das Verhalten geübt, alles immer wieder besprochen, dennoch, es bleibt auch in Woche vier noch aufregend. Deshalb hieß es mehrmals auch an diesem Wochenende: „Geh nach oben auf dein Zimmer und schreib die Hunderegeln ab!“, was für uns zwei Dinge vereint: Erstens werden wildes Kind und aufgeregter Hund getrennt, und zweitens erhoffen wir uns von der permanenten Wiederholung des Abschreibens irgendwann einen Lerneffekt.

Hunderegeln; nicht für den Hund

Jedenfalls waren wir mit dem Kind und ohne Hund mit der Dresdner Schwebebahn fahren, die im übrigen die älteste der Welt ist. Das war schön und vor allem entspannend, weil wir früh dran waren und deshalb alleine dort.

Bärtiger Passagier beim Betreten der Schwebebahn
Blick von der Station ins Tal
Gegenverkehr; Geisterbahn ohne Passagiere
Heute nicht!

Zu Hause erwarteten uns Bubi und Baya, und letztere tat so, als seien wir mindestens drei Tage weg gewesen, nicht drei Stunden!

Kraulst du mich jetzt endlich?

Außerdem waren wir das erste Mal mit der Baya an der Schleppleine auf den ungemähten Elbwiesen (Ein Spaß!), es gab sicher auch dreimal am Tag was zu essen, was, das habe ich vergessen, und wer am nächsten Wochenende auch mit einer Bergbahn fahren will, dem sei gesagt, die Standseilbahn öffnet erst wieder Mitte Juni, die Schwebebahn ist ab morgens um acht fahrbereit und leer zu dieser Zeit.

Oben an der Station empfiehlt sich der kurze Spaziergang die Sierksstraße bergauf zum nahegelegenen Spielplatz. Dieser ist neu gemacht worden und eignet sich aufgrund der neuen Kletterfeatures auch für größere Kinder.

Mehr Ausflugstipps für Menschen mit Kindern findet ihr in diesem Büchlein, dass meine Bloggerkollegin Jenny vom Weltwundererblog geschrieben hat.

111 Orte für Kinder in Dresden, die man gesehen haben muss
(c) Thalia

Jenny kenne ich durch die Dresdner Bloggertreffen, die in Friedenszeiten immer regelmäßig durch die liebe Elbmargarita organisiert wurden und hoffentlich bald wieder werden. Dort habe ich schon viele interessante Dresdner Menschen und ihre Blogs kennengelernt, wie Birgit von Livona, oder Jan vom Neustadtgeflüster und Chris von Kleinstadtgedanken. Simone, die Eventagentin, ist nun ja wieder zurück ins Rheinland gezogen, bleibt aber für immer Herzensdresdnerin und wird wohl zukünftig via Skype zu den Dresdner Bloggertreffen hinzugeholt.

Meinen Aufreger des Wochenendes will ich euch auch nicht vorenthalten. Es war dieses Filmchen hier, und besonders die Auslegung des Begriffes „Nachhaltigkeit“ unseres grünen (!) Baubürgermeisters macht, dass mir die Galle hochkommt! Gibts schon eine Petition geben den Unsinn?! Ja? Nein! Vielleicht?!

Über Kreisläufe und Kreisläufer

Sport frei!

Ich renne mittlerweile fast täglich, das brauche ich für meinen inneren Frieden. Und zum Wachwerden. Und zum Nichtdurchdrehen in der Pandemie.

Seit wir vor fast fünf Jahren nach Blasewitz gezogen sind, laufe ich meine Runden im Waldpark.

Laufstrecke um den Dresdner Waldpark; 2km

Früher, als wir noch in Pieschen wohnten, lief ich an der Elbe entlang. Manchmal in Richtung Stadt, auf die weltberühmte Canalettosicht zu, meistens allerdings in die andere Richtung, wie auch oft schon hier fotodokumentiert wurde. Ich lief damals nicht täglich, dafür aber länger und weiter. Ich kam mehr „rum“ damals. Früher war eben alles besser.

Jetzt laufe ich im Waldpark im Kreis, eigentlich in einer Ovalform, immer drum herum um den Park. Dem Mann ist das zu langweilig, der läuft auf dem Elberadweg (den finde ich doof wegen den ganzen Spaziergängern und gefährlich wegen den Rennradrasern), ich laufe lieber im Kreis, im Wald.

Nun tue ich das nicht alleine, nur in den ganz frühen Morgenstunden vielleicht. Nein, es laufen und walken jede Menge andere Menschen mit mir in Runden á zwei Kilometer. Manche von ihnen sehe ich regelmäßig, andere nur zu bestimmten Zeiten im Jahr. Es ist wie ein Kreislauf bei den Kreisläufern.

Da gibt es die Neujahrsläufer, die pünktlich zum zweiten Januar beginnen ihre guten Vorsätze umzusetzen. Und komm, also zwei Kilometer, das schafft ja wohl jeder! Im Mai sind die dann wieder verschwunden und werden abgelöst durch die Sommerfigurläufer, die meinen, jetzt könnte und müsste man und auf, los gehts! Der Sommer naht! Im Sommer, wenn die Temperaturen zwischen dreißig und vierzig Grad angekommen sind, sind diese du-hast-ja-ein-Ziel-vor-den-Augen-Läufer wieder verschwunden. Ob sie ihr Ziel erreicht haben, ist nicht überliefert. Dann gibt es da noch schnatternde Grüppchen von walkenden Frauen, denen vor allem der gesellige Aspekt das Zusammenseins wichtig erscheint, ein paar Rentner, denen ich regelmäßig begegne und die mit Stöcken oder energisch schwingenden Armen den sportlichen Aspekt ihres Unterfangens unterstreichen. Nicht nötig, denn sie sind an ihrer bunten Polyesterkleidung als ernstzunehmende Sportler von weitem erkennbar.

Nach der ersten Runde begegne ich der Hälfte von ihnen schon nicht mehr, nach der zweiten Runde sind sie spätestens alle verschwunden. Länger als drei Runden läuft kaum jemand im Waldpark, dann lernt man wieder neue Leute kennen unterwegs. Die echten Langstreckenläufer laufen alle auf dem Elberadweg, oder daneben.

Nun ist es so, dass ich es gewohnt bin, dass man sich grüßt unter Sportlern. Früher in Pieschen hob man lässig einen Unterarm mitsamt der Hand, begegnete man als joggende Person einer ebensolchen. Der Mann berichtet, das sei auch übliches Vorgehen auf dem Elberadweg! Allein, die Waldparkrunners scheinen das nicht zu wissen. Da ich mich aber irgendwie nicht umgewöhnen kann, kommt es nahezu täglich zu der peinlichen Situation, dass ich wildfremde schwitzende Menschen im Park grüße. Ich kann nicht anders! Wahrscheinlich wird vor mir mittlerweile ebenso gewarnt wie vor dem seltsamen kleinen Mann, der mit zerzausten Haaren und abgeranzten Sachen durch den Waldpark sportgeht (oder etwas ähnliches), und dabei ganz wild mit den Armen rudert – ich zumindest habe etwas Angst vor ihm.

In den „Statuten zum freundlichen Miteinander“ steht geschrieben, begegnet man als Sport treibende Person einer anderen Person bei der Ausübung der gleichen oder einer artverwandten Ertüchtigung, so bietet sich eine der folgenden Grußformeln an:

„Morgen!“

„Moin!“

„Tach!“

„Hallo!“

„Servus!“

„Gruezi!“

„Grüß Gott!“

„Gutes Tempo!“

„Gutes Wetter heute!“

„Hast du meinen Hund gesehen?“

„Läufst du schon oder walkst du noch?“

„Soll ich den Taschendefibrillator rausholen?“

Und während eines Überholvorgangs bietet sich ein motivierender Gruß an, in etwa so:

„Ziiiiieh!“

„Was machst du, wenn du nicht mehr weiter kannst? Weiiiiiter!“

„Schnell! Da hinten gibts was umsonst!“

Nein, diese Statuten gibts natürlich (noch) nicht, das hab ich mir gerade ausgedacht! Suche auf diesem Weg eine Person mit Drucker, Laminiergerät und Tagesfreizeit, die diese Statuten in Sichthöhe im Waldpark aufhängt.

Und ansonsten: Wenn euch demnächst eine wildfremde Frau im Waldpark grüßt, keine Angst, die tut nix! Das bin nur ich. Ich kann einfach nicht anders.

„Tach!“.

Wochenende mit fast ohne Bildern, irgendwann im Corona-Mai 2021

Wochenende mit fast ohne Bildern, irgendwann im Corona-Mai 2021

Ich dachte, ich dokumentiere mal wieder ein Wochenende. Dann fiel mir ein, zu Dokumentationszwecken wäre eine visuelle Komponente schon ganz schön, aber irgendwie war das Handy immer verlegt in entscheidenden Momenten. Nun, es ist, wie es ist, das muss also dann so gehen.

Die Morgen beginnen neuerdings immer damit, dass die Neue, die des Mannes Bettseite rechts flankiert, auf das Bett springt, über den schlafenden Kerl drüber, auf die nette Frau mit den gelben Haaren drauf, die immer so feines Fressi macht, abschlappern, alles, bis die Frau endlich fluchtartig das Bett verlässt.

Ich (die nette Frau mit den gelben Haaren) torkele also die Treppe herunter, der Köti springt derweil wie ein galoppierendes Fohlen an mir hoch. Da ich ein Auge geschlossen habe und mit dem anderen nach dem irren Hund schiele, verfehle ich die Türöffnung und – DONG!- haue mir selbst ein Horn.

Ich würde im übrigen die Fliesen im Bad gerne streichen, ich folge schmachtend Miss Pompadour und ihren make-over-stories. Allerdings wohnen wir nur zur Miete, deshalb bleibt es bei den Fliesen. Vielleicht streiche ich einfach den ganzen Rest? Was meint ihr zu dunkelgrau?

Dunkelgrau passt auch zum Wetter. Entweder Augustheiß oder Aprilnass, so zeigt sich der angebliche Wonnemonat. Heute ist Duftkerzenwetter.

Mittags gibts Spargelrisotto für die Großen und Tomatensuppe mit Reis für den Kleinen, Eierkuchen für alle.

Und, hat´s denn geschmeckt?

„Mama, ich hab dir einen Brief geschrieben! Eigentlich ist es ja kein Brief, sondern eine Verbettelung. Sag ja, ja?!“. Er will also außer der Reihe ans „Terblet“. Ich habe „Ja!“ gesagt und das am Sonntag schon wieder bereut, denn dann kam ein identischer Zettel angeflattert. Hat ja schließlich am Samstag geklappt, dann macht er das ab sofort täglich, ganz klar! Nee, Freundchen, da muss dann schon mindestens noch ein Herzchen drauf und an der Schrift musste auch noch was machen!

Am Nachmittag waren wir beim Marché, ich hatte ein Lebensmittelpaket gekauft über die „Too good to go“-App und war doch ziemlich überrascht. Ich stand kurz vor Ladenschluss vor einer vollen Auslage und die Verkäuferin sagte: „Suchen sie sich aus, was sie wollen, wir schmeißen das dann alles weg!“. Ich hoffe sehr, dass sie sich nur versprochen hat und die nicht verkauften Backwaren der TAFEL oder der Bahnhofsmission spendet. Ich bekam jedenfalls für den Festpreis von knapp fünf Euro achtzehn Semmeln und ein Brot.

Da der Mann und ich das Netflix zu Ende geguckt haben, sind wir auf youtube umgestiegen. Am Samstag haben wir in unserer Lieblingsreihe „Der letzte seines Standes“ die Kautabakexpertinnen Anna und Lieselotte bei der Ausübung ihres Handwerks beobachtet. Wir hauen uns weg über die Dialoge und die Kittelschürzen, uns gefällt diese Reihe supergut.

Das sieht man auch daran, was dem Mann dann auch gleich für weitere Beiträge vorgeschlagen werden. Ich weiß gar nicht, was ein Einsteckreider ist, bin aber schon sehr gespannt, diese Wissenslücke bald zu schließen. Und ja, wir schauen sowas komplett nüchtern. Manchmal kommt der Sohn hoch und fragt, warum wir so laut grölen. Wir wischen uns die Tränen aus den Augenwinkeln und können kaum sprechen. Wir finden das sehr lustig! Der Mann und ich sind seltsam.

Sonntagmorgen. Wir lümmeln so gut wir können, um uns vom frühen und abrupten Start in den Morgen (siehe Samstag) zu erholen. Vor um sechs war es heute. Die beiden Männer kriegen davon nichts mit, die liegen noch in den Betten.

Ich mag die Gespräche mit dem Kleinsten sehr in diesen Stunden. „Mama, ich wünsche mir eine Rutsche von hier bis zum Nordpol, direkt in eine Eisbärenhöhle!“. „Das klingt ziemlich gefährlich für mich. Was, wenn der Eisbär Hunger hat?“. „Ich hab´s! Ich bringe ihm eine Robbe mit!“. „Och, das tut mir leid. Stell dir doch mal vor, wie diese Robbe dann guckt! Die haben so schöne Augen, ich könnte das ja nicht, eine Robbe an einen Eisbären verfüttern!“. Kind überlegt kurz, dann: „Ich nehme einfach eine Robbe ohne Augen!“.

Weil ich keine Lust zum Backen habe, beschließe ich, das neueste Gadget im Hause Nieselpriem auszuprobieren: Eine Gummivorrichtung zur Herstellung von pochierten Eiern. Ich liebe eggs Benedict, finde allerdings die Zubereitung frustrierend. Bei Karolin habe ich diese Teile entdeckt und hier gekauft. Ich mache dafür jetzt wirklich Werbung, weil das mich total verblüfft hat! Pass auf.

Wasser mit Weißweinessig aufkochen, ausschalten.

Dann die Einsätze reinstellen in den Topf, in jeden ein aufgeschlagenes Ei reinplumpsen lassen, Deckel drauf.

Nach fünf Minuten die Einsätze herausheben und et voilá!

Auf meinem Frühstücksteller sah das dann so aus:

„Kontaktschlafen“ ist das größte für die Neue. Irgendwo drauf auf etwas, das Puls hat, das findet sie schön. An der Haltung meines Beines sieht man, dass das für mich weniger schön ist. Aber schlafende Hunde soll man ja nicht wecken. Auch gut im Bild erkennbar: Kratzspuren. Nicht im Bild: Beißspuren.

Lauter Dinge, die ich an diesem Wochenende gemacht habe, ohne dass ein Foto es beweisen könnte: Zwei Bäder geputzt, eine Schüssel Erdbeertiramisu zusammengerührt, Kackwürstel (viele) vom Rasen aufgepolkt, den Mann geküsst, Brennessel-Mango-Tee aufgegossen, vier Runden im Waldpark gerannt, viermal die Böden im Erdgeschoss gewischt, vegane Bolognese gekocht, vegane Bolognese gegessen, den Wochenplan für die Klasse 1c vorqualifiziert, geimpften Elternbesuch geküsst, mich über die Lehrstellenzusage für den jungen Mann gefreut, Sprachnachrichten mit der Freundin gewechselt. Es war ein schönes Wochenende.

Dinge, die offensichtlich nicht gemacht habe: Betten. Egal!

Wochenend-Rike im Kleid, in das der Hund am Ende des Sonntages ein Loch reingebissen haben wird

Achtsames Wechseln Teil 2 (Protokoll eines Selbstversuches)

Disclaimer: Nur, um hier keine Erwartungshaltung zu enttäuschen, möchte ich kurz noch mal anmerken, dass mein Interesse lediglich der Information gilt, welche Beschwerden möglicherweise auf dich zukommen könnten. Also genauer, was hatte/ habe ich und wie war/ist das so für mich gewesen.

Ich habe mich überhaupt nicht informiert gefühlt (weder durch weibliche Familienangehörige, durch meine Gynäkologin, noch durch einen Blogbeitrag im Internet – es gibt sie, aber ich habe die wenigen existierenden erst viel später gefunden), und sah mich ständig irgendwelchen Ausfällen meines Körpers gegenüber, von denen ich nicht wusste, woher die kamen und mich permanent denken ließ: “ Was ist das jetzt wieder für eine Scheiße?!“. Für eine hypochondrisch veranlagte Person wie mich war und ist diese Umbruchphase eine Katastrophe Herausforderung.

Wechseljahre sind keine Krankheit, jaja, allerdings erfüllen verschiedene Nebenwirkungen sehr wohl den Krankheitsbegriff, das solltet ihr wissen. Und gut mit euch umgehen, ohne in ängstliche Schockstarre zu verfallen. Meist steckt dahinter tatsächlich nur das Hormonchaos und keine bedrohliche Krankheit – das weiß ich mittlerweile. Im Zweifelsfall geht ihr zum Arzt, aber manchmal klärt sich einiges mit Abwarten. Viele der Symptome sind bei mir nach ein paar Wochen einfach wieder verschwunden, und machten Platz für neue, hallo, herzlich nicht willkommen!

Was Behandlungsmöglichkeiten angeht, so erlaubt mir den Hinweis, dass ich lediglich Betroffene bin und keine Empfehlung geben will und kann, außer bei ganz offensichtlichen Sachen, wo ihr aber selbst drauf gekommen wäret. Sprecht ihr mit einem Arzt, der Hormonersatztherapie für supi hält, wird er genau das empfehlen. Eure Homöopathin vermutlich etwas anderes, ebenso euer Arzt für TCM oder wen auch immer ihr um Hilfe bittet! Am Ende hilft, wer heilt und das bedeutet in dieser Umbruchphase, ihr habt Vertrauen in die Behandlung und das Mittel der Wahl. Wenn ihr rein gar nichts „dagegen“ machen wollt, auch prima. Zumal ja bekanntermaßen nur ein Drittel der Frauen wirklich starke Beeinträchtigungen haben. Wenn ich also hier schreibe, was mir geholfen hat, dann soll das lediglich als Information gelten, okay? Gut, dann los mit der Liste des Grauens.

Depression

Alles begann (rückblickend) vor fünf Jahren mit einer mittelgradigen depressiven Episode, die mich wie ihre zwei Vorgänger(innen) völlig aus der Bahn warf. Keiner meiner Behandler kam auf die Idee, mit Hormonen zu behandeln, verschiedene Antidepressiva wurden probiert und verworfen. Das kostete mich ein Jahr meines Lebens! Am Ende habe ich mich naturheilkundlich behandeln lassen, aber nicht primär die wahrscheinliche Ursache (Hormonschwankungen), sondern eben situativ die Nebenwirkung (Depression).

Stimmungsschwankungen bis hin zu Angstattacken und Depression werden immer wieder beschrieben, wenn es um die Wechseljahre geht. Bei einer blutenden Frau von sechsundvierzig Jahren hatte das leider keiner auf dem Schirm – und ich auch nicht, aus Unwissenheit.

Haare/ Nägel/ Haut

Haarausfall und brüchige Nägel traten ziemlich zeitnah auf mit der Depression und ereilen mich auch jetzt noch immer wieder. Haut ist auch ein Thema für sich. Ich schreib dazu mehr im dritten Teil unter „look and feel and sex and other things“, oder so ähnlich. Das wird dann auch eher wieder ein Blogbeitrag und nicht so einen Gebrechensaneinanderreihung.

Zahnfleisch

Wusste ich auch nicht, hab ich aber am eigenen Leib erfahren: Der Östrogenmangel sorgt unter Umständen für Probleme mit dem Zahnfleisch. Ich hatte deutlichen Zahnfleischrückgang und außerdem entzündete Zahnfleischtaschen, die nicht nur schweineweh taten, sondern auch aufwendig behandelt werden mussten- das Problem trat einfach immer wieder auf. Am Ende hilft mir hier nur eine konsequent zweimal im Jahr durchgeführte Reinigung der Zahnfleischtaschen und pingelige Mundhygiene! Und nein, ich esse keine Nüsse mehr und auch keinen Mohnkuchen… Aber hey! Meine Großeltern hatten in meinem Alter schon ein Glas auf dem Nachttischchen stehen!

Gelenkbeschwerden

Andauernd hab ich seit ein paar Jahren „Knie“, auch mal „Schulter“ für sechs Monate am Stück, morgens knirschen die Gelenke, das ist die traurige Wahrheit. Die Füße tun mir weh, manchmal liege ich abends im Bett und denke: „Scheiße, jetzt kriegste auch noch Arthritis, oder was ist das jetzt hier?!“. Im Liegen tun die Fußknöchel, die Kniegelenke und beide Hüften weh. Und zwar oft so, dass nur Ibu zum Schlafengehen hilft. Na dann, gute Nacht! Einzige Hilfe: Viel Sport! Wirklich viel. Ich renne nahezu jeden Tag, pro Woche um die dreißig Kilometer, außerdem sind auch Gewichte und HIIT-Einheiten nötig. Use it or lose it. Man sieht es mir leider nicht an, das schon mal vorab! Dazu in Teil drei mehr. Aber die Beschwerden verschlimmern sich tatsächlich bei Schonhaltung. Sitzen ist das neue Rauchen, stimmt besonders in the middle age.

Beginnende Osteoporose ist hier auch ein Thema, was da reinspielt. Kalzium und Belastung, besonders Training mit Eigengewicht oder Gewichten soll den Knochen und Gelenken helfen. Und Hormonersatz, sagt das Internet, ihr vertraut da auf die Heiler*innen in euerm Bekanntenkreis, wie bei allem anderen. Ihr solltet nur wissen: Wenn´s zwickt und knirscht, wo vorher alles elegant schlenderte, dann liegt es möglicherweise auch am blöden „W“.

Brustschmerzen/ -veränderungen

War zum Glück nur eine kurze Episode vor fünf Jahren: Ich hatte mehrere Wochen Schmerzen in den Brüsten, die denen beim Milcheinschuss ähnelten. Allerdings waren die 7/24 da und machten mich fast bekloppt! Ich wusste nicht, was ich an Klamotte tragen sollte, wie ich nachts liegen sollte. Dabei war die Brust selbst überhaupt nicht verändert, soweit mein Laienauge das beurteilen konnte. Am Ende ging das wieder weg – klopf, klopf auf Holz. Ich lasse einmal im Jahr einen Brustultraschall machen und war nun auch schon mit Einladung bei der Mammografie, was gar nicht so schlimm war, wie manchmal behauptet wird. Das Beste: Alles in Ordnung! Außerdem: Ich habe in den letzten fünf Jahren meine Körbchengröße ungewollt und unwillkommen von 75C auf 80D gewechselt, was wohl auch damit zusammenhängt:

Gewichtszunahme

Zehn Kilo in fünf Jahren bei mir, und auch „nur“ zehn Kilo, weil ich total auf die Bremse getreten bin, was das Essen angeht. Der Grundumsatz einer Frau in meinem Alter beträgt kaum mehr als zwei Stück Streuselkuchen ohne Sahne pro Tag. Und ich musste feststellen, nahm ich früher ratzfatz ab, sobald ich mal etwas weniger süß und sahnig gegessen hatte, bleibt jetzt alle drauf, als würde mein Körper sagen: Vergiss es! Das brauche ich allllles! Am Ende ist klar, was der Körper wirklich braucht, und das sind eben wirklich nicht zwei Stück Streuselkuchen. Allerdings vertrete ich die Meinung, dass mein Jieper auch nicht immer überhört werden muss. Ich liebe Kuchen! Und Torte! Und Eisbecher! Und Chips! Ist das ungesund? Na, aber sicher! Macht mich das glücklich? Und ob. Aber eben nicht mehr einfach immer, jeden Tag (leider). Und egal, an was für eine Ernährungsphilosophie ihr glaubt: Wenn mehr Kalorien oben reingehen, als am Tag verbraucht werden, dann nimmst du zu. Also zu wissen, was du verbrauchst und was du zu dir nimmst, kann hilfreich sein. Im übrigen ist die Gewichtszunahme in den Wechseljahren typischerweise am Bauch, was nicht nur unter Umständen zu einer taillenlosen Fassfigur führt, sondern eben auch das böse viszerale Bauchfett füttert. Oh oh.

Schwitzen

Sweat, Baby, sweat. Meine Schwiegermutter schlief eine Zeitlang auf einem Badetuch (Was habe ich gelacht! Damals.), um nicht jeden Tag die Laken wechseln zu müssen. Bei mir ging das mit Ende vierzig los, auch zuerst „nur“ mit Nachtschweiß. Ich wurde wach, weil ich obenrum komplett nassgeschwitzt war. Das war komisch, weil ich überhaupt nicht zum Schwitzen neige, ich friere eigentlich ständig. Danach kamen dann auch so Hitzewellen, tagsüber. Ich bekam einen heißen Kopf, mein Blut kochte und im Anschluss hatte ich feuchte Haare. Das nervt! Ich muss eigentlich noch immer täglich Haare waschen, sie fetten auch schneller, kommt das vom Schwitzen? Weiß ich gar nicht. Vielleicht haben deshalb so viele „ältere“ Frauen praktische Kurzhaarfrisuren? Gegen das Schwitzen prinzipiell geholfen hat mir ein freiverkäufliches Traubensilberkerzenpräparat (Cimicifuga). Die Hitzewellen sind deutlich schwächer geworden. Allerdings muss ich sagen, dass ich das Gefühl habe, meine Klimaanlage ist gänzlich aus dem Tritt. Zwischen Fenster aufreißen und eine zweite Strickjacke anziehen liegen oft nur wenige Minuten und selten haben meine Mitbewohner dasselbe Temperaturempfinden wie ich.

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Herzstolpern

Herzrasen und innere Unruhe kommt auch regelmäßig vor. Ich war einmal wirklich in Sorge und dann war auch der Blutdruck oben, also bin ich zum Dok und hab ein EKG schreiben lassen – ohne Befund! Seitdem trinke ich Beruhigungstee (der alleine schon wegen dem Namen beruhigt) und denke an etwas anderes, wenn das losgeht. Das sind meistens nur ein paar Minuten und ich weiß, ich sterbe jetzt nicht. Dass das beunruhigend sein kann, keine Frage! Meistens messe ich Blutdruck, und wenn der ok ist (was er eigentlich immer ist), dann entspanne ich mich. Blöd ist es nur, wenn das abends auftritt, denn:

Schlafstörungen

22 Things Only Menopause Women Can Understand
via giphy

Nicht einschlafen zu können oder nachts um zwei hellwach mit hämmerndem Herzen zu erwachen, ist leider auch ziemlich typisch. Nicht aufregen, nicht drüber nachdenken, meditieren, lesen, was weiß ich, die Ruhe bewahren. Generell schlafe ich weniger fest als früher, was doof ist, denn auch der Entspannungseffekt stellt sich nicht so ein wie früher. „Hellwach“ bin ich eher selten nach dem Aufstehen. Vielleicht kommt das wieder zurück? Ich würde supergern mal wieder wie ein Stein schlafen.

Schwindel/ Übelkeit/ Kopfschmerzen

Tja, was soll ich da groß schreiben. Es ist wie in den Schwangerschaften! Das kenne ich von damals, nur dass ich jetzt nicht froher Hoffnung bin. Das Gute ist, es sind nur ein paar Tage im Monat, wo mich das wirklich belastet. Da hilft mir nur, mich besonders zu verwöhnen: Badewanne, Körperöl, Buch, alles was mir schmeckt, ich tröste mich einfach selber.

Stimmungsschwankungen

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Von Natur aus mit einem Caramba-olé-Temperament ausgestattet, ist mir in den letzten Jahren auch die Zündschnur deutlich geschrumpft, was bedeutet, ich springe aus dem Stand. Aber richtig! Das Gute, nach einer Explosion ist es wieder vorbei, ich kann die Scherben einsammeln, die Wunden aller Beteiligten versorgen und finde rein gar nichts verwerflich daran, dass ich so emotional reagiere! Meine Familie tut mir manchmal leid, aber ich kann mich entschuldigen, wenn ich überreagiert habe und sie haben auch was davon, wenn ich übersprudelnd fröhlich bin, was manchmal ja auch vorkommt.

Erschöpfung

Früher, ach, früher, da bloggte ich abends bis elfe, da nähte ich nach drei Stunden Nachtschlaf Kinderkleidung, früher war alles besser! Ich bin wirklich dauernd erschöpft. Ich substituiere unfassbar (ich habe den teuersten Urin der Stadt, sagt mein Mann), und rede mir ein, das macht mich fit und munter! Nun ja. Es ist, wie es ist. Die Akkus sind deutlich schneller leer als früher und wenn ich heute nicht schlafen kann, dann komme ich energetisch gar nicht auf die Idee, zu nähen oder zu bloggen! Ich starre müde und stumpf in ein Buch oder ein tragbares Internetempfangsgerät und warte darauf, dass der Schlaf kommt. So ist das heute. Tagsüber bin ich matschig in der Rübe und meine Merkfähigkeit ist deutlich eingeschränkt, auch das ein Aspekt, den man öfter liest beim Thema „Wechseljahre“. Aufschreiben, eins nach dem anderen bearbeiten und sich an alles wichtige erinnern lassen. Vom Liebsten zum Beispiel.

Schleimhautveränderungen

Trockene, juckende Augen, Nase, Vagina. Nicht schön, aber auch enthalten im bunten Strauß an Unannehmlichkeiten. Es gibt für alles Mittelchen und Cremes, und ich empfehle hier, sich beim Gynäkologen beraten zu lassen und gerade am Äquator nur das Beste dranzuschmieren! Überhaupt finde ich, ein wenig Respekt und besondere Fürsorge hat bestimmt noch keiner Muschi geschadet (Kann ich das hier am helllichten Tag so schreiben? Egal, ich mach´s.). Meine hat mir Kinder und sehr viel Lust geschenkt und wenn sie sich jetzt wie eine Diva aufführt, wird sie auch so bedient! Basta. Ach, wo wir gerade dabei sind…

Inkontinenz

Eine von drei Frauen, sagt die Statistik, ich bin eine von dreien. Und mir macht es nichts (mehr) aus, das zu sagen. Undicht wurde ich vor ungefähr vier Jahren mit Ende vierzig, schleichend, mit Niesen, Husten, beim Joggen fing es an. Ich hatte nach keiner Schwangerschaft Probleme mit dem Beckenboden! Ich hab das einfach nicht kommen sehen. Mittlerweile habe ich Grad 2, das heißt, bei einer Änderung der Lage (Aufstehen nach Sitzen, Stehenbleiben nach Laufen, manchmal einfach nicht nachvollziehbar) laufe ich aus, unkontrollierbar. Das sind dann keine drei Tröpfchen! Das machte es für mich so schlimm. Ich bin ein Riesenfan von Yoga und Pilates, weiß ganz genau, wie ich meinen Beckenboden anspannen muss, wieso klappt das dann jetzt nicht?! Kennt ihr noch die „Aprikosenübung“ aus der Rückbildung, als wir uns vorstellen mussten, wir hätten eine Aprikose in der Vagina und sollten die drehen, befühlen und an den Härchen zupfen?! Ja, nein, vielleicht? Jedenfalls kann ich das noch heute. Und drei Etagen Fahrstuhlfahren mit meiner Beckenbodenmuskulatur. Warum also ich?

Darauf gibt es eine einfache Erklärung, und die habe ich aus der urogynäkologischen Ambulanz (das sind die Ärzte, die für sowas zuständig sind; für Dresdnerinnen: Ich bin im St-Joseph-Stift und kann die Ambulanz dort wirklich empfehlen): Bindegewebe und Muskeln bilden den Beckenboden und lediglich die Muskeln sprechen auf ein Training an. Bei der Untersuchung dort herrschte allgemeines Staunen, wie konzentriert ich die Muskulatur anspannen kann und das war doch ungewöhnlich bei meinem Befund! Fazit: Mir hilft kein weiteres Beckenbodentraining, kein EMS und keine Physiotherapie – meine Muskulatur ist super. Das Problem sind die schlaffen Bänder. Mir wurde direkt nach der Untersuchung der Einbau eines TVT-Bandes empfohlen, das die Harnröhre stützen soll. Aufgrund von Corona und meiner Unsicherheit hinsichtlich des Eingriffs ist das noch nicht passiert.

Unabhängig davon gibt es Sachen, die helfen, und das schreib ich jetzt auch als Empfehlung hin. Verlass dich nicht auf Monatshygieneprodukte! Am besten und leistungsstärksten sind meiner Meinung nach tatsächlich die Vorlagen von Aldi und Lidl, die für diesen Gebrauch auf dem Markt sind. Da kannst du versuchsweise 300ml draufschütten und nichts läuft raus. Frischer Urin riecht in der Regel nicht, heißt, wenn du dich direkt „trockenlegst“ nach einem Malheur, fällt das niemandem auf. Verstärkte Hygiene ist selbstverständlich. Deine Handtasche wird größer werden und vollgepackt, für Notfälle. Für unterwegs gibt es Silikontampons in verschiedenen Stärken, die man einführen kann und die dann durch die Scheide gegen die Harnröhre drücken und somit ziemlich wirkungsvoll abdichten. Die sind frei verkäuflich, leicht zu reinigen und es gibt sie auch ohne Bändchen, wen das stören sollte. Auch normale Super-Tampons funktionieren im Notfall. Das erspart gegebenenfalls Ängste vor unliebsamen Zwischenfällen. Und der Gang zu einer urogynäkologischen Praxis ist auch ein guter Rat.

Eine von drei Frauen betrifft Belastungsinkontinenz. Ich schäme mich nicht mehr deswegen, das ist auch völliger Blödsinn! Ich schäme mich, dass ich dreißig Jahre lang geraucht habe und für andere blödsinnige Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe, aber dafür? Nee!

Das Absinken des Östrogenspiegels verschlimmert die Inkontinenz, was ich zum Beispiel gut daran merke, dass es kurz vor Eintritt der Periode deutlich schlimmer ist als in den drei Wochen davor. Auch daran, dass es deutlich besser ist, wenn ich eine Zeitlang Zäpfchen mit Estriol nehme (Gynoflor; meine Gynäkologin verschreibt mir pro Quartal eine Packung mit 24 Stück, ein Hohn, ich muss immer haushalten damit).

Zwischenblutungen/ PMS

Zwischenblutungen stehen auch immer auf der Liste, aber das habe ich gar nicht. Mein regelmäßiger Zyklus lud ja in der Vergangenheit immer gern dazu ein, dass mir unterstellt wurde, meine Symptome seien nicht menopausal oder perimenopausal (sondern psychosomatisch), da dafür eine unregelmäßige Monatsblutung DAS Indiz sei! Denkste. Nun bin ich einundfünfzig und noch immer regnet es alle achtundzwanzig Tage. Alles wie gehabt, mit PMS aus der Hölle im Vorfeld. To be continued.

In Teil drei wird es wieder ein wenig lustiger zugehen, und nicht mehr eine Horrorliste von will-ich-nicht´s und oh-Gott-oh-Gott-bloß-nicht´s zu lesen sein. Aber ich wollte hier wirklich mal runterschreiben, was mir bislang widerfahren ist, und was nach dem Stand der Dinge mit dem veränderten Hormonhaushalt zu tun hat. Dass die „Wechseljahre“ nicht mit der Menopause beginnen, sondern eben viel früher, das erzählt einem ja auch nicht jeder. Mit Anfang vierzig finden bei den meisten Frauen die ersten Veränderungen statt, oft unbemerkt.

Zwei Bücher, die ich gelesen habe, hab ich bereits in Teil eins genannt. Es gibt sicher jede Menge andere, basierend auf anderen „Heilsversprechen“, ich fange gerade erst an, unabhängig von Lebenswandel und Supplements positiv gegenzuwirken, oder „mit“ dem Wandel zu wirken, wie auch immer.

Fakt ist aber, wenn es Einschränkungen gibt, die die Lebensqualität negativ beeinflussen, dann hau mir ab mit positiver Einstellung! Dann muss was her! Und wenn man sich vor Augen führt, was in Sachen Frauengesundheit geforscht wird und dass tatsächlich mittlerweile Zusammenhänge gesehen werden zwischen dem Östrogenmangel und zum Beispiel dem späteren Auftreten von Alzheimer Demenz, Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderen bitteren Pralinen, dann ist das alles nicht mehr nur kosmetischer Natur, betrifft eben unter Umständen nicht nur ein paar Jahre, sondern die ganze zweite Hälfte meines Lebens. Und deines.

Früher, als man mit fünfzig kurz vorm Siechtum stand, und Frauen der Unsichtbarkeit anheimfielen, hat das doch keinen interessiert! Wird Zeit, dass sich das ändert. Denn ich muss nicht nur noch mindestens fünfzehn Jahre arbeiten, ich habe auch noch mindestens genauso lange ein Kind im Haushalt zu versorgen und Pläne, in denen: „Auf der Couch meine Zipperlein pflegen“, keinen Platz haben. Und wenn ich Fotos meiner Omas mit Ende Vierzig ansehe und dann an Jennifer Aniston oder Caroline Beil oder meine superhotten Freundinnen denke, dann haben die Einen wirklich fast gar nichts mit den Anderen zu tun! Und nicht nur äußerlich. Diese verflixten Jahre sind nur eine weitere Pubertät, das ist nicht das Ende, noch lange nicht!

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via giphy

Auf Wiederlesen bei Teil drei!

Achtsames Wechseln (Arbeitstitel)

So.

Ich will jetzt über Wechseljahre schreiben! Das ist aktuell mein Thema, darüber errege ich mich, das treibt mich zwangsläufig um und da bislang kaum jemand schrieb, was mir wirklich hilft, mach ich das eben selber. Und ja, ich mache das hier. Wer das nicht lesen möchte, springt gerne ab („Tschüss, bis später vielleicht!“), oder legt sich das auf Wiedervorlage in fünfzehn Jahren. Denn, wenn du weiblich bist, wird das irgendwann auch dein Thema! Ob du nun willst oder nicht. Und niemand will, das ist mir schon klar.

Es ist ja so, dass die Zeiten, in denen „Frauenprobleme“ automatisch in den Mantel des Schweigens gehüllt wurden, endlich vorüber sind. Doch leider ist die Generation der lauten Frauen noch nicht in meiner hormonell schwankenden Phase angekommen. Ich bin von: „Darüber spricht man nicht!“, und: „Wir sind Frauen, wir halten das eben aus, das ist nun mal so.“, umgeben. Schrecklich!

Pubertät und Schwangerschaft, das sind hormonelle Umbruchphasen, wo der/ dem Betroffenen Mitgefühl entgegengebracht wird für die Stimmungsschwankungen und körperlichen Veränderungen. Frauen in den Wechseljahren bekommen dieses Verständnis leider nicht. Manchmal noch nicht einmal von ihrem behandelnden Gynäkologen, leider.

Kommst du in der Peergroup der Wechselweiber an und fängst irgendwann an, dich um Austausch zu bemühen – schließlich ist es dein erstes mal und du bist verunsichert, dann lernst du unter Umständen sehr schnell, dass es ebenso frustrierend sein kann wie früher, nach anderen hormonellen Umbrüchen. Ich erinnere mich noch genau an die Frauen, die mir in der Rückbildung erzählten, der Wehenschmerz sei eigentlich „geil“ gewesen, es käme nur auf die Atmung an, und die Einstellung, hauptsächlich auf die Einstellung! Bei Stillproblemen pöbelten die selben Frauen, das wäre doch alles gar kein Problem, es käme nur auf die Einstellung an.

Die selbe Liga Frauen proklamiert nun, die Wechseljahre seien ein zutiefst natürlicher Vorgang, dem man begrüßend und wohlwollend entgegensehen soll, mit der richtigen Einstellung natürlich! Das wäre ja alles gar kein Problem, nur ein paar Asanas machen und Frauentee trinken und in die trockene Muschi atmen (das ist jetzt von mir; #sorrynotsorry). Leck mich einfach am faltigen Arsch. Es gibt nun mal Frauen, die haben keine Beschwerden, ein Drittel hat leichte Beschwerden und ein Drittel ist für zehn Jahre echt angearscht, auf der ganzen Linie.

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Wenn man sich mal die Beschwerdeliste der Wechseljahre ansieht, findet man so Einträge wie:

Haarausfall

Depressionen

Inkontinenz

Schlafstörungen

Konzentrationsstörungen

Gelenkschmerzen

Gewichtszunahme

Herzklopfen

Unruhezustände

Libidoverlust

Schleimhautveränderungen

Hitzewallungen

Reizbarkeit

Ich finde, das sieht aus wie die Nebenwirkungsliste eines krassen Medikamentes. Und die Liste ist noch nicht mal vollständig! Ich gehöre zu den Frauen, die auch die Migräne als altverhasste Begleiterin wieder zurück begrüßen durfte, und auch die Morgenübelkeit, die man sonst nur Schwangerschaften zugesteht – alles die Hormone! Prima.

Ich will, dass der Mantel des Schweigens endlich heruntergerissen wird und die Frauen anfangen, darüber zu reden! Miteinander. Ich hätte sehr gern gewusst, was da auf mich zukommt, aber hatte gar keine Wahl! Meine Mutter sagte auf meine Frage hin, wie das nun so gewesen sei: „Hm, irgendwann waren die Tage weg und das war´s dann!“. Mittlerweile weiß ich, dass das nicht die ganze Wahrheit war. Warum sie mich belogen hatte, das konnte sie nicht schlüssig erklären. Irgendwas mit Scham.

Apropos Wahrheit. Diesen Beitrag habe ich quasi semi-recherchiert, denn seit ungefähr fünf Jahren befrage ich jede Frau im oder nach dem kritischen Alter völlig ungeniert nach ihren Wechseljahresbeschwerden.

Die meisten Frauen klagten im übrigen über das Herzrasen und Herzstolpern, gefolgt von Schlafstörungen. Nicht jede Frau hat ja die gleichen Beschwerden, aber das zermürbt wirklich entsetzlich. Wer Erfahrung mit Panikattacken und Strategien zur Kompensation hat, ist da besser aufgestellt als unbedarfte Frauen, die auf einmal aus dem Nichts denken, sie bekämen einen Herzinfarkt. Schön ist das alles nicht. Und wenn du die vierte Nacht in Folge erst um vier eingeschlafen bist wegen massiver innerer Unruhe, und um sechs der Wecker klingelt, dann braucht sich auch keiner mehr über deine Reizbarkeit beschweren!

Ich habe das Buch von Katja Burkhardt: „Wechseljahre, keine Panik!“, gelesen, und habe mir auch das Buch: „Women on fire“, von Sheila de Liz bestellt, allerdings wird schnell klar, für beide Autorinnen liegt der Gral bei der Gabe von bioidentischen Hormonen. Und der Einstellung, es ist immer die Einstellung!

Nun ist es ja so, dass Hormone, auch bioidentische, nur Frauen gegeben werden, die in der Menopause sind. Das heißt, wenn du so wie ich mit einundfünfzig Jahren fröhlich alle achtundzwanzig Tage menstruierst, sagt die Lehrmeinung, dass dein Körper ja noch alle Hormone selbst produziert! Du bist also nur in der Perimenopause, in der Vorstufe zur Hölle! Das dicke Ende kommt erst noch. Dann kannste wiederkommen! Ich habe mit blutunterlaufenden Augen schon meine arme Gyn angeschnauzt, ich würde das keinen einzigen Tag mehr aushalten und was sie denn glauben würde, was das hier sei, wenn nicht die Menopause?! Immerhin sei ich schon allein vom Alter her drin. Sie gab mir Minizäpfchen, damit ich endlich gehe und sie nicht etwa beiße. Dazu später mehr.

Es gibt tatsächlich Frauen, die bluten bis zum Schluss, regelmäßig. Vielleicht gehöre ich dazu. Ich könnte auch auf eigene Kosten meinen Hormonstatus checken lassen. Hab ich nicht gemacht, nachdem ich mich über Für und Wider informiert habe. Ich behalte mir vor, meine Frauenärztin zu wechseln nach dem nächsten Gespräch, wobei natürlich nicht allein der Umstand zählen darf, dass sie mir keine Hormone verschreibt!

Aber ich habe mich dazu entschlossen, mir selbst zu helfen in verschiedenen Aspekten und bei den verschiedenen Problemen, die in den letzten Jahren auftraten. Und ich denke mir, ich schreibe im nächsten Teil mal auf, was ich seit fünf Jahren für Probleme bekommen habe aufgrund der hormonellen Veränderung, und was mir (!) geholfen hat, oder noch immer hilft. Wenn das auch nur für Eine von euch nützlich ist, dann bin ich froh darüber.

Denn eins ist klar, ich sag es euch, in spätestens zehn Jahren wird keine Mauer des Schweigens mehr über diesen vermaledeiten zehn Jahren liegen! Denn dann sind die lauten Frauen, die jetzt über Gewalt im Kreißsaal, regretting motherhood und andere Tabuthemen sprechen und schreiben, dort an der Schwelle zur zweiten Pubertät.

Aber bis dahin kann es auch nicht sein, dass alle schambehafteten Seniorinnen uns erzählen, darüber rede man doch nicht öffentlich! So schlimm sei das doch alles nicht und wir seien schließlich Frauen, wir steckten sowas weg. Nein! Und um mal Klartext zu sprechen: Wenn du denkst, du bist die einzige Frau, die Windeln tragen muss und sich schämt, weil sie fünf mal am Tag in die Hosen macht und nicht nur drei Tropfen beim Niesen, dann stell dich beim Rossmann vor das Regal und zähle die Produkte für Inkontinenz. Und dann frage dich selbst, ob die wirklich achtundzwölfzig verschiedene Produkte nur für dich allein (und ein paar Hundertjährige) auf den Markt gebracht haben! Eben. Wird Zeit, dass wir darüber reden.

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Wir lesen uns! Bald. Deine Rike

Zwischen den Phasen

Die Babyphase ist die anstrengendste aller Phasen, das wissen alle Eltern ganz genau. Also dann, wenn sie sich mittendrin befinden. Du kannst nicht schlafen, wirst angeheult, ausgesaugt, vollgekübelt, angekackt, belagert und gebraucht von früh bis spät. Hunger, Durst, Kacke, Zähne, Fieber, Weltschmerz, irgendwas ist immer. Und du bist verantwortlich. Kümmere dich darum! Kümmere dich um mich! Sofort! WÄÄÄÄÄÄH! WÄÄÄÄÄÄH!

Ich fand das eigentlich schön, muss ich gestehen. Ich mochte dieses krasse Abhängigkeitsgefühl, ging auf in der aufopfernden Haltung gegenüber meinen Kindern, die kleinen Gesichter neben meinen, ihre feuchten Händchen überall auf mir, Oxytocin bis zum Abwinken. Ich fand das super, am liebsten hätte ich sie nach dem ersten Geburtstag mittels einer „Freeze“-Taste so gelassen, als Einjährige. Ich vermisste irgendwann ganz schrecklich das Stillen, das Geräusch des Schnullerschmatzens, den Geruch ihres Morgenatems, ihrer Halsfalte. Das Gefühl dieser süßen Schwere, wenn sie mir auf der Hüfte saßen und sich an meinen Haaren festhielten. Ich wusste schon während ich die Zeit versuchte anzuhalten, dass ich das vermissen würde! Unzählige Liebeserklärungen hier auf dem Blog verklären diese ersten Zauberjahre in den schnulzigsten Tönen. Müde war ich, ja, mein Gott, aber all die Liebe! So viel Liebe! So viele schnodderige Küsse, so viel Nähe, die Nabelschnur unsichtbar und dennoch stark zwischen uns pulsierend. Ich bin süchtig nach diesem Gefühl, gewesen und immer noch. Dass ich mich lange Zeit nicht als alleinstehender Mensch fühlte, sondern als Teil eines symbiotischen, fast siamesisch anmutenden Menschgebildes, das störte mich nie. Das kam meinem Gefühl von Liebe und dem damit verbundenen Bedürfnis des Einswerdens sehr nahe. Näher, als das in einer Erwachsenenbeziehung je möglich wäre! Aber, alles ist endlich, alles hat seine Zeit. Ich habe den Freeze-Button nicht gefunden. You know.

Die Pubertät ist die schlimmste aller Phasen, das wissen alle Eltern auch ganz genau. Und ja, nämlich genau dann, wenn sie mittendrin stecken. Gemaule, Gemotze, Gestank, Gebrüll, Fressattacken („Wo sind die acht Schnitzel hin, die für morgen Mittag gedacht waren? Und wer hat die ganze Erdbeertorte gegessen? Und hatten wir nicht gestern noch drei Toastbrote?!“). Das Bad ist immer blockiert, und „blockiert“ ist auch ansonsten das Leitthema für die Pubertät. Du kannst mit den Kindern nicht reden, sie verstehen nicht, sie hören nicht, sie wollen nicht. Und du auch nicht! Was soll nur aus dieser undankbaren stinkfaulen Brut werden.

Die Pubertät habe ich immer gut verstanden. Für mich selbst waren das schreckliche Jahre. Vielleicht deswegen. Ich habe mich hässlich, fett, ungeliebt, nirgends zugehörig und entsetzlich wertlos gefühlt. Ich habe das nie vergessen. Ich war in Träumen gefangen, die mich weit weit weg von allem Realen trugen, verlor die Bodenhaftung, den Blick für Gefahren. Ich hatte keine Anker, keine starken Arme, die mich hielten. Ich erinnere mich ganz genau, was ich so vermisste. Verstanden sein, angenommen werden, begleitet sein. Und immer wieder bewunderndes Lob und Vertrauen.

Als der Bubi in die Pubertät kam, hob der Mann die Arme und sprach, er sei raus! Er kam gar nicht mehr klar mit dem. Da kam ich auf den Plan. Alles, was vorher nie abgefragt wurde und ich gut liefern konnte, war jetzt groß in Mode. Zuhören, Mut zusprechen, trösten, motivieren, absoluten Unsinn und abstruse Fantasien geduldig anhören. Ich konnte den jungen Mann gut begleiten, mit gehörigem Abstand natürlich, ich habe ihn immer unterstützt, egal, wie blöd der sich aufgeführt hat, mir fiel das nicht schwer, das konnte ich gut von mir als Person trennen. Ich wusste ja noch, wie Scheiße Pubertät sich anfühlt. Den ersten Liebeskummer haben wir dann als Eltern zu zweit überwacht am Bett des Jungens, der glaubte, er würde sterben. Sein Herz bräche und weiterleben sei nicht nur sinnlos, sondern sogar unmöglich. Der Mann rollte mit den Augen, ich aber wusste genau, was das Kind fühlte und sah sofort die Gesichter von Thomas K und Tilo B vor mir und war in dem Moment sechzehn wie er. Ich fühlte mit und sagte ihm nicht: „Ach, so schlimm ist das nicht! Daran stirbst du ganz sicher nicht!“, sondern, dass ich wüsste, wie weh das täte und dass ich ihm aber versichern könne, so weh wie jetzt wird ihm nie wieder etwas tun (was natürlich auch gelogen war, aber das erste Mal Liebeskummer ist wirklich eine Grenzerfahrung, da sind wir uns wohl alle einig). Die erste Pubertät haben wir überstanden, vor der nächsten habe ich keine Angst, ich kann das.

Die Phase zwischen den Phasen, dort hänge ich jetzt fest.

Diese Phase ohne Namen, ohne reißerische denglische Begrifflichkeit samt Ratgeberstapel. Dieses Alter zwischen fünf und elf, ich hasse das! Doch, ja, dieses starke Tunwort ist hier angebracht. Ich hasste es schon beim ersten Sohn, ich fürchtete mich schon Jahre jetzt beim zweiten und nun bin ich mitten drin. Das ist für mich die schlimmste aller Phasen. Ich komm nicht klar mit dem. Alles was ich kann, wird vollmundig in schlauen achtsamen Büchern aufgeschrieben: Kommunizieren, auf Augenhöhe, eigene Gefühle ansprechen, Ich-Botschaften, klare Regeln, Lob und Wertschätzung. Allein, ich könnte genauso gut Suaheli sprechen. Ich komme nicht durch. Ich bin nichts wert aktuell. Ich werde zum Kochen und Nägelschneiden und Kotzschüssel halten gebraucht, ansonsten kann ich abtanzen.

Vielleicht ist das die Quittung für die so innige Beziehung der ersten Jahre, das denke ich mir manchmal, dass die Söhne sich so vehement und geradezu brutal von mir lösen in diesen darauffolgenden Jahren. Wenn die Pubertät klopft, bin ich wieder die wichtigste Bezugsperson, jetzt bin ich abgemeldet und jede Bitte, jeder Wunsch, jede Handlungsanweisung wird ignoriert, ich werde vollgemault, angenölt, weggebissen. Ich bin zu blöd zum Spielen, zu uncool, um Minecraft zu kapieren oder dass man mit mir spielt. Der Papa ist der Größte, der Held, ich bin ich hier der Privatidiot von allen.

Die sind in diesem Alter nicht erreichbar durch gefühlsbasierte Ansprache, die reagieren nur auf Befehle und knappe Aufforderungen, gern gespickt mit „Wenn du nicht, dann du nicht…!“, Tablet, Fernsehzeit etc. Das nervt mich unendlich. Ich will das nicht! Und ich kann das nicht! Das ist, als müsste ich mich komplett verbiegen und verstellen, bis ich wieder begleiten darf. Erziehen kann ich nämlich nicht.  Der Mann weiß das auch. Der Mann bedauert mich und streichelt mir über den Kopf und sagt: „Dass gerade du zwei solcher Exemplare bekommen musstest…“, und dass er mich liebt, gerade weil ich so weich wie ein Muttibauch sei. Das ist lieb von ihm, ändert aber nichts daran, dass er ER im Moment alleinerziehend ist und ich alleingelassen.

Manchmal ruft das Kind mich säuselnd: „Mäusel, wo bist du?“, ebenso wie der Mann es tut, und dann muss ich lächeln. Oder er sagt, ich sei zwar die älteste Mama, die er kenne, aber keine sei schöner und sogar meine Falten seien schön. Und meine Fürze niedlich. Und dass er unter meinen Pulli kriechen will und sich an mich schmiegen, als wäre er noch in meinem Bauch. Es würde so gut riechen dort. Diese Momente genieße ich innig und versuche nicht, sie mir selbst zu versauen, indem ich sauer bin, dass er zehn Minuten vorher noch rotzfrech war und Mundfürze gemacht hat oder widersprochen.

Denn meistens sind sie extrem selten und extrem kurz, die innigen Momente. Am letzten Wochenende waren wir zu dritt im Park Bumerang schießen. Den zu kaufen war meine Idee, meine Umsetzung und auch die ersten Lernversuche habe ich alleine mit dem Blondino gemacht. Dann aber im Park, schlurft der an mir vorbei, blickt zu mir hoch und sagt: „Du kannst jetzt wieder gehen! Du spielst nicht mit!“, latscht weiter. Zack, und lässt mich in etwa so zurück:

 

Sieben ist er jetzt. Noch fünf Jahre bis zur Pubertät. Noch fünf Jahre die schlimmste aller Phasen. Ich brauche einen Hund oder einen Skorpion oder irgendwas anderes zum Liebhaben. Und einen Einführungskurs in Kindererziehung, bei den Navy Seals am besten.

Gemischtes Weihnachtsgeplänkel

Die Gedanken der letzten Tage, nacheinander und durcheinander gedacht und aufgeschrieben.

Dieser Blogpost ist ein Kessel Buntes. So hieß früher zu DDR-Zeiten eine Fernsehsendung, in der Helga Hahnemann auftrat und Gunther Emmerlich und Jürgen Lippert und wenn euch das alles überhaupt nichts sagt, ist das nicht schlimm, ihr habt nichts verpasst! Und an Weihnachten kam auch immer „Zwischen Frühstück und Gänsebraten“, eine Sendung, in der alle Mitwirkenden besoffen waren, ich bin mir ziemlich sicher. So viel Fröhlichkeit ist nur mit Nordhäuser Doppelkorn hinzubekommen. Ich hab das immer geguckt als Kind, es gab keine Alternative, wenn man schon als kleines Mädchen allergisch auf „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ war (hier Würgegeräusch vorstellen).

Jedenfalls hat Inka Bause, die manch eine aus „Bauer sucht Frau“ (ich hatte gerade aus Versehen „Bayer sucht Frau“ geschrieben und fand mich grad selbst übelst lustig) das sogar fünfzehn Jahre lang moderiert und früher als junger schnieker Hüpfer mit toupierter Action-Haarspray-gestylter Mähne bestimmt dort auch mal gesungen. Das mit dem Haarspray verstehen nun wirklich nur noch alteingesessene Ossis, deshalb für alle: Stank nach Johannisbeere, klebte wir Zuckerwasser und war in den Achtzigern der letzte Schrei. Auch, weil es kaum Alternativen gab, wollte man obenrum nicht nach Erdöl riechen. Und ein Alon-Haarspray aus dem Exquisit kostete zwölf Mark, Alter!

Wo ist mein Faden? Der rote?! Ah, danke.

Also, Weihnachten 2020. Alle riechen hier nach Westshampoo und es gibt jeden Tag Bohnenkaffee so viel wir wollen! Schöne neue Welt. Scheiß doch drauf, dass wir in der Bude hocken, ey, wir haben Farbfernsehen! Und Mandarinen aus der Dose! Und wir dürfen sagen, was wir wollen und keiner wird verhaftet! Jeder darf sagen, was er will, egal wie bescheuert das ist. Man darf auch sagen, dass die Coronaimpfung alle krank macht und nur eine Riesensauerei der Mächtigen ist und… darfst du alles sagen. Wenn du willst und keine Freunde brauchst um dich herum oder jemanden, der dir länger zuhört. Und dennoch fühlen sich manche Menschen „eingesperrt“, Menschen sind komisch.

Wir reden hier in der Familie über Nachwuchs, Nachwuchs mit Fell. Nachwuchs mit sehr kurzhaarigem, nahezu nicht haarendem Fell. Allen Leserinnen und Lesern ist also nun sicherlich klar: Wir reden über Weimaraner, Singular. Es soll eventuell eine Hündin hier einziehen im nächsten Jahr. Es steht auch schon fest, wie die heißen wird, für jede(n) von uns:

  1. Pepita; kurz: Peppi oder Pepsi  (für mich)
  2. Isabell (Unmöglich, oder? Kann nur vom Bärtigen kommen)
  3. es wird auf jeden Fall ein Hundejunge und der heißt Justus Jonas (der Blondino)
  4. es wird kein Weimaraner sondern ein Dackel und der heißt dann „Dackel“, was sonst

Der imaginäre Hund beschäftigt uns und wir lenken uns mit Hundegesprächen vom Alltag ab, auch nicht so schlecht. Klar ist auf jeden Fall, der Hund wird nie was vom Tisch kriegen, na-hein! Und er wird nicht auf die Couch dürfen, schon gar nicht in eins der Betten, niiiiemals! Und ich habe schon mal vorsorglich Bücher bekommen mit dem Titel: „Du bist der Rudelführer“, und dem Hinweis, es wäre enorm wichtig, dass ich das lesen würde! Weil, man wüsste ja… klappt ja schon nicht bei den Kindern mit der Strenge und Konsequenz. Mir persönlich ist wichtig, dass wir keinen Kläffer bekommen, also ich will einen Hund, dem man den „no-bell-Preis“ geben könnte, har har. „Bell heißt Klingel, das weißt du schon, oder?“, grätscht der Bubi humorlos ein, und: „Weiß jetzt nicht, wo das lustig gewesen sein soll!“. So geht das andauernd. Ich behaupte dann gern, andere Leute fänden mich urst lustig! Da winken sie immer gelangweilt ab, die Kerle. Der Prophet ist im eigenen Dorf nichts wert, das sag ich euch!

Heute ist Mittwoch und mir tut der Rücken weh vom Geschenkeeinpacken. Das vorherrschende Geräusch ist das Abrollen von Tesaband in einem Klebebandabroller, kennt ihr? Quiiiietsch. Das Geschenkpapier hat geradeso gereicht und in jedem Jahr denke ich, das muss aufhören, anders werden, jemand muss das für mich machen. Ich hasse das! Man sieht es im übrigen auch meinen Paketen an, dass ich Verpacken hasse. Es geht schon damit los, dass am Ende verschiedene Stücken übrig bleiben, die nicht auf das letzte zu verpackende Paket passen. Dann das Gefalte. Meine Mutter war da Königin. Akkurate Falze, Papier, das sich wie draufgebügelt um die Geschenke schmiegte. Mir hat sie das nicht vererbt.

Apropos Vererbung. Mein Onkel rief neulich an und sagte, er habe meine schöne Weihnachtskarte vor sich und freue sich daran. Was ich für eine hübsche Handschrift hätte! Da wusste ich, er hat die Weihnachtskarte meiner Schwester vor sich und uns zwei gerade verwechselt. Denn ich habe eine Sauklaue, echt jetzt. Ich schmadere was zusammen und hoffe, der Adressat kann es lesen. Meine Schwester hat die schöne Handschrift der Familie meiner Mutter. Die hatten wahrscheinlich alle in Schönschreiben eine Eins! Ich bin anders. Der Freund meiner Mutter sagt immer, eine von uns hat man mit Sicherheit vertauscht im Krankenhaus und ich weiß genau, wen er meint.

Weil wir gerade dabei sind. In den letzten Monaten mache ich oft Videotelefonie mit meiner Familie und meine Mutter und ihr Freund freuen sich immer sehr. Die staunen und strahlen, was das Zeug hält, wenn sie uns in der kleine Kiste (Smartphone) sehen! Was es nicht alles gibt. Guck mal, da bewegt sie sich sogar und ich kann sehen, wie sich der Mund bewegt beim Sprechen, abgefahren! Also wenn ich beim Freund der Mutter anrufe, dann sehe ich stets seine Handyhülle von innen. Nein, nein, er würde mich gut sehen! Alles prima, sagt dann der Opa. Rufe ich meine Mutter an, stellt sie das Telefon vor sich (schon mal super). Allerdings, wenn ich spreche, sehe ich nur grauen Pelz, weil sie stets das Ohr an das Display hält um mich gut zu verstehen. Dann setzt sie sich wieder aufrecht, um das Wort an mich zu richten. Ich antworte und sie beugt sich wieder nach vorn – ich sehe grau. ❤ Das rührt mich.  Die beiden sind siebzig und achtzig Jahre alt. Es geht ihnen gut, das ist das wichtigste.

Morgen, Kinder, wirds was geben. Der Baum nadelt vor sich hin und ich habe großzügig um die Tanne herumgefeudelt. Ich putze ständig und dennoch ist alles schmoddrig hier. Das liegt daran, dass wir zu viert hier sind und ich meistens zweimal pro Tag koche. Es gibt so Menschen, organisierte, die stellen vorm Kochen die benötigten Gewürze parat und haben das Rezept laminiert in einem Rezeptaufsteller neben dem geputzten Herd. Ich habe nie ein Rezept und knete zum Beispiel Hackfleisch und denke dann, ach, Majoran könnte noch dran, zack, mit den Hackfleischfingern den Gewürzschrank geöffnet und nach dem Fläschchen geangelt. Bei mir ist alles verschmiert und die Besteckschubladen voller Krümel und sogar die Topfschieber innen dreckig. Nur damit ihr mal Bescheid wisst! Immer wenn eine Freundin zu mir sagt: „Hach, bei euch ist immer alles so schön sauber!“, denke ich: `Was ist los mit dir? Bist du blind oder verlogen?!`. So ist das. Aber schon bei meiner Oma Else sah die Küche aus wie Bombe, aber das Essen! Die konnte kochen! Ich wünsche mir, das sagen die Leute auch irgendwann von mir. Scheiß doch auf ordentliche Besteckschubläden und streifenfreie Fronten!

Ich denke an die Studentinnen, die sonst in der Adventszeit bei Douglas Geschenke verpackten, was machen die in diesem Jahr? Und wie hat sich die Maskenpflicht auf den Absatz von Lippenstiften ausgewirkt? Weiß das jemand? Wie ist die Virusauswirkung im arabischen Raum, wo alle draußen sowieso mit Mundschutz rumlaufen, also die Frauen zumindest? Fragen, die mich beschäftigen.

Der Bärtige hat ein Buch mit Papierfliegeranleitungen gekauft (Warum?!) und nun muss einer von uns Erwachsenen ständig Druckerpapier zu Papierfliegern verfalten. Und die Dinger liegen überall rum, unter Schränken, hinter Möbeln. Des Kindes Begeisterung für Papier endet allerdings abrupt vor dem Wochenplan der Klasse 1c. Dort sind die Arbeitsbögen gesammelt für das Homeschooling. Katastrophe, sag ich euch. Malen, schneiden, kleben und lesen verweigert der Blondino lautstark und enthusiastisch. Mathe geht und Schreiben auch. Wir machen „angewandte Pädagogik im Alltag“ und lesen die Zahlen auf den Autokennzeichen, üben spielerisch die Malfolgen und ich schreibe dem Kind Liebesbriefe. Wenn er wissen will, was da steht, muss er sich eben Mühe geben! Ansonsten bin ich entspannt. Ist mir egal, wenn wir das nicht alles schaffen. Aber ich hab auch gut Lachen in Klasse eins. Wobei ich denke, das ist die Erfahrung. Die Erstlingseltern bei uns im Klassenchat sind mitunter überambitioniert, aber was weiß denn ich. Das ist mein vierzehntes Schuljahr als Mutter. Ich glaube, ich hab schon alles gesehen und gehört, sollen sie doch. Mich erregen die nicht. Ich gehe mit zu Wandertagen solange ich darf, weil die Zeit so verdammt kurz ist, wo das Kind das dulden wird und ich so alle anderen Kinder sehe und kennenlernen darf und damit ein Gesicht vor Augen habe, wenn von Dustin und Justin gesprochen wird. Und ich helfe der Lehrerin, wenn Elternunterstützung gewünscht ist, das versteht sich von selbst. Aber bei dem üblichen Schmus (wer hat was gesagt, welches Kind hat die längste Leseraupe und warum, wieso sind die Ranzen so schwer und mein Kind hat dieses und will jenes und überhaupt) da schalte ich ab.

Neulich stand ich mit Mundschutz beim Abholen im Foyer und eine Mutter beschwerte sich bei einer anderen Mutter über meinen Sohn. Weil, er sei so ein schlechter Einfluss auf ihr Schätzchen! Ich hab in mich reingegrinst, sie haben mich nicht erkannt mit meinem Ganzgesichtsschutz. Ich grinse auch, wenn die Horterzieherin beim Abholen sagt: „Und sie? Sie sind die Oma?“, mich haut im Moment nichts vom Hocker, was die Schule betrifft. Solange das Kind gern hingeht (wenn er denn wieder kann) und keine pathologischen Defizite zeigt. Für den Rest habe ich keine Zeit. Ich hab keine Lebenszeit übrig mich aufzuregen wegen irgendwelchem Blödsinn, der gar nicht wichtig ist. Und jetzt ist auch Weihnachten.

Drei Tage, eine Gans, eine Ente, zweierlei Klöße, eimerweise Rotkraut, ein Mohnstriezel und allerhand Kekse später ist nun der zweite Feiertag und ich hab voll das Weihnachtsmojo. Dieses Jahr in echt. Es hat mir gutgetan, nur mit den Meinen zu sein. Kein Besuch, keine Weihnachtsmarktglühweinverabredungen, kein Kalender-übereinander-legen, um alle Freunde zu treffen. Ich bin komplett runtergefahren und Weihnachten ist passiert. Ist mir passiert! Fern ab von all der Hektik, die mich sonst kirre und froh macht, bin ich glücklich gewesen.

Der Sohn hat mir einen Harry-Hole-Krimi von Jo Nesbo geschenkt und beömmelt sich stundenlang wegen dem Namen („Harry Hole… das klingt wie… hihihi… das klingt wie…. hahaha!“, „Ich weiß, das klingt wie haariges Loch, du Quatschbirne! Das findest du lustig, aber bei no-bell-Preis verleierst du die Augen, ja?!“). Alle freuen sich über die Geschenke und wir habens schön.

Die Tage waren gemütlich, unter allen Tischen liegen Legobausteine, jede freie Fläche ist mit Spielzeug vollgestellt. Die Weihnachtssterne sehen langsam müde aus und abgekämpft und auch der Baum hat durchgehalten – danke dafür!

„Rupfi of Blasewitz“, der schönste Tannenbaum vom Blasewitzer Waldpark

Abend laufen wir durch die Hood und schauen in die geschmückten Wohnungen, das ist der schönste Adventskalender für mich.

Gestern begannen die Rauhnächte, diese besonderen Tage, in denen mir früher manchmal das Gemüt etwas wackelte. In denen ich mich fragte, was das neue Jahr wohl bringen würde, in denen ich oft sehnsüchtige Wünsche an das Universum schickte. In diesem Jahr ist alles gut. Es gibt keine losen Enden, es ist alles geworden. So möge es bleiben, das ist mein Wunsch.

Im Garten schiebt sich neues Leben durch den kalten, feuchten Boden und die Tage werden wieder länger. Alles wird neu, alles fängt wieder von vorne an, wunderbar.

Euch wünsche ich magische, schöne und friedliche Tage bis zum Wiederlesen und jede(r) hat einen Wunsch frei beim Universum, ich habe das geklärt! ❤

Weihnachtsstimmungen, gemischt

Das Facebook hat diese Erinnerungsfunktion und ich weiß ja nicht, also in diesem Jahr nervt die mich unfassbar. Heute zum Beispiel wurde ich ohne darum gebeten zu haben daran erinnert, dass ich vor sechs Jahren um die selbe Zeit in der Garage in Pieschen stand, zusammen mit meiner Nachbarin Manja, und einen Flohmarkt im Rahmen von „Advent in Pieschen“ veranstaltet habe.

Ich hätte jetzt gern ein Stück Birnenkuchen, wenn ich das Foto sehe. Und ich bin natürlich zurückversetzt an diesen Tag. Ich weiß noch, wie blöde wir das damals fanden.

unter Einfluss von Glühwein geschossenes Foto; 2014

Es regnete, die hübschen Butterbrottüten, die den Weg zur Garage flankierten und mit Teelichtern bestückt waren, weichten auf und das Licht ging ständig aus, es kamen nicht so viele Anwohner zu uns wie erhofft, Mensch, hatten WIR PROBLEME! Also gemessen an „Advent 2020“. Sogar unser Vermieter kam vorbei um einen Glühwein bei uns zu trinken, damals.

Wir wissen selten, wenn wir glücklich sind. Aber immer, wann wir glücklich waren! Stimmt doch, oder?

Advent 2020. Alles ist abgesagt und mittlerweile kenne ich nicht nur mehrere Menschen, die Corona hatten, ich kenne auch einen Menschen, der Corona nicht überlebt hat. Siebenundsiebzig Jahre alt und mit Vorerkrankungen, das schon, dennoch sind die Töne etwas leiser um uns herum seit der Todesmeldung in unserer Familie. Dieser Onkel wäre ohne Corona ziemlich sicher noch am Leben, jetzt, heute. Deshalb nehme ich es demütig hin, was alles ist – oder nicht ist – in diesem Dezember, denn ich möchte gern, dass es bald vorbei ist. Dass wir wieder unbeschwert Leute empfangen können, Freunde besuchen können.

Meine Eltern werden uns am ersten Feiertag die Geschenke über den Zaun reichen und wieder gehen, die Christvespern sind abgesagt. Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Möchte ich fest glauben. Zeit für neue Traditionen: Chips und Eis und Jogginghosen und die Weihnachtsgeschichte spielen wir mit Indianern und Legofiguren nach. (Die korrekte Bezeichnung der indigenen Ureinwohner Nordamerikas ist mir bekannt und ich achte sie sehr. Ich rede hier von den Plastikfiguren mit spärlichem Lendenschurz aus den Siebzigern, die meine Oma Else früher in der Spielzeugkiste im Flur hatte, und die hießen eben Indianer; seht es mir einmal nach, danke)

Wie ist sonst so der Lifestyle und das gesellschaftliche Leben? Letzte Woche waren wir abends noch um diese Ecke bei meiner Freundin Fika, mit Abstand, ohne Küsse und Umarmungen – komisch, noch immer. Ich saß in der neuen Gartensauna, die zum privaten Glühweinstand ernannt wurde. Es funktionierte nicht mit dem Weihnachtsfeeling, ich habe es versucht.

Allein in der Glühweinsauna – Frau Nieselpriem

Deshalb lassen wir das jetzt auch mit dem privaten Biergarten hinterm Haus. Wir lassen das alles. Es bringt nichts, die Situation zu „simulieren“. Das ist, wie vegan zu essen und dennoch permanent nach nachgebasteltem Gyros oder Schnitzelersatz oder schmeckt-wie-Frikadellen zu verlangen. Kannste machen, wird aber anstrengend auf Dauer.

Uns geht es gut. Ich mag mir nicht vorstellen, wie andere vierköpfige Familien in einer sechzig Quadratmeter kleinen Wohnung ohne Balkon aktuell leben. Ebenso blende ich aus, dass der Kinderschutzbund vermeldet, dass in jeder Klasse mindestens ein Kind säße, das häusliche Gewalt erfahre. Was die Lockdown-Situation mit einer toxischen Familienatmosphäre macht, darüber brauche ich hier ja nicht zu spekulieren. Ich will es nicht wissen, ich kann nichts machen. Wüsste ich es in einem konkreten Fall, könnte ich nicht mehr schlafen und würde Kinder aufnehmen wollen, alle. Ich bin noch dünnhäutiger als sonst.

Was sonst noch? Nun, wir hatten das erste Elterngespräch (fernmündlich, eine Stunde achtzehn Minuten) mit der Klassenlehrerin, der Sohn verhält sich erwartungsgemäß. Wir sind nicht überrascht. Er öffnet zum Beispiel ständig die Türen der Spinde der Klassenkameraden. Das sei verboten, sagt man ihm. Warum, fragt er zurück. Er nähme ja nichts raus! Den Zettel solle er abgeben mit den Codes, sagt man ihm. Er habe keinen Zettel, das stünde alles in seinem Kopf, antwortet er. Vierstellige Codes, vierundzwanzig an der Zahl.

Ansonsten ist er liebreizend wie eh und je und tolerant gegenüber fremden Menschen. Wir erinnern uns: 2014, im Aldi zu freundlichen Senioren: „Nisch misch anguggen!“. 2017 zum Neffen der Nachbarn, der freundlich grüßte: „Hau ab, du alte Scheiße!“, und gestern zur alten Dame, die unsere Nachbarin besuchte: „Sie hamm hier nüschts verloren!“. Da stand er auf der Treppe, finstrer Blick, wie ein Zwergenbonaparte. Oder wie ein kleiner Adolf, wie ich manchmal heimlich sage. Ein Schatz. Er disst auch unfassbar. „Du Bankautomat! Du glue stick!“, da fällt mir nichts ein.

Nun ja, es wurde ausgeknobelt in der Autismusambulanz und die Kästchen beim multiple-choice-Test übereinandergelegt. Er habe keine Autismusspektrumstörung und wir sollten doch Verhaltenstrainng machen, am besten in einer Gruppentherap… halt, wo gehen sie denn hin?! Ich hab abgewunken, ich kenn das alles schon. Da gehen wir ganz sicher nicht hin! Am Nachmittag nach einem anstrengenen Tag noch „realitätsnahe Situationen nachschauspielern“, nein. Wir machen situativ das Richtige (hoffe ich), wir korrigieren ihn situativ und wir haben die optimale Schule ausgesucht, das sind die guten Nachrichten.

Im Moment ist der völlig neben der Spur, normal. Seit Oktober sind ihm sechs (!) Milchzähne ausgefallen. Wackelnde Zähne, wackelndes Gemüt. Manchmal denke ich, in zwei Wochen kaut der dann auf seinen einzigen zwei „neuen“ Zähnen.

Was noch? Ach ja. Andere coronisierten Menschen holen sich Haustiere ins Haus, wir ein „Echo Bike“. Die Männer sind ganz aus dem Häuschen. Hier bauen sie das Ding aus Übersee gerade auf dem Dachboden zusammen.

Das heißt auch manchmal „Assault Bike“, oder wie die Kenner sagen: „Asshole Bike“. Damit kann man in einer Minute (je nach Strampelei) ungefähr 40 kcal verbrennen. Das klappt mit keinem anderen Gerät. Und entsprechend Killerpotential hat das Asshole Bike. Wer das nicht glauben kann mit dem „schlimmsten Fitnessgerät der Welt“, der kann sich ja hier mal reinziehen, wie der Gewichtheber Max Lang vom Asshole Bike fällt. Ganz am Ende, bitte schön:

Ich hab ja noch so eine Challenge laufen vonwegen bis Ende Januar einen „toes to bar“ an der Stange hinzulegen. Im Moment kann ich nur durch kontinuierliche Zufuhr von gesättigten Fettsäuren meinen Gemütszustand halbwegs stabil halten, also nope, ich trainiere nicht! Ich esse. Gerade zum Abendessen gab es Nuss-Feigen-Brot mit Hüttenkäse und Honig, oder um, es mit den Worten meiner Kinder zu sagen: „Iiiiiiieh!“. Tja, man muss immer tun, was man nicht lassen kann. Und ich muss Süßigkeiten essen!

Das Haus habe ich dekoriert, sogar die Türfenster beschmiert, weihnachtlich, von innen. Anstatt: „Hohoho!“, liest man von außen das:

Passt ja auch zur Situation. Innen habe ich die Basteleien des Großsohnes aus Kindergartenzeit rausgeholt und an die Türpfosten geklebt für mehr Heimeligkeit. Der große Sohn hasst es. Der kleine Sohn ist eifersüchtig, weil ich nichts von ihm an den Türpfosten klebe. Nun, was sollte das auch sein?! Ein zerknülltes kariertes Blatt, wo schief: „FURZEN“, draufsteht vielleicht? Das wären so die Kunstwerke vom Kleinen…

Anyway, wie wir Sachsen so sagen, der Baum steht! Und nu gugge ma, er nadelt, als wäre es der vollkommen normalste fuffzehnte Dezember überhaupt! Als wäre nichts, oder alles.

Oh Tannenbaum.

„… Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum
Dein Kleid will mich was lehren
Die Hoffnung und Beständigkeit
Gibt Kraft und Trost zu jeder Zeit
Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum
Dein Kleid will mich was lehren…“

Über unfreiwillige Toilettenbesuche, das medieninkompetente Kind, Coronablues in Grautönen und Wunscherfüller

Gestern gingen der Bärtige, der Blondino und ich spazieren. Ein älteres Ehepaar lief vor uns auf der Straße. Instant belehrte das Belehrkind laut und entrüstet: „Man läuft nicht auf der Straße!“. Die Leutchens schauten sich erschrocken um und erwiderten sehr kinderfreundlich: „Da hast du recht! Wir passen in Zukunft auf.“. Kaum waren sie ein paar Schritte weitergegangen, brüllte Meiner in Richtung der beiden Silberrücken: „ICH BEOBACHTE EUCH!“. Da fiel dann niemandem mehr etwas ein. Die Leute marschierten dann auch schnell aus unserer Sichtweite.

Das Kind hat ein dominantes Imponiergehabe im Moment, was bestimmt lustig ist, wenn ich das später mal lesen werde. Sehr viel später.

Und: Immer wenn jemand von uns auf Toilette geht, muss er/sie sich ungebeten fragen lassen: „Musst du kacken?“. Auch fremde Menschen auf öffentlichen Toiletten werden schonungslos nach dem Zweck ihres Toilettenbesuches gefragt: „Warst du kacken?“.

Wenn er selbst sein Thrönchen besteigt, sinkt das Unterhaltungslevel für mich allerdings ins Bodenlose, denn seit nunmehr sieben Jahren bin ich fürs Abputzen verantwortlich und manchmal denke ich, ich werde das noch in zehn Jahren machen. Ich werde mittags meinen pickligen Teenager in der Schule während der Hofpause besuchen um ihm bei seinem Toilettengang zu assistieren. Denn das Kind ekelt sich, theatert, plärrt, dramatisiert, bis ich das Gelärme nicht mehr aushalte und er seinen Abputzwillen bekommt. Ich glaube, das hört nie auf. Aber ich dachte auch, der Bubi würde noch mit dreißig in meinem Bett schlafen. Vielleicht wird doch alles irgendwann enden, sogar das Unfreiwillige.

In diesem Jahr ist vieles schärfer in meiner Wahrnehmung, was sonst irgendwie verwaschen im Alltag unter „ferner liefen“ läuft. Das kommt von der Allgegenwart und immanenten Präsenz der kompletten Kleinfamilie. Wir sind chronisch coronisch und permanent aufeinander. Und auf uns zurückgeworfen. Selbst wenn die Kindereinrichtungen – wie jetzt gerade- geöffnet sind, so fallen dennoch puffernde Aktivitäten wie Sportvereine, Playdates und so weiter weg, sodass an jeden gemeinsamen Homeofficetag Seite an Seite mit dem Mann der gemeinsame wer-beschäftigt-jetzt-wie-lange-das-nölende-Kind-Nachmittag anschließt. Jeden Tag. Denn das Kind hier lebt nur für die „Tablet-Zeit“. Furchtbar ist das! Der beschäftigt sich nicht selber, spielt nur in Gesellschaft seiner Eltern und fragt ohne Unterlass, ob er nicht doch jetzt schon ans Tablet dürfe! Wir haben das versaut. Und versauen uns damit die Tage.

Beim Bubi waren wir rigide und zwar auf ganzer Linie. Ich war Tigermom und Tigerdad und ich führten ein strenges Regime. Hier kann das gern beispielhaft nachgelesen werden (zum Glück hatte ich früher viel Zeit, alles mögliche niederzuschreiben). Bei dem Blondino dachten wir, ach komm, zweites Kind, mach mal locker! Vielleicht funktioniert das ja alles doch mit diesem neumodischen Erziehungsquatsch und der Selbstregulierung – pah! Am Arsch! Niemals würde der Zweite das Tablet von allein aus der Hand legen, nie den Fernseher ausschalten und verkünden, er würde sich fürderhin den Rest des Nachmittags mit der Gestaltung von Perlentieren beschäftigen, nie! Ich fand ihn schon auf der Couch, die Hände an den Kopf gepresst weinerlich verkündend, er habe Kopfschmerzen. Auf mein Insistieren, der Fernseher müsste nun ausgemacht und der wehe Kopf in den Garten zum Durchlüften gebracht werden, wurde ich angeschrien, ich HÄTTE ÜBERHAUPT KEINE AHNUNG und das käme nicht vom Fernsehen! Der Mann und ich haben beschlossen, es nützt nichts. Und nein, wir haben keinen Bock auf die kommenden Tage, aber ab morgen ist das Tablet weg und TV gibt es nur noch halb sechs bis sechs abends. Es wird hart werden. Am besten stecke ich mir Ohropax in die Ohren um dem Genöle zu entfliehen. Und vermutlich werde ich in der zweiten Schicht als Animateuse im Schichtwechsel mit dem Mann arbeiten. Ich hatte verdrängt, wie doof Kindererziehung sein kann, manchmal. Vor allem, wenn man (frau) gerne Nachmittags vom Arbeitstag entspannt und seien wir mal ehrlich, abends entspannt ja auch niemand mit einem Siebenjährigen im Haus! Während ich das hier schreibe, wurde ich schon dreimal gestört, und es ist neun Uhr abends! Wenn der Ruhe gibt, ist es bei mir energetisch dann auch zappenduster. Gute Nacht Johnboy, gute Nacht, Bärtiger, sometimes, when the Kinder sind aus dem Haus, dann machen wir abends wieder was zusammen. Und noch nicht mal Zwischenentspannen ist mehr drin, weil das Kind beim Kindersport gestriezt wird oder einen Freund zu Besuch hat.

Apropos.

Früher, also vor Corona, sind wir Alten oft in den nahen Biergarten geflüchtet und haben den Bubi gezwungen, die Aufsicht über seinen Bruder zu übernehmen. Weil, das würde sich so gehören! Das war schön. Da hatten wir dann auch Zeit für Gespräche und Innigkeit, die über permanente Co-Anwesenheit im selben Raum hinausging. Wir zwei vermissen in der aktuellen Situation unterschiedliche Dinge: Ich vermisse Ruhe, Zeit für mich ganz allein, ohne Ansprache und Gespräche. Ich renne dafür jeden Tag, ich renne weg von allen. Ich renne zwanzig Kilometer in der Woche, ich war noch nie so sportlich wie in diesem Jahr. Joggen ist meine Zeit für mich allein. Dennoch: Auch der Mann hängt durch. Der Mann dauert mich sehr, denn er vermisst die Biergarten- und Kneipenbesuche gerade schmerzlich. Seine Kumpels, seine Sportfreunde, niemanden kann er treffen, und noch nicht mal mit der Ehezicke ausgehen. Ich werde deshalb für den Mann einen Heizpilz anschaffen und eine Biertischgarnitur und beides vors Haus stellen. Dann setzen wir uns davor und ich spiele Biergartengeräusche auf dem Handy ab, als Hintergrunduntermalung. Dass der Mann traurig ist, ist das Schlimmste.

Wir sind gesund, wir sind privilegiert, wir wissen das und sagen uns das in Demut auch gegenseitig immer wieder. Aber wir sind dennoch weit entfernt von achselzuckender Gleichgültigkeit, und da möchte ich noch nicht mal die Weltverschwörer, Coronaleugner und die Verantwortung der „Coronaeltern“ thematisieren – ihr wisst Bescheid. Ein langer Winter liegt vor uns.

Irgendwie hat der Begriff „besinnliche Zeit“ in diesem Jahr ein Geschmäckle. Ich dachte mir das auch schon beim Dekorieren für die Adventszeit. Für wen mache ich das eigentlich? Meinen Kerlen ist das herzlich Wumpe – im Idealfall – wahrscheinlich regen sie sich auf, dass so viel Zeug rumsteht. Also noch mehr als sonst. Und dass ich so viel backe, weil, sie wöllten das nicht essen und fett werden, aber wenn ich das backe, dann müssten sie es auch essen und deshalb: Warum backst du andauernd?! Das frage ich mich langsam auch. Denn es kommt ja keiner! Niemand wird zu Besuch kommen, die Deko loben und die geschmackvollen Bäckereiprodukte genüsslich vertilgen.

Besinnlichkeit reloaded, rebootet, downsized, anders als sonst. Nähe trotz Distanz, Zuneigung ohne Berührung, Kontakt trotz Aufruf zu Kontaktlosigkeit, kann das gehen? Am: „Wie?“, denke ich gerade herum, eine Woche vorm ersten Advent.

Und ich will euch was erzählen. Vor einigen Wochen traf ich mich (kontaktarm, natürlich) mit einer Freundin. Es ging thematisch im Gespräch irgendwann um den bevorstehenden vierzehnten Geburtstag der ältesten Tochter. Diese Freundin und ihr Mann haben vier Kinder, sind beide berufstätig und sogenannte „Aufstocker“, heißt, das Familieneinkommen liegt trotz Berufstätigkeit unter der allgemeinen Bemessungsgrenze und deshalb wird die Familie bezuschusst. Geld war nie ein Thema in unseren gemeinsamen Gesprächen und diese Leute sind alles andere als Barmer oder thematisieren ihre finanzielle Situation, nein. Sie erzählte mir, die Tochter wünsche sich zum Geburtstag einen Besuch im Belantis-Vergnügungspark, sie wöllte Achterbahn fahren mit ihrer Freundin! Das sei ihr einziger Wunsch und dieser leider nicht zu erfüllen. So ein Tagesticket sei einfach nicht drin, weil auch neue Fahrräder angeschafft werden müssten und die würden nun mal täglich gebraucht, weil ein Auto hat die Familie nicht. So ging das Gespräch, es war mehr die Traurigkeit der Freundin, dass sie den Wunsch nicht erfüllen konnte, die Thema war, eigentlich auch zum ersten Mal überhaupt.

Dieses Gespräch hat mich nachhaltig berührt. Ich dachte an andere Jugendliche in meinem Bekanntenkreis, die sich zum vierzehnten Geburtstag ein neues Smartphone wünschen (die Tochter meiner Freundin hat gar kein Handy) oder ein angesagtes Longboard, einfach so, und damit rechnen können, dass ihr Wunsch in Erfüllung gehen wird.

Ich schrieb Belantis an. Erzählte von dem Geburtstagswunsch und fragte an, ob es nicht möglich sei, dass der Vergnügungspark das Mädchen einladen würde – bot an, das dann auch zu bewerben, über diese Aktion zu schreiben, wenn das gewünscht wäre. Sie haben nicht geantwortet. Ich schrieb ein zweites Mal an die Pressestelle des Vergnügungsparks, wieder keine Antwort. Dann sah ich zufällig auf Instagram, dass just zu dieser Zeit eine Marketingkampagne lief, in der Tagestickets verlost wurden für Belantis! Bei einem „Influencer für Vergnügungsparks“. Ich schrieb also auf diesen Beitrag, schrieb, ich wöllte die Tickets unbedingt gewinnen! Schrieb über den Hintergrund, den sehnlichen Geburtstagswunsch einer Vierzehnjährigen, markierte Belantis in diesem Post, tat, was nötig ist, gesehen zu werden. Nichts geschah.

Ich konnte das nicht nachvollziehen. Das muss man verstehen: Die machen zur selben Zeit eine Werbekampagne um Leute trotz Corona zu sich zu locken, verlosen Tickets an irgendwen, bezahlen dafür sogar Menschen mit werbewirksamem Insta-Account, aber reagieren nicht auf meine Anfrage?! Es wäre ein Leichtes gewesen, zwei Freitickets zu spendieren und ein bestimmtes Mädchen sehr glücklich zu machen. Wollten sie nicht. Und nein, dass meine Mails oder mein Kommentar (trotz Markierung) nicht gelesen wurde, das glaube ich einfach nicht. Zack, du kommst hier nicht rein! (Und ich für meine Person will dort auch nie wieder rein) Ich war unfassbar enttäuscht.

Jetzt wollte ich erst recht meiner Freundin eine Freude machen und erinnerte mich, dass sie mir mal erzählte, dass es seit der Geburt des jüngsten Kindes kein Foto gäbe, das sie alle als Familie zeigen würde. Weil, Leben in Großfamilie und Hektik und so. Ein Foto, das sie alle zeigt. Ich rief Franzi an und fragte, ob ich bei ihr ein kleines Familienshooting buchen könnte für eine befreundete Familie. Nachdem ich die Geschichte erzählt hatte, war Franzi genauso berührt wie ich und erklärte, sie wöllte unbedingt die Familie porträtieren und selbst verständlich dafür kein Geld von mir nehmen. Und dass es Situationen gibt, da geht es nur darum, jemandem ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Etwas zu verschenken von dem, was man selbst hat oder kann an jemanden, der ebendieses nicht hat oder kann.

Vielleicht ist es das. Auf einander schauen. In diesem Jahr noch mehr als sonst. Die einen Mitmenschen hamstern Nudeln und Klopapaier und schauen, was der Nachbar so treibt – noch ärger als sonst – während andere besonders auf die Menschen schauen, die es auch in weniger anspruchsvollen Zeiten nicht unbedingt immer unbeschwert und leicht haben. Während die einen auf die Regierung schimpfen oder sich und andere gefährdend im öffentlichen Raum agieren, engagieren sich die anderen unter den nun noch schwierigeren Bedingungen zum Beispiel für diejenigen, die wir gern übersehen in unserer Vorweihnachtsfreude. Das soll mir ein Licht sein für die kommenden Wochen, eine Laterne für meinen eigenen Weg durch diese besondere Zeit, die vor uns liegt. Der Geist der Weihnacht zeigt sich vielleicht nie wieder so deutlich wie in diesen Zeiten.

Ich wünsche uns allen besinnliche Weihnachten.

~

Dieses Foto hat Franzi gemacht, als sie vor zwei Jahren zum Shooting bei uns zu Hause war. So schön finde ich uns nie, nur auf Franzis Bildern. Sie kann Dinge sichtbar werden lassen, die wir selbst viel zu selten sehen. Sie ist ganz sicher einer von diesen „anderen“ Menschen.

 

 

Sieben Sachen am Ewigkeitssonntag

Sieben Sachen, die ich heute mit meinen Händen gemacht habe.

Zweige vom Elberadweg in einer Vase drapiert…

… Stollenteig zusammengerührt (Es ist höchste Zeit; im übrigen habe ich drei volle Packungen Sternanis in meiner Rabusche gefunden. Sollte jemand engpassen von euch, bitte melden!)

… das erste Räucherkerzchen der Vorsaison angezündet (Geschmacksrichtung „Marzipan“)

…das diesjährige Adventskerzenunspektakel sehr streberhaft eine Woche vor Fälligkeit aufgebaut

… Kreidemalstifte hervorgekramt

… Kerzen angezündet. Vorm Haus, im Haus, und dabei an all die Menschen gedacht, deren Stimmen ich nur noch in Gedanken höre

… am Schal weitergestrickt.

Sieben Sachen Sonntag/ 08.11.2020

„Sieben Sachen, die ich am Sonntag mit meinen Händen gemacht habe“, so lautete einst die Beschreibung dieses Sieben-Sachen-Sonntags-Posts bei Frau Liebe, die leider nicht mehr bloggt und die neben vielen anderen ehemaligen Bloggern schwer vermisst wird in diesem Internetz. Also von mir.

… ein fleißiges Schulkind bei den Hausaufgaben gestreichelt

… einen Schal begonnen zu stricken; Fertigstellungsdauer geschätzt: einmal BER

… trocknende Waldpilze gewendet

… Rosenkohl in Butterbröseln gewälzt

…Herbstlaub in Säcke geschaufelt

… und anderes Herbstlaub (nämlich Gingko) draußen gesammelt und zum Trocken in ein dickes Buch (Elisabeth George) gesteckt; nächstes Jahr wird das im Herbst ein hübsches Mobile abgeben, die Gingkoblätter mit goldenem Basteldraht umwickelt und an einen knorrigen Ast gehängt

… aus einer löchrig gewordenen Fleecedecke frei Schnauze eine Kuschelhose für das Kind genäht

(das Kind hasst die Hose)

… Ingwer und Zitrone kleingeschnibbelt und mit Honig und einem Kräuterteebeutel aufgegossen

Saul Goodman

Ihr kennt sicher die Netflixserie mit selbem Namen, und wenn nicht, es geht um einen Anwalt, der – neben vielen spektakulären Kawenzmännerdingens in und außerhalb des Gerichtssaales- seinen Namen ändert von James McGill in Saul Goodman, was jedem Menschen auf der Suche nach einem Rechtsbeistand Vertrauen vermittelt. Wenn man das hört. Also mir. Außerdem kennen wir diesen Saul Goodman alle schon aus „Breaking Bad“, und wenn dir das auch nichts sagt, dann, also dann weiß ich auch nicht, was das noch mit dir werden soll… dann musst du nachsitzen und nachschauen, alles!

Saul Goodman. It´s all good man.

Also. Ich habe mich in Sachen verhunzte Abiturprüfung vor einiger Zeit (ganz genau am sechsten Juli) in juristisch bewanderte Hände gegeben. Im Vorfeld fand ich spannend, dass es (besonders) eine Kanzlei gibt, die bundesweit vertreten will und explizit damit wirbt, Abitur- und andere Prüfungen anzufechten. Sinngemäß steht da, war es zu heiß, zu kalt, der Lehrer war gemein zu dir, sprich mit uns! Natürlich steht da nicht, dass man dann seine Prüfung anfechten kann! Natürlich nicht, das sind Anwälte, aber der juristisch unterbelichtete Laie könnte es so auffassen.

Ich wollte einen Saul Goodman. Einen, bei dem ich mich in Dresden Vorort an einen Schreibtisch setzen kann um die Sachlage zu erörtern. Ich fand in Dresden zwei Kanzleien für Verwaltungsrecht (das ist die relevante Sparte). Einer der beiden Anwälte hat außerdem vor Jahren eine Schule mitbegründet (das konnte ich in der Vita lesen) und hat eine autistische Tochter, die kurz vorm Abitur steht (was ich später im Gespräch erfuhr). Volltreffer! Weil er ja dadurch abseits von Gesetzestexten auch persönlich  irgendwie in das Thema involviert war, was mich hier umtrieb. Abitur plus Inklusion plus Kacke alles. Dieses Thema. Ich dachte irgendwie so bei mir, puh, jetzt ist es auf dem seinem Schreibtisch und jetzt wird alles gut. Jetzt macht der das! Natürlich nur gegen kontinuierlichem Einwurf kleiner Münzen, versteht sich. Ich will euch berichten, wie das so war.

Alles startete mit einer Rechtsberatung zum Thema, der Bubi und ich waren anwesend und Saul Goodman hat das Vorgehen erörtert. Wir haben einen Vertrag geschlossen und für diese erste Rechtsberatung zweihundertfünfzig Euro bezahlt. Er hat uns das weitere Vorgehen erklärt und uns auch informiert, dass es im ersten Schritt  – also bis es zu einem Gerichtsverfahren käme – um die eintausend Euro kosten könnte. Er würde aber kostentransparent arbeiten, sodass wir keine Überraschungen zu erleben hätten. Wir hatten ein gutes Gefühl und waren (sind) außerdem rechtsschutzversichert. Lessons learned: Die Rechtsschutzversicherung (also unsere) greift in so einem Fall erst ab den Gerichtskosten. Alles, was außergerichtlich mit anwaltlichem Beistand zu klären ist, bezahlen wir aus eigener Tasche.

Dann flossen viele, sehr viele Mails hin und her. Im ersten Schritt hat Saul Goodman die Schule informiert, dass wir Einsicht in die Prüfungsunterlagen fordern. Das läuft auf privaten Schulen anders als bei öffentlichen, habe ich mir sagen lassen. Bei öffentlichen Schulen findet da wohl ein Sichtungstermin bei der Schulbehörde statt, bei uns war es direkt in der Schule. Wir mussten nicht dabei sein. Saul Goodman hat die Prüfungsbögen des Bubi, die Aufgabenstellung und auch die Lösungsbögen bekommen und konnte Kopien machen. Ziemlich zeitnah legte Saul Goodman vorsorglich Widerspruch gegen diese eine Prüfung ein, bei der Schule. Wir hatten uns auf die durchgefallene schriftliche Mathematikprüfung fokussiert, es hätte auch die mündliche Nachprüfung sein können (auch durchgefallen), aber die Erfolgschancen standen bei „schriftlich“ irgendwie glänzender am Horizont.

Danach bekamen wir diese Kopien und sollten überprüfen, ob wir einen Ansatzpunkt für einen Widerspruch finden. Das war schwierig. Zum einen dachte ich naiv, der Anwalt hätte da irgendwen am Start oder selbst Expertise um das zu bewerten und zum anderen, ich meine, Leistungskurs Mathe?! What? Ich habe gar nichts verstanden! Und die Lösungsbögen waren ebenfalls kryptisch. Als Laie blickt man nicht durch das Benotungssystem, das kann ich euch sagen. Was da mit wieviel dreiviertelhochachtzehn Punkten bewertet wurde, puh. Abhilfe schaffte zum einen die Aufklärung über das Benotungssystem, die eine befreundete Lehrerin übernommen hat und der Bärtige als einziges Familienmitglied mit höherem Mathematikverständnis hat dann tagelang über den Seiten gebrütet mit dem Ziel, nicht bewertete Extrapunkte zu finden oder Ungereimtheiten.

Der Mann kam zum Schluss, dass mindestens ein Punkt mehr gegeben werden müsste. Danach brauchten wir noch einen Experten von außerhalb, da wir uns nicht in der Lage sahen, das alleine zu begründen. Ein Mathelehrer musste her! Nun war es so, dass wir den auch selbst suchen mussten. Es ist nämlich (leider) nicht so, dass eine Sache, einmal in anwaltliche Hände gegeben, dann auch von selbst läuft. Nein! Ich dachte im Vorfeld, so ein Fachmensch hat da einen Stab an Experten im Telefonbuch, die er entsprechend der Anforderung einfach so zu Rate zieht. Und uns das dann nur in Rechnung stellt. Nein, Eigeninitiative war wirklich an der Tagesordnung.

Der unabhängige Mathelehrer hat sich das dann auch noch mal angeguckt (gegen einen Obolus von 150,00€) und ebenfalls einen Punkt gefunden, der unter Umständen noch bewertet werden müsste.

Nun war es allerdings so, dass dieser eine Punkt den Bubi nicht bis zur Mindestpunktzahl von fünf katapultiert hätte. Man muss es nicht umschreiben: Diese Matheprüfung strotzte vor Minderleistung. Das Perfide war ja, dass er mit wirklich guter Vornote in die Prüfung gegangen war und nicht rekapitulieren kann, was da los war, warum er an diesem Tag das nicht zeigen konnte. Für diejenigen, denen die Vorgeschichte nicht geläufig ist, hier kann das noch mal nachgelesen werden.

Was wir gefunden haben, war eine zum Teil absurde Umsetzung der geforderten Aufgabenadaption, die – laut Anwalt – eine gute Aussicht auf Klageerfolg hätte. Wir haben uns dagegen entschieden. Ich erkläre das gleich. Gewünscht hätten wir uns etwas wirklich profanes wie zwei bis drei Ansätze hinsichtlich der Benotung. Dann hätten wir über die Schule oder Bildungsagentur relativ zeitnah eine Wiederholung erreichen können, bei einer Klage ist das anders. Wenn wir klagen, dann muss das bei Gericht eingereicht werden. Dann wird irgendwann ein Termin festgesetzt, dann muss vorgetragen, bewiesen etc. werden, irgendwann wird darüber dann entschieden. Selbst wenn zu unseren Gunsten, wann wäre das denn? Das kann keiner sagen. Denn es ist ja nun so, dass unser Sohn sich um eine Ausbildungsstelle bewerben wird. Stell dir vor, er bekommt dann für Sommer nächsten Jahres einen Nachprüfungstermin, ist aber zum Einen schon aus dem Stoff raus und zum anderen, was bedeutet das dann für den Ausbildungsplatz? Wegschmeißen und sich schnell noch auf einen Studienplatz bewerben, wenn er denn bestünde? Nein, das funktioniert nicht für uns. An dieser Stelle endete das für uns. Also wirklich. Eine Ausbildung mit Abitur ist jetzt hier im Gespräch bei einem Bildungsträger, der viele junge Menschen mit Autismusspektrumstörung ausbildet. Darauf arbeiten wir nun hin.

Ich muss auch noch erwähnen, dass ich sehr wohl die erschwerenden Aspekte mit dem Saul Goodman diskutiert habe: Corona, manche Länder vergaben sogar Extrapunkte, kein Schulintegrationshelfer, unklare Tutorbegleitung. Das ist alles nicht schön, das fand er auch, allerdings hat er mir sehr ernst klar gemacht, dass ich mich SOFORT und in der Situation des Eintretens beschweren hätte müssen und Abhilfe fordern. Nun, im Nachgang, nach verhunzter Prüfung, lässt das kein Richter mehr gelten. Warum haben sie denn nichts gesagt?! Na, ganz einfach, weil alle immer gesagt haben, ich bräuchte mir keine Sorgen zu machen. Und das habe ich dann auch getan – mir keine Sorgen gemacht. Das hat man nun davon.

Im übrigen sind alle Schritte, die wir gegangen sind, bis zur Klageeinreichung bei Gericht ohne anwaltlichen Beistand zu bewältigen. Ich hätte schlichtweg nicht gewusst, wie. Das ganze hat uns etwas über eintausend Euro gekostet. Wenn ihr in so einer Situation seid, wisst ihr nun, Einsicht in alle Unterlagen ist Bürgerrecht. Und Widerspruch kann jeder durchgefallene Abiturient formal selber stellen (oder der gesetzliche Vertreter). Danach braucht ihr jemanden, der das beurteilen kann und dann geht ihr mit dem Ergebnis zur Schule zurück und die kann „dem Widerspruch stattgeben“, das heißt, Fehler in der Prüfung eingestehen und das setzt dann irgendwie einen neuen Prüfungsversuch in Gang, oder sie sagt, „nicht stattgegeben“, und dann muss das vor Gericht, wenn ihr das wollt. Und dann braucht ihr zwingend einen Anwalt, der mit euch die Erfolgsaussichten klärt und auch, wie lange sich sowas hinziehen kann. Es ist ja so, wie Annett Louisan schon sang: … So viele Dinge bekommt man erst dann, wenn man sie nicht mehr gebrauchen kann. Im übrigen entbehrt das Lesen keiner Rechtsberatung, ich habe keine Ahnung, ich gebe nur wieder, was ich erlebt habe und was mir gesagt wurde. Immerhin könnt ihr euch gegebenenfalls tausend Euro sparen wenn euch zumindest der Prozess bekannt ist. Vielleicht wusstet ihr das alles auch schon oder habt das BGB gelesen und verstanden. Anderenfalls war es hoffentlich eine nette Lektüre! 😉

Wir schauen optimistisch in die Zukunft und ich bin friedlich, was das Thema angeht. Ich habe Frieden geschlossen. An dieser Stelle ist jetzt und hier alles gekämpft. Der Sohn will nie wieder einen Fuß in diese Schule setzen, muss er nicht. Er macht jetzt ein freiwilliges Jahr, was ihm gut gefällt und wo alle ihn mögen, was ihm außerdem sehr guttut und im nächsten Jahr dann halt Ausbildung. Und wer weiß schon, was danach ist. ich weiß noch nicht mal, was nächstes Jahr ist! Kleine Schritte und annehmen, was ist, das sind die Lektionen von 2020. Wer weiß, ohne Corona würde ich vielleicht anders aufgestellt sein. Jetzt ist es so, wie es ist. Ich hab den Sohn gefragt, was willst du?! Sollen wir weitermachen? Er meinte, nein. Er wird sich also nun 2021 mit seinem Abiturzeugnis ohne Abschluss um eine Ausbildung bewerben und wenn die Entscheider dort lesen können und wollen, sehen sie recht passable Leistungen aus drei Jahren Gymnasium, das ist doch was.

Ach so! Wenn ihr mich tatsächlich nach einem Rat fragen würdet nach dieser Sache, dann möchte ich den Bubi selbst zitieren, der meinte zu mir: „Wenn ich noch mal von vorn anfangen könnte, würde ich niemals Mathe/Info als Leistungskurs nehmen! Nicht, weil mir das nicht liegen würde, sondern, weil es die allerschwerste Prüfung ist mit dem meisten Stoff. Ich würde Englisch wählen oder etwas, was leicht zu schaffen ist, wo man leicht Punkte einsammeln kann.“. Damit hatte der Bubi hier das letzte Wort und das Kapitel ist nun abgeschlossen. It´s all good, man!

 

 

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Geschenke

Disclaimer. Bevor eine(r) auf die Idee kommt, hierbei handelt es sich um eine gefühlsduselige Textkomposition über die immateriellen Geschenke meines Lebens – Kinder, Liebe, Gesundheit, Frieden, jaja, das ist alles sehr schön – nein! Es geht hier wirklich um Zeug! Gekauft! Mit Geld! Verpackt! Überreicht!

Am kommenden Sonntag ist der minus sechste Advent, wenn ich richtig gezählt habe. Höchste Zeit, sich auf die Weihnachtsgeschenke zu konzentrieren.

Bei uns werden in Google Dokumente öffentlich gepflegt, auf denen Wunschzettel beschrieben werden von allen Familienmitgliedern, die denn des Schreibens mächtig sind. Das mit den Wunschzetteln ist leider nötig, denn irgendwie neigen hier alle zu zweckmäßigen Geschenken oder besser gesagt zu ich-weiß-einfach-am-besten-was-du-wirklich-brauchst-Geschenken.

Wir gehen mal ein paar Jahre zurück in der Geschichte. Ich hatte vor dem Bärtigen mal einen Freund (Hört, hört!), der war sehr kultiviert. Er war zehn Jahre älter als ich, weit gereist, eloquent, gebildet, immer todschick gekleidet. Er trug Budapester, ich hatte nur Schuhe. Vom Reno. In dem Jahr, als wir eine gemeinsame Wohnung bezogen, schenkte er mir – dieser oben beschriebene Kerl – einen Eierkocher für zehn Eier! Das wars. Das war mein Weihnachtsgeschenk!

Das Trauma sitzt tief bei mir. Zumindest so tief, dass der „Eierkocher für zehn Eier“ hier sehr wohl als Thema bekannt ist. Allen ist klar: Ich will keine praktischen Geschenke! Und auf gar keinen Fall will ich Haushaltsgeräte und dergleichen mehr! Wer mir sowas schenkt, der liebt mich nicht. Der Mann darf mir Schmuck schenken (nachdem ich ganz genau gezeigt habe, was ich will), Unterwäsche, Parfum, Wochenendtrips, sowas eben. Ich verweigere mich dem in-diesem-Jahr-schenken-wir-uns-nichts-Gedanken ebenso vehement wie der Unart mancher Leute, sich gemeinsam etwas zu kaufen. Etwas praktisches meistens. Ein Küchengerät, ein Fernseher, ein neues Bett. Entsetzlich! Also für meinen Geschmack. Ich schlafe lieber auf einer Matratze auf dem Boden und benutze Omas alte Flotte Lotte, als dass ich auf persönlich für mich ausgesuchte Geschenke verzichte.

Der Mann weiß das, der Mann kennt mich. Dennoch erinnern wir uns mal an letztes Jahr. Heiligabend. Der Rotbemantelte kam zur Tür rein und grabschte übergriffig an seinem Enkel herum, während er seinen Sack entleerte.

Unten in der Mitte des Bildes seht ihr den zukünftigen Stein des Anstoßes meinerseits. Das Paket war für mich! Ich packte eine Pappschachtel aus, auf der gut leserlich stand: „Heizdecke“. Ich frotzelte, dass das eine wirklich originelle Verpackung sei für einen Ring/ ein Armband/ irgendwas von „La Perla“, der Mann sagte nichts. Ich zerrte das Innenleben der Schachtel ans Licht – eine Heizdecke! Mit Stromkabel!- und war fassungslos. Ich schüttelte die leere Verpackung in der sicheren Annahme, da käme noch etwas Güldenes rausgekullert, nichts! Mein Blick glich in etwas diesen Figuren meiner Kurrende:

„Oh! Es ist wirklich eine Heizdecke!“

Oh du fröhliche, jedenfalls nicht für mich. Und auch nicht für den Mann. Mindestens achtundvierzig Mal zischte ich ihm in den nächsten Tagen zu: „Du hast mir ernsthaft eine Heizdecke geschenkt! Ich meine, eine Heizdecke?! Bin ich deine Geliebte oder deine Großmutter?! Wie, du willst Sex? Mit jemandem, dem du eine Heizdecke gekauft hast? Vergiss es!“. Der Mann hatte viel Freude an seinem Geschenk. Ich missachtete jede seiner Erklärungen, mir sei doch immer so kalt und er wöllte nicht, dass mir immer so kalt sei! Geschenkt.

Jedoch, ich gebe es nur ungern zu und auch nur euch gegenüber: Ich liebe sie! Also die Heizdecke. Sie ist unter dem Bettlaken versteckt und keiner sieht sie. Und ich würde den Besitz natürlich sofort abstreiten, wenn ich danach gefragt würde! Sofort! Aber wisst ihr, wie herrlich das ist, an so einem kalten Regentag abends in ein warmes Bett zu steigen? Wunderbar ist das. Kein Wort zu dem Mann darüber! Wir verstehen uns.

Neulich kommt ein größeres Paket an, der Mann kriegt andauernd Pakete. Der Bärtige ruft mich und erklärt, das sei ein Geschenk! Für mich! Und weil es praktisch sei, bekäme ich es nicht zu Weihnachten geschenkt. Ich habe nur vorsichtig gefragt: „Wünsche ich mir es denn?!“, und er so: „Nein, das nicht. Aber du brauchst es!“. Ich frage noch nach, ob es wieder so „schön“ sei wie der Schuhstapler, den ich neulich erst geschenkt bekommen hätte?!

Ich habe ausgepackt:

Geschenk; man kann wippen damit

 

„Hast du gesehen, dass es beweglich ist?“, fragt der Mann. „Du kannst mit den Füßen wippen!“, sagt der Mann. Und: „Weil du so klein bist, kannst du ja nie richtig am Schreibtisch sitzen. Jetzt kannst du deine Füße abstellen!“.

Ich habe mich nicht bedankt. Unerwünschtes Verhalten muss nicht belobt werden. Was kommt nach Heizdecke und Fußbank? Ein praktischer Rollator? Nun muss ich aber leider sagen (also nur euch gegenüber), dass ich mit dieser blöden Fußbank tatsächlich meine Achillessehnen dehne, während ich arbeite. Weil ich als ehemalige Turnerin mit hypermobilen Bändern erhebliche orthopädische Probleme habe, die ich prinzipiell natürlich verschweige, und dazu zählen auch Hohlfüße. Wer niemals gelernt hat, über die Fersen zu laufen (Tänzer kennen das Problem auch), der kriegt dann später Probleme mit den Füßen. Und woanders auch. Ein Stützkorsett für die Lendenwirbelsäule hat der Mann noch nicht angeschafft für mich. (Oh Grundgütiger, hoffentlich liest er das hier nicht!)

Ich bin auch nicht frei davon, unpassende Geschenke zu machen. Wobei man da natürlich sagen muss, dass es der Mann ist, der einen komischen Geschmack hat, nicht ich. Unvergessen ist der Geburtstag, an dem ich ihm einen Tippeditopp Webergrill inklusive allen Zubehörs schenkte und den noch am selben Tag wieder zurückbringen musste mit den Worten: „Mein Mann möchte diesen Grill nicht geschenkt haben. Er grillt nicht so gerne. Er wünscht sich stattdessen einen Squashschläger!“. Dem Verkäufer ist derart das Gesicht entgleist, ihr macht euch kein Bild. Und dabei war ich mir sicher, die (!) Ehefrau des Tages zu sein! Denkste.

Es gibt bei uns nur noch Geschenke auf Bestellung. Deshalb die Google Listen. Keine Experimente! Letztes Jahr Weihnachten hatte ich einen klitzekleinen Vorstoß gewagt und ihm Karten für die Dresdner Humorzone-Gala geschenkt. Die ist dann ausgefallen wegen Corona. Außerdem hat sich der Mann auch nur so dezent nach innen gefreut beim Auspacken.

Ich geh keine Risiken mehr ein, habe ich beschlossen. In diesem Jahr bekommt der Bärtige Sportequipment (Laufhose und Handschuhe zum Joggen) und Bücher von Nele Neuhaus, Jo Nesbo, eine roségoldene Kette mit zwei verschlungenen Ringen, Duftkerzen, das Rosenöl von Weleda, ein Wochenende im Spa und jede Unmenge Häagen Dazs und Blätterkrokant und Minzschokolade. Es ist ganz einfach.

Frohe Vorfreude uns allen!

 

 

 

 

 

Haustiere und andere Unberechenbarkeiten

Wir hatten neulich Lebensmittelmotten in der Behausung. Da das unser erster Angriff war, waren wir nicht nur vollkommen naiv („Guck mal, da fliegt was! Hm, komisch. Naja, wird sich schon wieder verziehen!“), sondern auch überfordert.

Alles fing damit an, dass wir den jungen Mann allein ließen, während wir anderen drei auf Sommerurlaub fuhren. Er war ausgestattet mit dem notwendigen Wissen, allerlei Fertiggerichten und einem Kochbuch für Studenten.

Als wir wiederkamen, hatten wir Myriaden von Flieggetier in Küche und Wohnzimmer. Der Langbeinige erklärte, er habe extra die Balkontür geschlossen gehalten, damit nicht noch mehr hereinkämen! Mir schwante schon, dass die vermutlich nicht von draußen kamen. Nach einer Inspektion der Küche stellte ich fest, dass weder der Biomüll in den vergangenen vierzehn Tagen geleert worden war (den Eimer muss man nicht öffnen, wenn man sich zwei Wochen lang von Tiefkühlpizza ernährt) und der Brotschieber offensichtlich auch nicht (aus demselben Grund). Nachdem ich alles mit Essigwasser ausgewischt hatte und die biologischen Experimente entsorgt, verschwand die Hälfte der Tierpopulation.

Jedoch, es blieben welche, und die schienen sich zu vermehren. Maden kreuchten an den Wänden – es war ekelhaft! Einmal fiel eine von der Decke dem Mann ins Trinkglas. Ich warf sämtliche Gewürzmischungen weg, überprüfte alle Vorräte, ich fand weder das Nest noch angefressene Lebensmittel. Dass es sich um Trockenobstmotten handeln musste, hatte Google Lense zwischenzeitlich erkennungsdienstlich ausgespuckt.

Erleichterung fanden wir letztendlich nur in Schlupfwespenfallen – ich hatte wirklich alles versucht- und dann auch das Nest: Die Ungeziefer und Ungezieferinnen waren in einer Tüte Erdnüsse mit Schale ins Haus eingezogen. Diese Nussschale hatte ich im Vorfeld bestimmt schon zwölf Mal untersucht und keine Spuren gefunden! Erst nach mehreren Wochen fand ich Staub und Fraßlöcher in den Nussschalen. Ein Scheißdreck, sag ich euch!

Nun zieht diesbezüglich langsam Ruhe ein. Es gibt noch vereinzelt Motten, die umherfliegen und den Ausgang suchen. Wir wedeln und klatschen nach ihnen, es ist schon fast ein Reflex, und der Mann läuft ständig mit dem Handsauger umher und saugt die letzten ein.

Neulich jagte das Kleinste ein Mottentierchen und wir feuerten ihn dabei an. Dann erwischte er es und  – Klatsch!- mit der Fliegenklatsche ans Fenster geditscht! Da stand das Kind kurz wie versteinert. Danach brach es in herzzerreißendes Geheul aus: „Die arme Motte! Die arme Motte ist tot! Ich hab die Motte getötet! Die arme Motte!“. Ursache-Wirkung-Prinzip. Seitdem dürfen wir keine Motte mehr erschlagen, wir müssen sie einfangen, sonst gibt es Ärger mit dem Wutzwerg. Er hat ja sonst keine Haustierfreunde.

Anfang September fanden wir einen Igel im Garten. War das eine Aufregung! Wir servierten sofort einen Apfel, denn sieht man nicht auf Bildern in Kinderbüchern ständig Igel mit Äpfeln umherlaufen? Jetzt sind wir schlauer. Igel laufen nur mit Äpfeln auf dem Rücken umher, wenn sie ein Nickerchen unter einem Apfelbaum gemacht haben und ihnen einer auf Kreuz geklatscht ist. Wie soll sich so ein Igel den Apfel wieder aus dem Pelz ziehen? Genau.

Also bequatschten wir „Pieksi“, wie er/sie nun mittlerweile hieß und stellten Wasser auf. Und wirklich, Pieksi hatte sich eine Wurfhöhle gebaut neben unserem Treppenaufgang und mehrere Wochen sahen wir sie (wir wussten nun, es war eine Mami) mit ihren vier Jungen. Wir belasen uns und erfuhren dabei, dass Igelkinder nur etwa drei Wochen gesäugt werden und nach sechs Wochen den Bau verlassen, da Igel Einzelgänger sind. Wir stellten Katzenfutter und Igeltrockenfutter auf (Katzenfutter wurde lieber angenommen; gekochtes Ei verschmäht und rohes Fleisch haben wir nicht ausgelegt). Nach einer Weile sahen wir die Igel nicht mehr tagsüber, was ein gutes Zeichen sei, sagt das Igel-Internet. Denn Igel treiben sich nur tagsüber umher, wenn sie hungrig/durstig/in Not sind.

Nun gingen wir abends umher, mit Handytaschenlampen bewaffnet um die Igelchen zu sehen. Besonders der Bärtige zeigte ein über-igel-mäßiges Verhalten. Er lief abends das Grundstück ab und bequatschte die Igelkinder, was sie denn am Zaun suchen würden, sie sollen wieder zurück gehen ins sichere Versteck und auch sonst benahm er sich komisch. Er fragte mich dann täglich, ob ich schon unsere Igelkinder gefüttert hätte! Oder er formulierte es als einen Vorwurf: „Du hast unsere Igelkinder heute noch gar nicht gefüttert!“. Als ob die nicht bautechnisch dafür vorgesehen wäre, sich Nacktschnecken zu suchen! Und der Mann nicht in der Lage wäre, selbst was hinzustellen! Aber so ist das.

Wir hatten auf einmal fünf Pieksis. Dann waren es nur noch vier. Eins der Kinder wurde bei Nachbars auf der Wiese gefunden, alle vier Beinchen nach oben gestreckt. Es wurde amtlich beerdigt und wir waren alle furchtbar traurig. Seitdem wurde es still und oft sagte ich, ich dächte, es wäre nur noch einer da. Man sähe immer nur einem am Futter! Als ob ich drei Igel von einander unterscheiden könnte. Außerdem wurde kurz erwägt, alle Schlupflöcher im Zaun abzudichten, damit keines mehr rauskäme und dadurch in Gefahr. Das wurde dann aber aufgrund unserer DDR-Erinnerungen verworfen. Wer Freiheit sucht, stürzt sich in noch halsbrecherische Abenteuer, baut einen Fallschirm aus einer Katzenfutterdose oder was weiß denn ich.

Jetzt ist es still. Die letzte Schale heißbegehrtes Katzenfutter (Marke: „saftiges Huhn“) habe ich heute in den Müll geworfen, drei Tage stand es unangerührt da. Mir ist das Herz schwer. Der Mann denkt, die Igel haben sich unter die Treppe verzogen in den Winterschlaf. Dabei ist es noch nicht mal kalt nachts. Ich bin traurig. Der Mann ist traurig.

Immer öfter kommt deshalb das „Hundethema“ auf den Plan.

Nun muss man wissen, dass ich komplett durch bin war, was dieses Thema angeht, ich habe sogar hier schon mal berichtet.

Was in dem Beitrag völlig fehlt, ist der Umstand, dass wir durchaus wissen, wie es ist, mit einem Hund zusammenzuleben. Das ist auch der Grund, warum wir niemals leichtfertig die Entscheidung treffen würden, uns wieder einen „anzuschaffen“.

Ich hatte Eva, einen Bullterrier, bevor ich den Mann kennenlernte. Ein kluges, sensibles und vollkommen verstörtes Wesen, das aus einem Kofferraum an der tschechischen Grenze gerettet wurde. Zerbissen und vollgekackt war sie dort zwischen zig anderen Welpen eingepfercht gewesen. Sie war gerade vier Wochen alt, als sie zu mir kam. Die Zeit, die ihr zur Zivilisation fehlte bei ihrer Mutter in ihrem Rudel, die haben wir nie aufgeholt.

Dann kam der Mann und Benni. Benni hieß Olaf und war ein DSH-Mix unschätzbaren Alters, als er zu uns kam. Benni saß im Tierheim als Wiederholungstäter. Mindestens dreimal wurde er wieder zurückgebracht. Er sei in das Kinderbett gesprungen, man befürchte, er wolle das Baby beißen, hieß es zum Beispiel von ehemaligen Besitzern. Nun erkennt jeder Mensch, der sich mit Hunden ein wenig auskennt, was das Verhakten eigentlich sagen soll: Ihr habt ein neues Baby, das bekommt ganz viel Aufmerksamkeit, ich will auch Aufmerksamkeit!

Benni durfte sein Altenteil bei uns fristen. Er war liebevoll, immer bei unserem Bubi, der später dazukam, hat den Kinderwagen bewacht und den Schlitten gezogen im Winter (das waren damals noch Winter, in denen man einen Schlitten brauchte). Bennis Halsband liegt noch immer bei uns im Keller in einer Schachtel. Bei jedem Umzug nehmen wir es mit, selbstverständlich. Als wir Benni einschläfern mussten, hat der Mann so sehr geweint, dass ich dachte, er würde an gebrochenem Herzen sterben. Es war klar, niemals wieder kommt ein Hund zu uns, denn Hunde werden nun mal nicht älter als maximal dreizehn Jahre. Und große schon gar nicht.

Denn wenn wir uns manchmal (theoretisch) über einen neuen Hund unterhalten, wird klar, unter fünfundzwanzig Kilo wird es nicht werden! Rhodesian Ridgebacks, Viszlas, Weimeraner, das sind die Rassen, die uns gefallen. Erstaunlich finden wir dabei immer wieder, dass es sich dabei dann später um Moderassen handelte. Einen „ungarischen Vorstehhund“ kannte vor zehn Jahren kaum einer. Heute weiß fast jeder, wie ein „Viszla“ aussieht.

Wir sprechen oft darüber, wie schön das wäre, einen Hund im Haus zu haben. Was das für die Kinder für ein toller Zugewinn wäre. Dass es diesmal ein Welpe sein dürfte, weil wir beide schon unser Soll an traumatisierten, kranken Hunden erfüllt hätten und ob man denn so egoistisch sein dürfe. Und die „Zuchtfabriken“! Und was ist mit den Straßenhunden?! Wir reden.

Und immer mehr wird klar, der Mann will. Jetzt, nicht erst im hohen Rentenalter. Die Kinder wollen sowieso, denen wäre komplett egal, was das für ein Viech wäre! Die nähmen sogar begeistert irgendein Reptil auf, das sich einen Scheiß um uns schert und süße Gerbels verfüttert bekommen müsste, lebendig. No way.

Ein Hund steht also zur Disposition (das mit der Schlange wurde von meiner Seite nur ganz kurz tatsächlich erwogen).

Die Argumentation dafür ist außerhalb der emotionalen (da sind sich alle einig) eher organisatorischer Natur und zielen darauf ab, dass ich a) im Home Office arbeite und mich deshalb b) ja darum kümmern könnte. Natürlich können anders als damals der neue Hund in die nahe gelegene Hundetagesstätte gebracht werden (von mir), allerdings wäre ich dann dennoch dafür hauptverantwortlich. Morgens stehe ich als erster Mensch auf. Zu wem würde wohl der Hund kommen, um zu signalisieren, er wöllte raus? Nachmittags sind das Kind und ich zugange, und der Hund. Der Mann muss ja zum Arbeiten weit weg und ist zehn Stunden aushäusig. Was ist mit einkaufen? Wo bleibt dann der Hund? Was, wenn ich mal zum Arzt muss? Ein Welpe ist im Handling ja auch noch mal anders. Nachts raus, teilen wir uns das? Wie ist das, wenn ich nachmittags noch mal los muss, um Schulkram zu besorgen oder mit dem Kind zum Sport? Wie soll ich das machen? Kann ich das organisieren und besser: Will ich?

Das, was da gefühlsmäßig meine Bedenken flankiert, ist im Großen und Ganzen das blöde mental-load-Thema, das ich so überhaupt nicht für mich in Anspruch nehmen will. Weil es weh tut! Weil es dort zwickt, wo sich Gewohnheit und Bequemlichkeit Fahrspuren für den Alltag gefräßt haben. Weil wir dann ganz schnell nicht mehr über ein Haustier sprechen, sondern über Allgemeinplätze und wer wann was und am meisten macht. Ich will das nicht.

Unberechenbarkeiten. Vor fünfundzwanzig Jahren und zwanzig Jahren kamen die Hunde eher zufällig in mein Leben. Ich habe damals nicht groß nachgedacht, wie das werden könnte. Ich habe mein Leben darum herumorganisiert. Heute nun gehe ich alle Eventualitäten in Gedanken durch und versuche, theoretische Lösungen zu erarbeiten für noch nicht eingetretene Situationen! Weil die Verantwortung gestiegen ist. Weil ich nicht mehr nur für mich und mein Leben verantwortlich bin, das ist es.

Am besten wäre, uns würde ein Hund zulaufen, dann wäre das entschieden. So wie die Igel. Oder die Motten. Könnte mir bitte einer einen Weimeranerwelpen ans Tor bringen, mit einem Schild um den Hals: „Ich bin zugelaufen! Ich wohne jetzt hier!“?

 

 

 

Vom Leben mit Schulkind

Der Herbst steht auf der Leiter und wirft von dort oben Eicheln mit Vorhaut nach uns. So benennt der Hauptakteur dieses Posts zumindest die Früchte der Eiche.

Vier Wochen Schule liegen nun bereits hinter und. Höchste Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen.

Eichel mit Vorhaut

Alles fing an, wie sowas immer anfängt. Mit Aufregung nämlich. Vor der Schuleinführung stand der Familienurlaub, bei dem der Bärtige beim Anreisetag aus der Familienkutsche stieg und verkündete, er könne sein linkes Bein nicht mehr bewegen – Fazit: Bandscheibenvorfall S1/L5 und das wäre ein guter Scherz, wenn es denn lustig gewesen wäre. Bandscheibenvorfall aufgrund einer mittellangen Autofahrt in einem bequemen PKW der Komfortklasse. Aber das war nicht lustig, hauptsächlich für den Mann natürlich, aber wir waren alle betroffen von der Krankenstation am Urlaubsort. Ich meine, am ersten Urlaubstag? Echt jetzt, Karma?!

Danach wurde der Kleine notwendigerweise mini-operiert, es galt neben der Schuleinführung auch noch den siebten Geburtstag inklusive Kindergeburtstag zu planen, der in die erste Schulwoche fiel (warum ich nicht vorher (!) auf die Idee gekommen bin, dass das ein bescheuerter Plan sein würde und stressig für alle und aus diesem Grunde in diesem Jahre doch besser ausfallen sollte, das frage ich mich noch heute).

Aber jetzt zum Eigentlichen:

Die Schuleinführung war schön, es wurde viel geheult (von mir) und meine drei Jungs sahen besonders schnieke aus. Vor der Festveranstaltung saß der Delinquent auf den Stufen und blickte mit gefalteten Händen auf seine Schuhe, während die anderen Kinder Blödsinn machten, weinten oder umhertobten. Das war´s dann mit dem schönen Leben, das stand in der Gedankenblase über seinem hübschen Kinderköpfchen. Er rührte mich sehr, ich stellte mich deshalb gleich zu der Gruppe mit den Heulern. ich heulte eigentlich durch, bis es endlich Mittagessen gab. Weil die Veranstaltung so ergreifend war, die Kinder so schön gesungen haben, weil der Blondino so groß aussah auf der Bühne, weil der Blondino so klein aussah auf der Bühne, weil wegen allem!

Die Schultüte für den Blondino habe ich bei Anja bestellt. Es ist eine Rakete mit Astronat. Mittlerweile ist es ein Kuschelkissen. Zugebunden wird die Rakete mit Zackenlitze, an der gesteppt die Buchstaben des Namens hängen.

 

Nun heißt „Schule unter besonderen Bedingungen“, unter anderem, dass man seine Fortpflänzchen an der Schultür abgeben muss. Okay soweit. Bereits in Woche zwei stand dann im Muttiheft: „Könnten sie bitte ihr Kind eher zur Schule bringen, er kommt immer erst beim letzten Klingeln ins Klassenzimmer, danke.“. Moment, dachte ich. Ich gebe ihn halb acht ab und winke durch das Fenster in die Garderobe. Um acht fängt der Unterricht. Frage: Was passiert in der Zwischenzeit?

Die Antwort ergab sich mir dann beim Abholen irgendwie aus der Situation heraus. Also beispielhaft quasi, aber lasst mich berichten: Ich komme und melde mich beim Anmeldebeauftragten des Hortes an, danach suche und finde ich das Produkt meiner ungezügelten Leidenschaft im Lego-Zimmer. „Hallo Kind, blablabla, komm bitte, ich warte vorn am Eingang, denn ich darf hier nicht sein, also komm doch bitte zum Eingang!“. Ich warte. Am Eingang. Irgendwann nach fünf bis zehn Minuten (wer schaut schon auf die Uhr) schlurft das Kind heran. „Kind, geh bitte nach oben und hole deinen Ranzen aus dem Spind!“, Kind trabt ab. Ich warte. Am Eingang. Sehr lange. Nach einer Viertelstunde gehe ich zum Hortbeauftragten und vermelde das Fehlen des erwartenden Kindes. Ich darf ausnahmsweise nach oben zum Suchen. In der zweiten Etage angekommen, lugt ein Ranzengurt des Sohnes aus dem Spind, kein Sohn in Sicht. Ich also wieder runter und vermelde, der Sohn fehle! Ich laufe das ganze Haus und umliegendes Gelände ab und finde ihn dann auf dem Spielplatz, in Hausschuhen und vollkommen schuldunbewusst! Er ist wohl zur Treppe hoch, an seinem Spind („Hole bitte deinen Ranzen aus dem Spind!“) vorbei, an der hinteren Treppe wieder runter und ab auf den Hof. Na klar. Danach wird noch jedes Kleidungsstück einzeln gesucht und dann können wir auch schon. Abholzeit an diesem Tag in Minuten: Fünfundvierzig. Macht ja nichts, ich hab ja Zeit! Ich ahne, wie das morgens so sein könnte. 

Am letzten Freitag regnete es. Ich weise das Kind an, Gummistiefel zu tragen und eine Regenjacke. Nachmittags komme ich, da steht jemand, der aussieht wie mein Kind, in riesengroßen Boxershorts ohne Socken, Hosen, Jacke in Hausschuhen auf dem Hof. Ich erfahre, dass der Blonde exzessiv in die Pfützen gesprungen sei (weil, er hat ja Gummistiefel an), bis das Wasser nicht nur bis zur Oberkante der Gummistiefel stand, sondern die Hose, die Jacke, die Unterhose, einfach alles, voller Wasser war. Man habe ihm notgedrungen ein Hose von irgendwem gegeben und ob wir die bitte morgen wieder mitbringen könnten?

Elternabend war mittlerweile auch schon. Eine Erziehungsperson im Elternverband der Klasse 1c meldete sich auch ganz aufgeregt und berichtete, dass Chiara-Chantal bereits fünfzig Seiten des „Lies mal“-Buches durchgelesen hätte und das halbe Mathebuch auch und ob man ihr das nun verbieten solle zu Hause, was meinen sie, was solle man tun mit so einem hochbegabten Kind?! (Ich meine dazu nur: Die Zeiten, als ich die Augen nur innerlich rollte an Elternabenden, sind endgültig vorbei, so viel kann ich dazu schon mal sagen.)

Als es um die Wahl des Elternsprechers ging, hatte die Erziehungsperson von Chiara-Chantal bereits den Arm oben, da war die Frage noch gar nicht gestellt. Ich war im übrigen dann gegen zweiundzwanzig Uhr die einzige, die sich nach dem Elternabend auf den Heimweg machte. Alle anderen hatten persönliche Fragen an die Lehrerin, die zwar auch vier Kinder hat und deshalb bestimmt gerne nach Hause gegangen wäre an einem Mittwochabend, wo doch am nächsten Morgen wieder früh die Glocke bimmelt, aber man hatte eben noch eine Frage. Oder zehn. Und das Klassenzimmer wöllte man auch noch mal besichtigen.

Schlafen ist auch so ein Thema. Nun hatten wir den Blondino endlich so weit, dass er auch mal bis sieben oder halb acht pennte, muss er nun sechs Uhr fünfzehn aufstehen – ein Drama! Fünf Tage lang zerre ich morgens ein vollkommen verschlafenes Kind in die Küche: „ich bin sooooo müde! Lass mich doch einfach in Ruhe!“, dann ist Wochenende und er hat es dann irgendwie verinnerlicht: Sechs Uhr fünfzehn wird er wach. Kein Scheiß. Ich bin vollkommen runter mit den müden Nerven und erkläre ihm, bis die Uhr um sieben anzeigt, bleibst du liegen! Das üben wir Samstag, das üben wir Sonntag und wann hat er es dann? Genau, Montag! Es ist nicht zum Aushalten. Ich werde nie wieder wach sein…

Aufstehzeit, irgendwann zwischen zu früh und viel zu früh

Hausaufgaben hat das Kind die erste Zeit total verweigert, wie eigentlich das ganze Konzept „Schule“. Nach zwei Wochen teilte er mit, er habe sich jetzt dort abgemeldet für ein Jahr oder so und wölle nun wieder in die Seesterngruppe gehen! Er habe es sich überlegt und so würde es jetzt werden.

Schulkind bei Hausaufgaben; ebenso im Bild: Anreize

Mittlerweile geht es, wenngleich das alles spielerisch und mit Anreizen passieren muss (ob du da als Elternteil nun Bock drauf hast, darum geht es jetzt nicht; also die nächsten – hier zweistellige Zahl ausdenken –  Jahre).

Was gut funktioniert ist, dass wir Nachmittags Scrabble spielen, das Kind und ich. Damit lernen wir Lesen und Schreiben. Gut, „horny“ kann ich nicht legen, auch wenn ich bei optimaler Position bestimmt dreißig Punkte machen würde, aber da will ich jetzt mal nicht kleinlich sein. Wichtig ist, ihn zu motivieren, außerhalb der Schule noch Schule zu machen. Er ist eben nicht wie Chiara-Chantal. Und mir macht es wirklich Spaß, seine Fortschritte zu beobachten, ohne Scheiß, auch wenn mir das den Nachmittag endgültig schrottet. Er wird dann auch bald die Zettel lesen können, die ich überall aufhänge: RÄUM DEIN ZIMMER AUF! ZIEH HAUSSCHHE AN! Das schont mir meine zarten Stimmbänder.

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Ich habe neulich auch eine sich auflösende Banane aus den frühen Septembertagen geborgen – in meiner Tasche! Und als der Familienwandertag anstand, suchte ich verzweifelt die Einladung dazu, denn ich wusste zwar noch wann (nämlich am vergangenen Samstag), aber weder die Uhrzeit noch den Treffpunkt. Und so begab es sich, dass der Bärtige einen Waschbären vermutend, abends aus dem Haus tritt und mich vorfindet, wie ich neben der ausgeschütteten Papiertonne inmitten von Zettelchen und Pappfetzchen hocke um die Einladung zu suchen. Diese verfluchte Einladung! Am nächsten Morgen wiederholte sich das Spektakel in aller Herrgottsfrühe zwischen der Restmülltonne und mir ein zweites Mal. Die Einladung blieb verschwunden. Es war aber neun Uhr, ich sei mir sicher, besprach ich den Mann. Da es nicht soooo viele Treffpunkte an der Dresdner Heide gibt, fuhren wir vor neun sämtliche Treffpunkte ab – keine Klasse 1c!

Vor zwei Tagen fand ich die Einladung. Sie klebte mit einem Magneten beschwert am Kühlschrank. Ich meine, am KÜHLSCHRANK, wer konnte das ahnen. Der Wandertag startete im übrigen zehn Uhr, aber das spielt eine Woche danach nun auch keine Geige mehr.

 

Note to myself: Hausmeister aufsuchen wegen der in den letzten vier Wochen verschwundenen drei Strickjacken, zwei Brotdosen und einer Trinkflasche.

 

Herzensangelegenheiten

Die erste Herzensangelegenheit: Ich danke euch allen für die zahlreichen und mitfühlenden Kommentare unter dem letzten Beitrag! Ich freue mich so über jede Zeile. Und wäre ich eine vorbildliche (oder nur eine leidlich anständige) Bloggerin, würde ich jeden einzelnen schon längst selbst dankend kommentiert haben. Aber diese hier – diese, ich – hat weder einen einen WordPresszugang über die App, einen mobilen Login oder sonstwas. Nein, diese ist zu faul, sich das endlich mal einzurichten und weiß auch nicht, wo eigentlich die Zugangsdaten stehen und ist froh, dass ihr guter alter Laptop die natürlich gespeichert hat und sie also über die Weboberfläche noch drauflässt auf das Blöggel. Es ist eine Schande, sie schämt sich, das tut sie wirklich, aber nun ja, so ist das eben. Und deshalb gibt es keine just-in-time-Dankbarkeiten, weil, ich muss immer erst die Turbine des Rechners hochfahren um auf einen Kommentar antworten zu können. Das hier ist jetzt für alle Kommentator- und -Innen (m/w/d, Unentschlossene sind mitgemeint): ❤

Fürderhin erwäge ich aufgrund meiner soeben beschriebenen Defizite im IT-organisatorischen Bereich eine Praktikantenstelle auszuschreiben, die ich dann mit zweifelhaften Kooperationen querfinanziere, die hier neuerdings wieder gehäuft bei mir einflattern. Aber darum geht es heute gar nicht. Es geht um Herzensangelegenheiten.

Es ist eine aufbruchschwangere Zeit, in der ich mich befinde. Und zum ersten Mal in meinem Leben begrüße ich diesen Umstand nicht. Ich befinde mich in der Bewahrungshaltung, einer brütenden. Ich sitze auf vertrockneten Eierschalen, während das Küken längst flatternd und aufgeregt nach Würmern pickert. Oder Asseln (Das Küken hier interessiert sich nämlich nach der Dinosaurierphase wieder vermehrt für Insekten und Reptilien.).

Die Vorschule im Kindergarten ist abgeschlossen, die Vorschullehrerin hat all ihren Eleven in der vergangenen Woche ein kleines Abschiedgeschenk und einen wundervollen Brief überreicht, den ich nicht zu Ende lesen konnte, weil die liebevollen, mit Stolz erfüllten Worte vor meinen Augen verschwammen. Wenn das Facebook mir als „Erinnerung des Tages“ ein Foto von 2015 anbietet, bei dem das holde Blondchen ein pausbäckiges Oberschätzchen neben seiner fünf Jahre jüngeren Mama, die er damals noch „Mama“, nannte und nicht: „Mutter“, dann ist das auch ein triftiger Grund, in Tränen auszubrechen. Wenn der Bezugserzieher die Kita verlässt, dann stehe ich mit dämlichen Blumen in der Türe, zucke mit den Schultern und: Genau, heule schon wieder. Die beste Kitatante von allen, die linke Herzhälfte der ganzen Kita, die hatte schon vergangenen Freitag ihren letzen Arbeitstag und schrieb dann so: „Wir haben uns leider verpasst!“. Irrtum, ich konnte mich nicht verabschieden und ich wollte auch nicht. Ich verweigere mich dieser allgemeinen Abschiedsstimmung. Ich habe nicht teilgenommen, also ist es nicht geschehen. Hier verabschiedet sich niemand von irgendwem für immer!

es gibt keinen passenden Blumengruß für einen Abschied…

Zwei Wochen ist die Kita nun geschlossen und danach wird sie noch genau zwei Wochen ihre Türen für uns öffnen. Nun noch zehn mal nach unserem Urlaub.

… aber bitte nicht für immer!

Ich dachte, das würde einfacher. Ich dachte, aufgrund des Frühjahres und diverser Probleme, Wechsel im Voraus, würde es einfacher werden. Tut es nicht. Weil ich ja nicht einfacher werde. Je älter ich werde (und ich werde wirklich immer älter, ist das zu fassen), werden Abschiede für mich unerträglicher. Ich möchte mich nicht mehr trennen. Mich nicht trennen müssen, nicht getrennt werden oder sein. Nein! Wenn es schön ist, soll es so bleiben, verdammt noch mal, das ist doch nicht zu viel verlangt.

Und mit einem Kleinkind kommt tatsächlich ständig etwas Neues, aber man verliert auch andauernd etwas. Die Stillphase, geliebt, gehasst, sehnsüchtig erinnernd bedacht. Wickeln, Küsschen auf den Bauchnabel beim Waschen, vorbei. Tragen, Rückenschmerzen, Sehnsucht nach den Kinderärmchen um den eigenen Hals beim Hinauftragen ins Bett. Schmierige Küsse beim Füttern, eng umschlungenes Einschlafen, Kindergartengarderobe, Wasserschneckengruppe, Seesterngruppe, vorbei. Ein Wimpernschlag nur gemessen an einer Lebensdauer. Ein verschwindend kurzer Moment vor langem Vermissen und weißt-du-noch. Die intensivsten kürzesten Jahre mit den längsten Tagen.

Ich wusste das. Ich wurde die Mutter dieses Kleinen, nachdem ich schon verdutzt fragend mein großes Kind angesehen hatte und nicht mehr wusste, in welcher Zeitfresserraffermaschine dessen Kindheit verschwunden war. Anders wollte ich es nun machen. Jeden Tag bewusst erleben! Und dennoch ist jeder Abend ein kleiner Abschied. Dieser Tag kommt nie wieder und mit jedem Tag wird das Kind größer, wächst von mir weg und über mich hinaus.

Jeder Tag ein Abschied. Die Zeit ist nicht meine Freundin. Sie malt hässliche Linien in mein Gesicht und nimmt mir meine Kinder. Wann wird der Kleine das letzte Mal meine Hand halten wollen?! Wann höre ich das letzte Mal: „Mami, dich lieb ich am meisten. Sogar, wenn du nackig bist!“? Jetzt schon ist er in Salome verliebt und nicht mehr lange, dann wird er mir das nicht mal mehr erzählen wollen.

So ist das jetzt. Der Kindergartenabschied steht an und eventuell dramatisiere ich ein wenig. Ich möchte mich dort nicht verabschieden, noch nicht, nie. Ich will jeden Morgen diesen Kindergartengeruch inhalieren und jeden Nachmittag mit Küsschen begrüßt werden. Noch zwanzig Jahre wenigstens. Ich feilsche vergeblich. Mir ist die Endlichkeit eines jeden Momentes mit den Kindern so dramatisch präsent. Den Großen erreiche ich wieder, aber gänzlich anders und er zeigt sich auch wieder empfänglich für meine mütterlichen Zuwendungen, aber es ist eine erwachsene Reaktion. So, wie erwachsene Kinder ihre Mütter anschauen, wenn diese ihnen den Reißverschluss der Jacke hochziehen mit den Worten: „Junge, du wirst dich noch erkälten!“, so schaut er mich an. Noch zweimal Zwinkern und dann rollt der kleine auch mit den Augen, wenn ich ihn an mich drücken will, ich ahne es. Tick tack.

In dieser herzwunden Zeit ist das Beste, nicht zu sehen, was man verliert, sondern zu bewundern, was man hat. Sich mit herzlichen Menschen und liebevollen Dingen zu umgeben, noch mehr bewusst in Dankbarkeit jeden Tag zu leben. Nicht zu bedauern, dass die Freundin, von der man dachte, man würde bis ins hohe Rentenalter zusammen Flohmärkte unsicher machen, sich nicht mehr meldet, weil man eben keinen Platz im neuen Lebensabschnitt hat, oder Familienangehörige sich nicht so verhalten, dass sie den Namen verdienen, das sind alles Begebenheiten, mit denen sich möglicherweise jeder und jede irgendwann auseinandersetzen muss. In unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlicher Grundkonsistenz des eigenen Befindens rufen diese Abschiede von Gewünschtem oder Gewohntem ein unterschiedliches Echo im Brustkorb hervor.

Und dann gibt es Momente und Begegnungen, die sind so voller unvorhersehbarem Glück. Alte Freunde, neue Freunde, für die ich so dankbar bin. Und dann ist da alles schön und warm im Brustkorb und wenn das Veränderung heißt und dazwischen immer wieder der Bestand alter Freundschaften voller Verständnis und Liebe aufflackert und neue Menschen neue Lebensabschnitte begleiten, dann bin ich mit der Veränderung und dem Wandel versöhnt.

Gestern hatte ich einen fantastischen Nachmittag bei Maria, die ich schon eine Weile kenne und mit der die Gespräche über Gott und die Welt und die Kinder darauf jeden Zeitrahmen zu sprengen scheinen und bei jedem Abschied drücken wir uns fester, als Versprechen, dass es: „Auf Wiedersehen!“, heißt. Maria bewohnt mit ihrer Großfamilie eine wunderbunte Wohnung voller Liebe, Leben, Türen, Gängen, Nischen, Kunst und Kerzen. Ich finde kaum den Ausgang ohne Hilfe, aber hinter jeder Ecke einen neuen Schatz für meinen buntverliebten Augen.

Ich war gestern da, um den Geburtstagsteller für mein Neffchen abzuholen und komme ganz bestimmt wieder aus vielen anderen Gründen.

Und Marias Töpferkunst finde ich genauso faszinierend wie sie selbst als Person. Das Kindergeschirr ist so zauberhaft, dass ich im vergangenen Jahr dem Neffen bereits eine Schale geschenkt habe und nach dem Teller zum zweiten Geburtstag wird sicher die Tasse zum dritten Geburtstag noch folgen. Es ist mir einen Herzensangelegenheit, euch Marias Seite Drehworm zu empfehlen, wenn ihr auf der Suche nach einem besonderen Geschenk seid.

Eine Herzensangelegenheit ist es auch, euch zwei Bücher vorzustellen von zwei Bloggerinnen, die mir sehr viel bedeuten. Dass Blogger Bücher schreiben, ist nichts Neues und dennoch sind das hier Prämieren.

Das Ei von Aua

Rike Drust schrieb schon Bücher, als ich noch nicht mal bloggte. Rike ist berühmt, gefeiert und zu Recht ausgezeichnet als Texterin und „mein Bett im Hamburg“. Der feinste Kumpel, der mitfühlendste Mensch, den du dir vorstellen kannst, irre lustig, wunderbar einzigartig und ich bete sie an. Rike hat mir beigestanden, als es mir schlecht ging mit Wort und Tat und Herz. Das ist unvergessen bis in alle Ewigkeit und noch weiter. Und als ob es nicht schon reiche, ist außerdem alles, was ihren kreativen Händen entspringt, auch noch so unfassbar am supersten (diesen Begriff hat sie geprägt). Ob das Bücher sind, Kolumnen, Häkelbuttons, Häkelbilder mit Flüchen und Schimpfworten, gestrickte Sommerkleider, die wild verziertesten Muffins und verrücktesten Kinderkostüme der Welt, ach, die Liste ist unendlich erweiterbar! Und dann schreibt sie seit ein paar Jahren als Kinstabuch über Kinderbücher. Unzählige unbezahlte Minirezensionen zu selbstgekauften Büchern für Kinder, und zwar, weil sie das am meisten liebt: Kinder und Bücher. Und Kinderbücher.

Und jetzt hat sie es gemacht. Ihr erstes Kinderbuch ist da! Endlich. Das wurde wirklich Zeit! Und die liebe Geschichte ist so „Rike“, dass ich sofort glaube, dass die Entstehungsgeschichte wirklich so war, dass sie sich diese Story spontan ausgedacht hat, als sie mit ihrer Tochter Ruby im Wald festhockte in einer blöden Situation, wo es nur eins gibt, was die Kinderstimmung irgendwie rettet: Eine fabelfantastische Geschichte! Und bitte, hier ist sie. Wunderschön illustriert von Mareike Engelke, die ich nicht kenne, aber deren Zeichnungen ich wirklich gut leiden kann (und Axel Scheffler hätte bestimmt auch sehr gern „Das Ei von Aua“, illustriert, hatte vermutlich nur keine Zeit).

Das „Ei von Aua“ ist im Kunstanstifterverlag erschienen und geeignet für Kinder zwischen fünf und einhundert Jahren. Und ihr müsst jeder mindestens ein Exemplar kaufen. Für euch. Und dann noch eines für alle Menschen, die ihr gut leiden könnt.

Mama allein in New York

Über Rena und ihren Sehnsuchtsblog bin ich eher zufällig gestoßen und hier habe ich auch schon mal davon berichtet. Mittlerweile sind Rena und ihre Familie in Berlin gelandet und glücklicherweise für uns alle ist es ihr spielend gelungen, Abenteuer und Skrurriles in der neuen Heimat ebenso spannend und mit mit einem ganz besonderen detailverliebten Spürsinn zu beschreiben. Über ihrer Zeit in New York hat sie ein Buch geschrieben, das ich ich einem Rutsch verschlungen habe, und das ein absolutes „must have“ für alle Menschen wie mich ist, die nicht genug bekommen von der Stadt, die niemals schläft.

Nun ist es ja so, dass Rena die drei Jahre ihres Daseins auf Roosevelt Island in Kolumnen dokumentiert hat. Warum also dieses Buch kaufen? Dieses zauberhafte Buch ist kein abgedruckter Blog. Mir kamen zwar ein paar Geschichten bekannt vor, aber ganz viele Situationen sind dort beschrieben, die es so in dieser Form nicht auf dem Blog gibt! Und vor allem hat Rena es geschafft, ihre Erinnerungen in einen Reiseführer, einen Traumspaziergang zwischen Seiten zu packen, der ans Herz geht und Bilder entstehen lässt vorm Auge des lesenden Menschens.

Zu Beginn steigen wir von der Fähre, wir kommen an auf der Insel. Sie beschreibt mit zartem und scharfem Auge das Setting, erzählt uns, was wir sehen, welchen schrulligen Protagonisten wir begegnen bei unseren ersten Schritten und führt uns so in eine Umgebung, in der sie drei Jahre gelebt hat und aus der sie 104 Geschichten mit uns teilt, die informativ, herzanrührend, zum Haareraufen und lustig sind. Dieses Büchlein ist für alle, die weder von „Sex and the City“, „Manhattan Love Story“, „und anderen Filmen aus dem Big Apple genug bekommen, noch von Frank Sinatras „New York, New York“, für alle, die das Rezeptbuch von „Olive Garden“ und der „Magnolia Bakery“ daheim haben (die „New York Christmas-Kochbücher“ sowieso) und alle, die wie ich verzaubert sind von den Bildern und Geschichten rund um dieses einzigartige Stadt.

Rena und ihr Buch „Mama allein in New York“ schließen da eine ganz besondere Lücke. Renas Buch zeigt, wie lebt es sich als Mutter, als Auswanderin, als ganz normaler Mensch mit Familie hier in dieser großen Stadt, dieser besonderen Stadt. Und das ist spannend! Das ist schreiend komisch und zum Teil wirklich unbeschreiblich zauberhaft. Nicht zu empfehlen für Menschen, die vorhatten, die nächsten Jahre unbedingt zu Hause zu bleiben, denn: Fernweh garantiert!

„Mama allein in New York“ ist bei Books on Demand entstanden und online erhältlich, zum Beispiel hier.

Wer noch mehr New York braucht fürs Leben, dem sei abschließend noch „Stadtnomaden“ empfohlen. Mehr New York inside geht nicht!

So, das waren die Herzensangelegenheiten für heute. Ich möchte abschließend erklären, dass die Kaufempfehlungen, die ich hier ausgesprochen habe, keiner „Kooperation“ entspringen und ich weder gebeten noch bezahlt wurde, hier etwas Nettes dazu zu schreiben. Die Menschen hinter den Produkten liegen mir am Herzen und ich mag jedes Buch und jedes Ding, das ich euch zeige so sehr, dass ich will, dass ihr es auch schön findet! „Werbung“ ist es dennoch im eigentlichen Wortsinn- deshalb schreibe ich diese Wort hierhin. Denn wir sitzen ja nicht zusammen in meiner Küche und quatschen, sondern hier im Internet, und da kann eben doch keiner machen, was er oder sie will. Ich vergesse das zum Glück oft und tu so, als säßen wir zusammen auf dem Sofa, jede ein Kissen zwischen den angezogenen Knien und einen Becher heißen Tee in der Hand… schönes Bild.

Ich packe jetzt die Koffer für die Ferien. Wer sich fragt, wie es nun bei dem Bubi weitergeht, dem sei gesagt, der Beitrag dazu heißt „Saul Goodman“, und ist bereits in Rohfassung erstellt. Ich muss noch warten, wie es nun weitergeht, bevor ich euch das schreibe. Aber wer weiß, wer Saul Goodman ist, dem ist auch schnell klar, welchen Weg wir eingeschlagen haben!

Bis zum Wiederlesen schöne Sommerferien und bleibt gesund und fröhlich! ❤

 

Die Reifeprüfung

Mein lieber Bubi,

ich soll nicht mit dir reden, hast du gesagt. Und ich solle auch keinen Brief schreiben, hast du gesagt. Ich soll dich doch bitte jetzt in Ruhe lassen.

Nun, das mit der Ruhe kann ich gerade nicht. Gar nicht. Seit Wochen hängen dein Vater und ich in einem Strudel aus Anspannung, was-wäre-wenns und Supportbestreben fest. Das ist ein Scheiß, das kannste laut sagen. Also, wenn dein kleiner Bruder gerade nicht zuhört.

Weißt du, das ist wirklich echt Kacke gelaufen heute. Und vor zwei Wochen auch schon. Ich meine, du hast wirklich passable Leistungen abgeliefert, dreizehn Jahre lang, und nur an an zwei Tagen waren die nicht abrufbar – shit happens! Tja, Abitur adé. Und dann heute die beschissene mündliche Nachprüfung – die allerallerallerletzte Chance, nur kein Druck- und wieder hat es nicht gereicht. Und dann noch diese Abwertung, dieses: „Das war gar nichts, was sie heute gezeigt haben!“, danke.

Als du den Weg zum Haus herunterkamst am heutigen Vormittag, da wollte ich dich nur in den Arm nehmen. Du wolltest das natürlich nicht, das willst du nie. Dein Gesicht, diese Enttäuschung, dich so zu sehen… weißt du, wir sind alle am Boden zerstört, heute. Aber das musst du wissen, wirklich glauben: Es hat nichts damit zu tun, dass wir dich für einen Versager halten, dass wir enttäuscht wären. Im Gegenteil! Wir sind so traurig, weil wir dir von Herzen gegönnt hätten, dass du diesen Sieg einfährst! Weil dein Vater und ich der Meinung sind, du hast das sowas von verdient, dieses alberne Blättchen mit dem Abiturzeugnis. Du hast dich dreizehn Jahre abgestrampelt unter deutlich erschwerten Bedingungen, die letzte Zeit gänzlich ohne Hilfe. Du hast nicht einen einzigen Tag geschwänzt, niemals „versehentlich“ verschlafen, du warst geradlinig bei der Sache. Das hat nicht gereicht. Leider.

Seit Ende letzten Jahres musstest du ohne Schulintegration auskommen, weil der letzte Integrationshelfer krank wurde und in der ganzen Stadt kein Ersatz zu finden war. Deine Schule hat bis heute keinen Integrationsbeauftragten benannt, obwohl sie nach dir in jedem Jahr mindestens einen Schüler mit Autismusspektrumstörung aufgenommen haben, das zusätzliche Geld für die Inklusion nimmt man gerne mit und niemand prüft so genau nach, ob der Auftrag denn überhaupt erfüllt wird, egal. Dann kam Corona und verbannte dich zum Alleinlernen in dein Zimmer. Tutorstunden fielen aus, Prüfungsvorbereitung nur noch im Alleingang. Du hast das wirklich bravourös gemacht! Ich habe dich eigentlich nie genervt erlebt, niemals schlecht gelaunt. Die letzten Tage der Prüfungen, da hattest du entsetzliche Muskelzuckungen, die dich um  den Schlaf brachten, du warst am Ende deiner Belastung, wir haben es alle gemerkt. Und dennoch hast du dich so wacker geschlagen, hast dich zusammengerissen (Auch wenn Autisten immer wieder gern beteuern, das sei per definitionem unmöglich!) und dich motiviert. Es hat nicht gereicht.

Mir will das Herz brechen über deinen Kummer heute, deinem Vater geht es ähnlich. Aber nur, weil wir finden, das ist so ungerecht, so kackdrecksgemein. Weil wir sehen, was du geschafft hast und wie weit du gekommen bist und dass dir wirklich niemals in den letzten dreizehn Jahren irgendwas in der Schule geschenkt wurde. Und zugefallen ist es dir schon überhaupt gar nicht. Wenn ich daran denke, dass du trotz aller Anträge im Vorfeld das Abitur ohne Nachteilsausgleich (lediglich ein paar Minuten mehr Zeit wurden dir zugestanden) ablegen musstest, will ich ein Loch in die Wand hauen! Da wird dir jahrelang zugesichert, dass du die Operatorenliste als Hilfsmittel bei Arbeiten benutzen darfst und in der Prüfungsordnung steht, der Integrationsschüler legt die Prüfungen ab unter den Bedingungen, wie der Stoff gelehrt wurde, und dann wird die für dich so wichtige Operatorenliste auf einmal abgelehnt mit dem Hinweis, das wäre ja sonst ungerecht gegenüber den anderen Schülern und alle müssten unter den gleichen Bedingungen abliefern. Hallooo?!

Chancengleichheit

(Ich bin so inklusionsagressiv, ich könnte was anzünden… )

Ich habe dir im Vorfeld gesagt, ganz egal, wie heute das Ergebnis ausgeht, ich bin stolz auf dich! Du hast dreizehn Jahre Schule gemeistert und ich schau mir deinen Zensurenspiegel an, da steht nichts von „durchgefallen“! Du hast die letzten drei Jahre Leistung abgeliefert, das steht dort. Du konntest es an den Prüfungstagen nicht abrufen, von mir aus, aber du hast es geleistet! Ich lass mir nichts anderes einreden. Du bist absolut großartig und ein fantastischer junger Mensch, den ich so gerne um mich habe.

Und ich habe dir gesagt, wurscht, was dort auf dem Papier steht, ich weiß einfach, du wirst deinen Weg finden und ich wünsche mir nur für dich – nicht für mich – dass du glücklich wirst und zufrieden und deinen Platz in dieser Welt ausfüllst. Ob du dazu als Baggerfahrer deinen Lebensunterhalt verdienst oder als Verkäufer für Tiernahrung, als Biochemiker oder Eintänzer, das ist mir wumpe, solange es deiner eignen Wahl entspricht.

Ich weiß aber auch, dass du das Meerrauschen einschaltest, wenn ich gefühlsduselig werde und liebesschnulzig. Du hast mal gesagt, das könntest du alles nicht ernst nehmen, was ich von mir geben würde, denn ich fände ja immer alles ganz toll, was du machen würdest. Das hat mich nicht gekränkt, ich verstehe, was du meintest. Aber dein Vater ist zum Glück auch noch da und darf den Part des konstruktiven Kritikers übernehmen und dir Rankhilfe sein, an der du dich festhältst und nach oben wächst. Ich muss das nicht. Ich bin der Barde mit den Lobgesängen.

Wenn ich so drüber nachdenke, weiß ich auch nicht, ob ich das super gefunden hätte mit einer Mutter wie mir. Ich weiß nur, dass ich mein erstes halbes Leben versucht habe, die Lücke zu schließen, das Loch zu stopfen, dort, wo die elterliche Unterstützung und Wertschätzung und ewiglich geschworene Liebe und Zuversicht eigentlich hingehören. Und dass ich es um jeden Preis anders machen wollte. Dass ich sowieso gar nicht anders kann, als für immer der größte Fan von dir und deinem Bruder zu sein, das ist für dieses Vorhaben natürlich überaus hilfreich.

Ich werde niemals damit aufhören, auch nicht, wenn du siebzig bist und ich hundert. Auch dann noch werde ich dir sagen, wie glücklich ich bin, deine Mutter zu sein. Und wie stolz du mich machst. Weil es eben nicht von einem Zettel abhängt, was deinen Wert ausmacht. Und noch nicht mal dein Lebensweg wurde heute entschieden, nicht im mindesten, auch wenn du das jetzt sicher denkst. Und dich fragst, was nun aus dir werden soll. Du musst nicht werden, du bist schon.

Ich erzähl dir mal was.

Wenn du jetzt nach dreizehn Jahren auf dem sogenannten „ersten“ Bildungsweg dein Abitur gemacht hättest, dann wärst du in unser ganzen Familie der erste Mensch überhaupt! Ernsthaft. Dein Opa hat die Schule nach acht Klassen verlassen und Maurer gelernt, sich danach irgendwie hochgearbeitet und Abendschule gemacht und war dann Chef von Dings und Bums. Deine Oma hat bei der Post gearbeitet, während der Lehre noch deinen Onkel bekommen und auch „irgendwie“ weitergelernt bis in ihre leitende Position. Damit will ich nicht sagen, dass eine leitende Position erstrebenswert ist, nur, dass beim Schulabschluss nicht entschieden wird, wo die berufliche Reise schlussendlich endet.

Dein Vater hat eine Ausbildung zum Schlosser gemacht und jeden Tag davon gehasst. Danach hat er sein Abitur nachgeholt und war mit dreiundzwanzig fertig damit. Mit achtundzwanzig hatte er das Studium beendet. Du warst fünf Jahre alt damals.

Und ich habe gar kein Abitur! Hab ich damals gedacht, das sei ein Manko? Natürlich. Ich habe eine verhasste Lehre gemacht unter Honecker (Elektronikfacharbeiter, damals noch ohne -in am Ende, Genderfizierung war noch nicht erfunden), danach zwei weitere Ausbildungen angefangen (Frisör, Außenhandelskauffrau) und aus unterschiedlichen Gründen abgebrochen. Erst mit fünfunddreißig (du warst schon da und ich bin täglich morgens um halb vier aufgestanden um zu lernen) habe ich meinen Abschluss als Informatikkauffrau gemacht, der mich zu meinem heutigen Job gebracht hat. Hat mich das zu einem Versager gemacht? Nein. Hatten andere Menschen in meinem Alter viel früher große Autos und schicke Häuser und einen Plan im Leben? Ja, sicher. Will ich rückblickend tauschen? Auf gar keinen Fall!

Was ich dir damit sagen will ist, dass Versagen in den seltensten Fällen wirklich Versagen bedeutet. Versagen ist nur ein Begriff der Abwertung, den du dir selbst auferlegst oder dir von anderen auferlegt wird. Nichts im Leben ist Versagen! Davon bin ich zutiefst überzeugt. Alles führt uns am Ende auf einen bestimmten Weg, unseren Weg! Und du stehst erst am Anfang deines Weges. Ob er verzweigt ist und mit Wurzeln bewachsen oder eine asphaltierte Straße, bei der du den Horizont fest im Blick hast, ich weiß es nicht. Ich hoffe, er ist mit schattigen Bäumen bewachsen und mit Blumen am Wegesrand, damit dein Blick Ablenkung erfährt und du dich nicht immer auf dein Ziel fokussierst. Und dass du immer nette Gesellschaft hast auf deinem Weg. Das ist überhaupt das wichtigste in meinen Augen, aber ich bin alt, das musst du noch nicht verstehen, jetzt mit zwanzig.

Ich möchte dich noch ein Stückchen begleiten, auch wenn ich lernen muss, dir nicht mehr die richtigen Wanderschuhe rauszustellen und dich mit Sonnencreme einzuschmieren, falls der Weg durch die Mittagshitze führt (Metaphern sind nicht so deins, ich weiß, ich schreibe das mehr für mich). Ich würde dich gern für immer behüten und beschützen und dir jede Last und jedes Arg und Weh vom Leibe halten, aber dann macht der Weg auch keinen Spaß.

Weißt du noch, als wir auf Teneriffa auf den La Guaraja gestiegen sind? Das war eine Plackerei. Aber als wir oben waren, wow. Und wie stolz wir da waren! Wir hätten natürlich auch mit der Seilbahn hoch zum El Teide fahren können und auf bequeme Weise die Aussichtsplattform erreicht – ohne Schweißvergießen, ohne Mühen – glaubst du, wir  hätten dieselben Gefühle gehabt da oben?

 

Heute willst du nicht mit mir reden, heute lass ich dich in Ruhe. Aber ich bin hier, ich habe die Ärmel hochgekrempelt und zwei, drei Reiserouten für die nächste Etappe zur Auswahl. Oder du machst erst mal Pause. Du darfst das selbst entscheiden, es ist deine Reise, auf deinem Weg. Wir, deine Eltern, sind nicht die Reiseleitung. Aber wir sind bergerfahren und schluchterfahren, wir sind schon durch Stürme und ohne Ausrüstung gegangen, und du kannst immer auf uns zählen, wenn du uns ein Stück mit dir gehen lässt. Das wird die Reise deines Lebens und sie hat gerade erst angefangen.

Deine Ma

 

Coronawochenende in Bildern

„Essen in Bildern“ vor allem, aber bleiben sie neugierig! Hier gibt es einiges zu sehen. Halten sie vorsorglich Chips, Malteser oder einen Becher Eis in Griffnähe.

So. Here we go. Ich dachte mir, ich müsste mal wieder was dafür tun, dass ich im Header dieses Blogs behaupte, es ginge hier um „Abenteuer rund um Aufzucht und Pflege der Jungen“, das heißt: Content her von richtigen Kerls! Sollten sie die Anschaffung eines oder mehrerer männlicher Fortpflanzen erwägen, dann stocken sie schon mal vorsorglich den Dispo auf! Ich kann ihnen berichten, dass ich mich gerade in einer Zeit der Lebensmittelverknappung oftmals genötigt fühle, meinen vollen Einkaufswagen zu rechtfertigen. Kurz: Ein Sack gefrorene Schnitzel und eine Palette Joghurt gehen als kleiner Snack durch! Deshalb finden sich über Gebühr Fotos von zusammengekochten Lebensmitteln bei meinem Wochenendbericht-ich stehe eigentlich ständig am Herd.

Zum Beispiel deswegen:

Das Beste, das aus Bohnen werden kann, ist nicht etwa dieses neumodische überkandidelte vegane Eiweiß, nein, das hier:

Bohnen kurz blanchieren, gefrorene Bohnen nur auftauen. Zwei Hände voll Zwiebeln in Butterschmalz anbraten, bis sie Farbe bekommen. Dann die Bohnen dazutun und scharf anbraten. Die müssen wirklich Farbe bekommen! Rühren ab und zu, probieren, ob sie bissfest und gar sind, das dauert ein wenig. Gewürzt wird das mit Salz, Pfeffer und von mir aus etwas Kräutlein aus der Provence. Ein bis zwei Esslöffel Aceto Balsamico in die Pfanne geben, wenn es aufhört zu zischen, ausschalten. Von acht Tomaten die Wände sauber abschneiden und die abtupfen, in Streifen schneiden. Den Rest der Tomaten aufheben und eine Tomatensuppe planen für die nächsten Tage. Die Tomatenwände in die Bohnenpfanne geben, es soll nicht so zerkochen wie auf dem Foto. Das ist nicht schön geworden, Frau Nieselpriem!

Dazu passt luxeriöses Kartoffelpüree, und das geht so. Mehligkochende Kartoffel schälen und kochen (ihr seid bestimmt überrascht), dann in ein Sieb. Im Kartoffeltopf ein Löffel Butter mit einem Esslöffel Knoblauch anschwitzen, dann ein Becher Schlafsahne dazu, Salz, eine Prise weißer Pfeffer, aufkochen. Die Kartoffeln dazu und stampfen. Um Gottes Willen nicht pürieren! Danach -wenn ihr habt- ein wenig Trüffel drüber hobeln (mir wird der Schlüpfer warm). Ich hatte keine Trüffel, ich habe Schnittlauch genommen (nein, ich denke nicht, dass Schnittlauch als Ersatz für Trüffel durchgeht, aber wir müssen alle Opfer bringen in diesen Zeiten).

Dazu passt zum Beispiel ein rosafarbenes Lämmchen. Oder Fischstäbchen vom Aldi. Im Ofen lieblos sich selbst überlassen.

Beim Essen ist die einzige Gelegenheit, bei der wir alle vier am Tisch sitzen, der Bubi verschanzt sich sonst in der Bubiburg und lernt fürs Abitur (offiziell) oder daddelt (wahrscheinlicher) und züchtet Körperbehaarung (offensichtlich). Seit Anbeginn der Quarantäne hat er sämtliche Rasurbestrebungen aufgegeben und sieht nun mit seinem wolligen Backenbart aus wie George Washington. Ich muss ständig hingucken. Außerdem ist sein modischer Undercut rausgewachsen, wir verlottern. Da es bald absolut solidarisch zugehen wird, weil kein Mensch ins Solarium, Sonnenstudio, Friseurstudio oder zur Nagelmodellage gehen kann, werden wir bald alle mit grauen verwachsenen Haaren, abgeknaubelten Fingernägeln und fahler Gesichtshaut umherschlurfen. Come as you are, ich freu mich drauf.

Am Nachmittag haben wir den Wandertag ausgerufen. Wir sind nach Tharant gefahren und wollten durch den Forstbotanischen Garten lustwandeln. „Arboretum“, wie wir Intellektuellen dazu sagen. Gut, das Arboretum war geschlossen, die schließen echt den Wald zu, die spinnen, aber dann suchen wir eben irgendwas anderes zum Lustwandeln. Herrschaftszeiten, als ich Kind war, gabs gar kein Arboretum! Ich konnte Hascher um den Apfelbaum bei meiner Oma im Garten machen und damit hatte es sich! Also reißt euch zusammen!

Das verwöhnte Wohlstandskind steigt aus dem Auto und schmeißt sich längs mit der Begründung, es könne und wolle nicht laufen. Man kennts.

Wir haben dann Pferde „gefunden“ und der Blonde durfte unter Anleitung des Besitzers die Resi, den Axel, „die Chefin“ und ein polnisches Austauschpferd füttern und striegeln. Das Kind war happy und sagte zu dem Pferdemann: „Du bist ein wirklich schöner Mann, vielen Dank! Das ist der schönste Tag in meinem Leben!“. Der Pferdebesitzer sah nicht überrascht aus, obwohl er mich optisch an Petterson erinnerte. Ich überlege die Anschaffung von Pferden. Pferde machen schön.

Zu Hause erwartet das holde Blondchen noch ein Liebesbrief aus der weltbesten Kita mit einem lieben Ostergruß und einem selbst gebastelten Spiel.

Sonntag. Guten Morgen! Ich habe das Rasieren noch nicht eingestellt, aber das Glätten meines widerporstigen Haupthaares. Ich freue mich sichtbar, weil ich gleich wieder in der Küche verschwinde.

Vorher behämmern der Blonde und ich Konservendosen mit Hämmern und einem dicken Nagel. Das macht erstaunlich Spaß und sorgt für stimmungsvolles Licht beim Mittagessen.

Es gibt Krautnudeln mit Kraut, Hackfleisch und Nudeln, gewürzt mit Estragon und Kümmel. Für mich gibts Hefeklöße mit Butter, Zimtzucker und Grütze.

Am Nachmittag – der Mann ist unterwegs- verdingen sich das Kind und ich im Garten. Wir haben alles angeeiert und geschmückt, weil wir in diesem Jahr nicht wegfahren werden zu Ostern (es war eine kurzfristige Entscheidung, sie verstehen). Das Ergebnis ist gefällig.

Überall stehen jetzt Eimer und Töpfe mit Samen und Pflänzchen herum. Wir haben „Bienenglück“ ausgesät und mit bubberndem Herzen Samen aus dem Garten von der Andrea Harmonika, die diese uns geschickt hat. Falls hier jemals irgendetwas gedeiht, das ebenfalls abgesamt werden könnte, werde ich auch Samen verschicken.

Währenddessen hat das Kind den Garten angemalt. Voll idyllisch hier bei uns.

Bei mir geht alles ein, ich schiebe es gern und beständig auf den „Waldgarten“, in dem nur Pilze, Brombeeren und Bärlauch gedeihen würden, aber bestimmt liegt es an mir. Wider besseren Wissens habe ich sogar Erdbeerpflanzen eingetopft! Als ob. Nun ja, irgendeine Übersprungshandlung brauchte ich! Es gab zwar kein Klopapier und keine Tiefkühlerbsen, aber Erdbeerpflanzen am Freitag! Was sollte ich da nur tun?! Genau.

Am Abend gab es Tomatensuppe (die aufmerksamen unter euch haben sich bestimmt schon gefragt, wann es so weit sein würde – genau, jetzt) mit kurzen Bandnudeln. Ich kann kein Essen mehr sehen, ihr etwa?

Na gut, Kuchen geht noch. Ich habe Prasselkuchen gebacken, jeder nimmt sich (virtuell was, bitte schön!

Wie? Ganz einfach Blätterteig aus dem Aldi (die Angebermuttis dürfen den gern selber machen, ich bringe das nicht) mit säuerlichem Gelee beschmieren. Dann Butterstreusel obendrauf und nach dem Backen einen Zuckerguss aus Gelee mit Puderzucker obendrüber. Und, schmeckts?

Zum Abschluss noch was vom Kleinen. Der beschimpft ja relativ originell alle Leute um sich herum, aktuell nennt er seinen Vater „Motz, den Blechrotz“. Ich habe rausgefunden, was das soll. Er plant eine Hiphop-Karriere! Er läuft auch durch die Gegend und tönt: „Yes yes jo, tschubiditscho!“, und denkt, er ist der Coolste!

Im Auto verlangt er stets als erstes nach „Bumm biddi beibei“, und groove-t dann mit dem Oberkörper hin und her. An jedem Ende einer vom Inhalt her niemals zu übersetzenden Refrainzeile kommt ein Wort, das auf einen Laut mit „-ei“ endet bei den Jungs vom Zypressenhügel, der Sechsjährige singt einfach konsequent „Brei!“ mit. Das ist sehr lustig!

Weil ich euch ja viel erzählen kann, singt jetzt die vermutliche einzige Latino-Hiphopband der Welt für Euch und den Blondino. Bitte vergesst das „Brei!“ nicht.

And four, and three, and two and one:

 

Rubbellose für Senioren

Ich will eigentlich nichts mehr über Alterserscheinungen, Geburtstage jenseits derer, wo ich einen Holzzug mit Kerzen auf den Tisch stelle und Ballons aufpuste, schreiben, aber. Aber einer muss euch ja warnen! Es geht alles den Bach runter, alles. Der Beckenboden, das Bindegewebe, die Sehstärke, alles.

Pass auf, hab ich mir doch aus Verzweiflung Amazongutscheine gewünscht zum Geburtstag. Ich weiß schon, keiner von euch bestellt beim bösen Amazon, sondern ihr alle kauft nur handgeklöppelte Waren beim Handklöppler um die Ecke. Lokal und regional und bio und öko. Ich natürlich auch! Natürlich.

Also, Amazongutscheine. Das musste sein, weil ich sonst hier einen Tisch voller Schnittblumen im allgemeinen und Nelken im Besonderen stehen hätte, Mon Cherie Pralinen, Rotkäppchensekt und andere Entsetzlichkeiten! Dabei bin ich überhaupt nicht anspruchsvoll, ich könnte sofort aus dem Stehgreif zehn Dinge nennen, die nicht mal zehn Euro kosten und über die ich mich immer freue! Badesalz, Duftkerzen, Kerzen überhaupt, Badeschaum, Badepralinen, irgendwas Gebasteltes und den Rest bis zur Zehn fülle ich mit reduzierten Taschenbüchern auf. Ihr seht, ganz einfach also. Eigentlich! Da ich aber neue Laufschuhe dringend brauche und notorisch pleite bin, dachte ich, ich lasse mir die so von allen schenken, ich cleveres Ding, ich.

Ich habe auch Amazongutscheine bekommen, so weit, so gut.

Gestern dann setze ich mich hin, die Gutscheine in der einen, das Handy in der anderen Hand. Wie geht das nun, kann ich das nacheinander auf mein Konto laden?! Also Googlen. Googlen ist wie Denken, nur weniger krass, harhar.

Guck an, ja, das geht. Link klicken, Seite aufrufen. Da steht dann irgendwas von „Geschenkkarten auf Konto laden“. Prima, ich komme klar. Eintippen oder Scannen? Na, beides, denn es gibt wohl Amazongutscheine, die aus Buchstabenkombinationen bestehen und welche nur mit Zahlen?! Hä? Komisch. Ich kenne mich nicht aus, ich kaufe die sonst nur um die selbst zu verschenken an Menschen, die eigentlich nur Bioökoregionales beim Handklöppler um die Ecke kaufen. Und ich habe Freunde, die mir Karten gekauft haben und Freunde, die geheimnisvolle Botschaften auf Geburtstagskarten geschrieben haben. Ob das ein Amazoncode ist? Probieren. Ich tippe. Mann ey, jetzt muss ich auch noch Handschriften entziffern! Wer solche Freunde hat…

„Dieser Code ist ungültig. Vermutlich handelt es sich um einen Tippfehler.“. Okay, aber dreimal, viermal? Der Code ist ungültig. Was ist hier los? Hat mein Freund Bruno mir etwa einen falschen Code geschenkt? Ob ich mal anrufe? Vielleicht hat er sich ja verschrieben? Nein, das ist peinlich. Aber ich muss mich schon sehr wundern. Kein Geschenk wäre durchaus einen Option gewesen, aber ein ausgedachter Amazoncode? Pfffff.

Nächste Karte. Scannen. Ich scanne mit dem Handy, das geht nicht. Die blöde Scheiße geht nicht! Einen Gutschein nach dem anderen versuche ich zu scannen, mein Handy kann das nicht lesen. Error, Error, Error.

Ich werde sauer. Was für ein Kackdreck, wollen die mich verarschen? Ich wünsche mir die Zeit zurück, als man zu runden Geburtstagen Geld an Zimmerpflanzen band oder romantisch in einen Briefumschlag steckte und es der Jubilarin ins Dekolleté schob. Boar!

Ich sitze also mit meinen Verarschungsgeschenken auf der Couch und denke, einen Versuch! Komm, Mädchen, einmal noch, dann schmeißte die ganze Scheiße in den Müll. Also los, wieder ein Gutschein zum Abschreiben. Vorsichtshalber noch die Lesebrille aufsetzen (sagt dir auch keiner, quasi über Nacht bin ich jetzt blind auf der Kurzstrecke; es ist nichts würdevoll am Altern). Gucken, tippen, gucken, tippen. Dann kommt dieses Prüffeld, ob ich Humanoid oder Android bin. Kennt ihr? Dieses Kacksdrecksfeld, wo wirr Buchstaben groß und klein mit Zahlen und Gekrissel in einem Kästchen stehen? Genau das. Und da bin ich aufgeschmissen! Ich kann nämlich niemals diese Zahlenbuchstabenkombination korrekt eingeben. Nie. Muss man die ominösen Leerzeichen mit tippen? Ich erkenne auch oft nicht, was dort steht. Ich rate also mutig drauf los und natürlich ist es falsch! Ich bin entlarvt, ich bin kein Mensch.

Der Mann findet mich fluchend mit zornigem Gesicht auf der Couch.

Was denn los sei, fragt er folgerichtig, auch wenn ich prinzipiell ja keinen besonderen Grund brauche, um zornig zu gucken. „Also, außer, dass der Bruno mir einen ungültigen Amazoncode geschenkt hat und diese ganze Scheiße hier überhaupt nicht funktioniert mit diesen Gutscheinen, ist nichts! Alles super!“. „Gib mal her. Hast du die richtige Seite aufgerufen? Die, wo man die Geschenkgutscheine einträgt?“. „Hältst du mich für total bescheuert? Ich werde ja wohl noch bei Amazon eine Seite finden?!“. „Ich frage ja nur. Hier, guck, also der Bruno hat dir vierzig Euro geschenkt, ich hab einfach nur den Code abgeschrieben.“(zeigt stolz sein Handy) „Du cheatest doch! Ich habe nichts anderes gemacht! Und da stand, das sei ungültig!“. Währenddessen nimmt der Mann sich kopfschüttelnd eine weitere Amazonkarte vor. Ich tue es ihm nach und will  beweisen, dass es eben nicht geht! Ich scanne also eine Karte, wie vorher auch und nein, das funktioniert nicht. „Siehst du, siehst du! Die Scheiße klappt nicht!“, schreie ich den Kerl an. Der schaut auf mich, auf die Karte in meiner Hand, wieder auf mich. „Ernsthaft jetzt?! DAS hast du die ganze Zeit gemacht? Genau so?! Du hast versucht, den Barcode der Verpackung zu scannen? Was bist du? Eine verfluchte Supermarktkasse?! Du musst die Scheißpappe natürlich erst mal abmachen! Oh Gott, ich glaub es nicht. Wie bescheuert kann man denn sein?!“. „Woher soll ich das denn wissen? Steht das irgendwo? Nein! Das ist voll nutzerunfreundlich!“. „Das steht bestimmt sogar irgendwo drauf für solche Dummdödel wie dich, aber du kannst es ja eh nicht mehr lesen, wenn es nicht in 22pt gedruckt ist Gib her!“, und reißt beherzt die Pappe auf. „So, und jetzt rubbelst du das Feld hier oben frei und DANN ist darunter der Amazoncode. Und DANN kann man den scannen!“. „Was? Ich rubbel hier was frei? Das kann nicht denen ihr Ernst sein. Wo denn? Womit?“. Ich kratze dann mit einer Karte auf einer anderen fluchend drauf rum. Meine Finger sind ruckzuck schwarz, die blöde Rubbelscheiße geht nicht runter und allenfalls winzige Hieroglyphen, so klein wie Ameisenköttel, kommen zum Vorschein.

Ich konstatiere in meiner Not, ich bin ohne den Mann komplett aufgeschmissen. Der betitelt mich ohne Unterlass als selten dämlich und schüttelt wie ein Parkinsonpatient ohne Unterlass den hübschen Kopf. Ich atme tief durch, beschimpfe ihn innerlich lautlos als kotnaschenden Hodenkobold und bitte ihn dann (aus Verzweiflung, wie tief kann man sinken), mir doch bitte die Gutscheine zu scannen. Und klapper mit den Lidern. Versuche ein Lächeln. Er macht es.

Den Rest des Tages singe ich lautstark:

„Soy un perdedor! I´m loser, Baby, so why don´t you kill me!“

Und beim nächsten Mal bitte Nelken und Mon Cherie. Passt schon.